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Zeit zum Umlenken. Tarifflucht und Dumpinglöhne: Droht auch in Deutschland und Österreich ein Lkw-Fahrermangel wie in England?

Dossier

Just-in-Time-Produktion: Stramme Ketten können brechen... Fotomontage: LabourNet Germany„… Tatsächlich warnten auch Deutschlands Fuhrunternehmer vor Kurzem eindrücklich: In zwei, drei Jahren drohe ein „Versorgungskollaps, ähnlich wie in England“. Mit einem „Aktionsplan Fahrermangel“ meldete sich der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) Mitte Oktober zu Wort. (…) Der Beruf des Lkw-Fahrers stirbt auch in Deutschland langsam, aber sicher aus. Jahr für Jahr gehen rund 30.000 Fahrer in Rente. Ihnen stehen nur 17.000 Berufseinsteiger gegenüber. Schon heute fehlen nach Schätzungen des BGL 60.000 bis 80.000 Berufskraftfahrer. Der Beruf sollte attraktiver gemacht werden (…) Bei Verdi selbst winkt man allerdings ab: nicht machbar, unrealistisch. Tarifverträge für den Gütertransport habe man nur auf Landesebene, daran werde sich so schnell auch nichts ändern. Und beim BGL heißt es: „Ein für ganz Deutschland allgemeinverbindlicher Tarifvertrag entspricht leider nicht der wirtschaftlichen Realität.“ Hierin sind sich die Sozialpartner also einig. Man müsste! Aber man kann nun mal nichts machen.“ Artikel von Jörn Boewe vom 1. November 2021 im Freitag 43/2021 externer Link und hier zum Thema:

  • [ZDF.reportage] Trucker gesucht: Wer fährt unsere LKW? New
    Fast alles, was wir alle täglich brauchen, kommt auch per LKW: ob Lebensmittel, Medikamente, Elektronik oder Kleidung. Ohne Laster geht nichts. Aber die Branche klagt: Fahrer sind Mangelware. Gegenwärtig fehlen in Deutschland mindestens 70.000 LKW-Fahrerinnen und Fahrer, so der Branchenverband BGL. Jährlich gehen 30.000 in Rente, aber nur 15.000 fangen neu an. Das heißt: die Lücke wird immer größer.
    „Allmählich macht es immer weniger Spaß“, sagt Trucker Udo, seit Ewigkeiten in der Branche. Seine Hauptroute, einmal von Eichenzell bei Fulda nach Italien und zurück, fährt er Jahr um Jahr. Es ist ein harter Job, viel Stress, jede Menge Verkehr, wenig Wertschätzung. Und fast immer ist er allein. „Mit Trucker-Romantik hat die Arbeit nichts zu tun.“ Auch Udos Chef macht sich Gedanken, wie er seinen langgedienten Fahrer ersetzen kann, wenn der demnächst in den Ruhestand geht. Auch einige andere in der Spedition stehen kurz vor dem Rentenalter, aber Nachwuchs ist kaum zu finden. „Ohne Fahrer aus dem Ausland würde in Deutschland schon jetzt nichts mehr gehen“, davon ist Angela Papenburg überzeugt. Die Unternehmerin repräsentiert eines der großen Logistik-Unternehmen in Deutschland. Die „Papenburg Group“ sucht in ihrer Not inzwischen in Usbekistan nach Fahrern. Die Hälfte ihrer 200 Auszubildenden kommen aus dem zentralasiatischen Land. Nur wenige von ihnen aber können sich auf Dauer vorstellen, fern ihrer Heimat zu bleiben. Die Familie fehlt, das Heimweh ist oft groß. Ein Problem für die Speditionen.
    In der Branche aber tummeln sich auch viele schwarze Schafe. Speditionen, die ihre Fahrer schlecht bezahlen und nicht sozialversichern. Tricksereien und Lücken im Gesetz machen das möglich. An einer Autobahnraststätte bei Darmstadt ist es Mitte März 2023 einigen Fahrern aus Usbekistan und Georgien zu viel. Sie streiken, rücken die LKW nicht raus, wehren sich sogar gegen gewalttätige Angriffe. Ihr Lohn – weit unter dem Mindestlohn, so berichten sie. Erst nach Wochen gelingt es ihnen, ausstehende Gehaltszahlungen zu erstreiten. Ein Erfolg in einer Branche, in der oft das Recht gebeugt wird.
    Die große Lebensmittelkette REWE will sich nach und nach vom unsicheren Markt in der Logistik unabhängig machen. Im Verteilzentrum für Nord-Ost-Deutschland in Oranienburg will der Betriebsleiter neuerdings eine eigene Flotte aufbauen. Er bietet mit 3600 Euro monatlich einen überdurchschnittlichen Monatslohn an, Personalrabatt im Supermarkt und: keine langen Touren. Abends sind die Fahrer Zuhause, das ist attraktiv. Vor allem Deutsche bewerben sich dort. Doch sie fehlen dann für den Fernverkehr.
    Die „ZDF.reportage“ unterwegs zu Truckern, die den Job im Führerhaus nicht mehr so machen wollen, wie bisher. Und zu Kunden, denen erst langsam klar wird, wie wichtig die Speditionsbranche für sie ist.“ Reportage vom 04.06.2023 von Enrico Demurray und Charlotte Gerling beim ZDF externer Link (Videolänge: 30 min, Video verfügbar bis 02.06.2028) – es sind natürlich nicht „unsere LKW“
  • Berufslenker:innen in Österreich: Schlechte Arbeitsbedingungen auf Rädern 
    „Viele tausende LKW-Fahrer:innen sorgen täglich dafür, dass es uns an nichts fehlt. Quer durch ganz Österreich transportieren sie die unterschiedlichsten Waren, doch ihre Arbeitsbedingungen sind schlecht. So kann es nicht weitergehen, sagen Arbeiterkammer und Gewerkschaft vida. (…) Es mangelt dabei an unterschiedlichen Stellen. Beispielsweise fehlen in Österreich 3.000 LKW-Stellflächen an den Autobahnen. (…) Neben dem Suchen nach einem Stehplatz ist das fristgerechte Liefern der Ware sehr belastend. „LKW-Lenker:innen haben immer im Hinterkopf, dass sie Tonnen von Ladung transportieren und diese an die Kunden ausgeliefert werden müssen. Deshalb können viele nicht abschalten und somit fehlt die wichtige Freizeit- und Erholungsphase“, fasst Alfred Spiegl, Fachbereichssekretariat Straße in Gewerkschaft vida, einen zentralen Punkt zusammen. (…) Mit dem Beladen des LKWs, dem Ausliefern an die Kunden und den Ruhepausen kann ein Arbeitstag bis zu 15 Stunden dauern und der Druck ist immer groß. Deshalb, so Arbeiterkammer und Gewerkschaft vida, braucht es für die Fahrer:innen deutliche Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen. „Für die Beschäftigten braucht es mehr Sicherheit, mehr langfristige Planbarkeit, mehr Möglichkeiten, Beruf und Familie vereinbaren zu können, mehr Anerkennung und vor allem höhere Entlohnung“, so Pressinger von der AK. Und auch entlang der Autobahnen sind viele Verbesserungen notwendig, denn neben den 3.000 fehlenden Stehflächen sind saubere und kostenlose Sanitäranlagen nicht ausreichend vorhanden. Kostenloses WLAN auf den Rastplätzen und in den Fahrer:innenkabinen fehlt oft genauso, wie Kochmöglichkeiten, Waschmaschinen zum Reinigen der Kleidung oder Beleuchtung und Videoüberwachung auf den Parkplätzen, um die Sicherheit zu erhöhen. „Da verwundert es nicht, dass der Beruf nicht mehr attraktiv erscheint. Wir müssen daher die Einkommens- und Arbeitsbedingungen der Kapitäne der Straße dringend verbessern“, so Spiegl von der Gewerkschaft vida. Zusätzlich regen AK und vida an, ein „Spezialmenü“ zu einem erschwinglichen Preis für die Fahrer:innen auf den Autobahnraststätten einzuführen oder auch durch regelmäßige Kontrollen auf Rastanlagen, illegales Parken zu verhindern. Denn damit können die ohnehin knappen Stellflächen für die LKWs freigehalten werden. Sollten diese Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden, dann bestünde eine gute Möglichkeit, den Mangel an Berufslenker:innen zu reduzieren.“ Artikel von Stefan Mayer vom 6. März 2023 in Wirtschaft&Arbeit des ÖGB externer Link
  • Die höchst systemrelevanten Vergessenen: LKW-Fahrer. Auch hier geht es um einen großen Mangel 
    „Wer erinnert sich nicht an die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021. Da wurden wir immer wieder konfrontiert mit Berichten über (angeblich) systemrelevante Berufe, deren Wert man nun endlich zu schätzen habe. Vor allem Gesundheitsberufe waren darunter, hin und wieder und mit deutlichem Abstand wurde auch auf die vielen überwiegend Frauen im Einzelhandel, vor allem in den Supermärkten, hingewiesen. Und an der einen oder anderen Stelle schafften es dann sogar die LKW-Fahrer in den Strom der zahlreichen Berichte über diejenigen, die für uns alle und ihre tägliche Versorgung unverzichtbar sind. Aber das waren nur punktuelle Eruptionen, zu weit weg für die meisten Menschen ist die eben nicht (mehr?) romantisierbare Trucker-Welt. Zu viele Hinweise auf katastrophale Arbeitsbedingungen lassen sich in der Medienberichterstattung finden, wenn man denn suchen würde. Aber das ist für meisten Menschen ganz weit weg, da geht es eher um das Erstaunen, wenn Lieferungen nicht sofort zugestellt werden oder gar mehrere Tage vergehen, bis die gewünschten Produkte direkt an die Haustür und das selbstverständlich ohne zusätzliche Kosten für die Endabnehmer transportiert werden. Aber die mehr oder weniger krisenerfahrenen Bürger in Deutschland mögen sich einmal vorstellen, dass nicht nur irgendwelche mehr oder weniger exotische Produkte aus fernen Ländern nicht mehr greif- und kaufbar wären, sondern selbst derart einheimische Güter des existenziellen Bedarfs wie Toilettenpapier würden in den Regalen der Einkaufsläden fehlen, nicht wegen fehlender Produktion, sondern weil schlichtweg zu wenig LKW-Fahrer vorhanden sind, über die dann die zahlreichen Verkaufsstellen in den hintersten Winkeln des Landes wie selbstverständlich täglich beliefert werden können. Spätestens dann würde man merken, dass das Gerede von systemrelevanten Berufen nicht eines ist, das man als skurrile Ausformung einer hyperventilierenden Gesellschaft, die lediglich unter Befindlichkeitsstörungen leidet, abtun kann. Und der Zeitpunkt, an dem das – anfangs hier und da, dann sich durch die gesamte Gesellschaft fressend – Wirklichkeit geworden ist oder zu werden droht, ist längst erreicht. (…) Die Mangelzahlen werden gleichsam in Monatsschritten immer größer: »Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e. V. (BGL), verwies auf den zunehmenden Mangel an Berufskraftfahrern. Aktuell fehlten etwa bis zu 100.000 Fahrern. Bei einer anhaltenden Entwicklung drohe Deutschland in zwei bis drei Jahren ein Versorgungskollaps ähnlich wie in Großbritannien.« Was tun? »Um den Fahrermangel wirksam bekämpfen zu können, müssten die Gehälter erhöht sowie die konkreten Arbeitsbedingungen und das Image des Berufs verbessert werden. Dazu gehörten ausreichend Rastplätze mit sauberen sanitären Einrichtungen. Engelhardt sprach sich auch für ein Be- und Entladeverbot für Fahrer aus, um diese zu entlasten.« (…) Ein bereits von Dirk Engelhardt angesprochener Vorschlag findet man auch in der Stellungnahme aus dem gewerkschaftlichen Raum: »Nach den Einschätzungen von Ronny Keller von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und Michael Wahl von der Beratungsstelle Faire Mobilität seien die Arbeitsbedingungen von vielen Berufskraftfahrern oftmals kaum noch als menschenwürdig zu beschreiben. Keller sprach sich für ein Be- und Entladeverbot für die Fahrer aus. Das Be- und Entladen sollte nicht die Aufgabe des Fahrers sein, da er eh schon große Schwierigkeiten habe, ausreichend Ruhezeiten zu finden. Wahl plädierte dafür, ein Be- und Entladeverbot zu prüfen. In jedem Fall aber müsse das Be- und Entladen durch den Fahrer vergütet werden. Für ein Be- und Entladeverbot sprach sich auch der Geschäftsführer des mittelständischen Transportunternehmens Halsped GmbH Berthold Richter aus. Bei manchen belieferten Kunden habe man den Eindruck, sie würden sich von den Lkw-Fahrern am liebsten noch die Regale einräumen lassen.«…“ Beitrag von Stefan Sell vom 8. Januar 2023 auf seiner Homepage externer Link
  • Was fordern wir als LKW-Fahrer:innen?
    Was der Mangel an LKW-Fahrer:innen für eine Gesellschaft bedeuten kann, konnte man Ende 2021 in Großbritannien sehen. Um weiterhin Benzin an den Zapfsäulen zu haben, wurden Soldat:innen als LKW-Fahrer:innen eingesetzt. Bis zu 100.000 LKW-Fahrer:innen fehlen derzeit auch in Deutschland. Ein wichtiger Grund dafür: geringes Geld für sehr harte Arbeit. Das muss sich ändern! LKW-fahren – für viele ist das ein Beruf mit Leidenschaft. Doch es gibt viel zu tun, um die Situation grundlegend zu verbessern. Viele Punkte haben die Kolleg:innen der Kraftfahrerkreise externer Link bereits richtig in ihrem Positionspapier 2021 aufgeschrieben. Wir wollen hiermit unsere wichtigsten Forderungen als LKW-Fahrer:innen des Kollektivs Betriebskampf nochmal knapp dazu darlegen: Europaweiter Mindestlohn! (…) Verringerung der Arbeitsintensität! Respektvolle Arbeitsumgebung! (…) Grundlegend andere Verkehrspolitik! (…) All unsere Forderungen sind kein Hexenwerk. Wir tragen täglich dazu bei, dass Milliardenprofite erwirtschaftet werden, doch diese landen vor allem in den Taschen der (Groß-)Spediteure und letztlich der Unternehmensbosse deren Waren wir transportieren oder für die wir unsere Dienstleistungen erbringen. Eine Verbesserung unserer Situation ist lange überfällig und möglich – gerade im Anbetracht der Preisexplosion brauchen wir dringend höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Wir sitzen an einem zentralen Hebel der Produktion und jede:r Kolleg:in weiß, wie schnell wir nur mit einem halben Tag Bummeln oder sogar einer Arbeitsniederlegung wichtige Teile des Landes lahmlegen könnten. Das haben unsere Kolleg:innen in Frankreich gerade erst gezeigt. Was die haben, was uns fehlt? Der organisierte Zusammenschluss als LKW-Fahrerinnen und Fahrer.“ Positionspapier vom 22 November 2022 bei betriebskampf.org externer Link
  • Trucker am Limit: „King oft the Road“? Das war einmal. Stau, Zeitdruck, keine Rastplätze – das ist die Realität auf der Autobahn. Kein Wunder, dass in ganz Europa Trucker fehlen
    Die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer werden immer schwieriger, obwohl die EU versucht, mit Gesetzen gegenzusteuern. Doch es mangelt an Kontrollen. Der Wettbewerb um die billigste Fracht spitzt sich zu. Allein in Deutschland spricht man von 60.000 bis 80.000 Trucker, die fehlen. Nicht nur, dass viele in Rente gehen und immer weniger nachkommen. Der Beruf ist unattraktiv. Sehr lange Arbeitstage, oftmals Touren über Tage und Wochen, niedrige Bezahlung – und dann noch die fast aussichtslose Suche nach einem Parkplatz.
    Alois Mühlbauer kennt den Wahnsinn auf der Straße. Seit 28 Jahren ist verheiratet, aber vom Aufwachsen seines Sohnes hat er nicht viel mitbekommen. Von einer 38,5 Stunden-Woche kann er nur träumen. Er kommt im Schnitt auf 65 Stunden. Doch im Vergleich zu vielen Kollegen aus Osteuropa und aus den ärmeren Drittstaaten geht es ihm noch relativ gut. Denn diese werden regelmäßig um ihren Mindestlohn betrogen und sehen ihre Familien noch seltener.
    Die EU hat zwar seit August letzten Jahres ein Mobilitätspaket verabschiedet, mit dem sie für bessere Sozialstandards sorgen will. Doch zu groß ist der Druck der Speditionen, im Preiskampf um die billigsten Frachtkosten mitzuhalten. Und so gibt es genug schwarze Schafe. Das ärgert den belgischen Polizisten Raymond Lausberg schon lange. Er kann nicht bestätigen, dass sich die Situation der Fahrer verbessert habe. Im Gegenteil: Die Fahrer würden teils wie Arbeitssklaven gehalten. Diese Ansicht teilt der niederländische Gewerkschaftler Edwin Atema. Fast jedes Wochenende ist er auf Europas Rastplätzen unterwegs, um die Fahrer über ihre Rechte aufzuklären. Augenblicklich hilft er, eine Musterklage vorzubereiten gegen eine in Litauen ansässige Spedition. Doch ihm ist bewusst, eigentlich müsste man ganz woanders ansetzen: beim Kopf der Lieferketten, den Firmen, die den Transport der Güter in Auftrag geben.“ Text und Video (45 Min) der Reportage vom 13.04.2022 beim BR Fernsehen externer Link
  • Trucker: Händeringend gesucht und oft ausgebeutet
    „Trucker sind europaweit absolute Mangelware. Auch in Deutschland fehlen laut Branchenangaben 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer oder Fahrerinnen. Und das Problem wächst, denn viel mehr Fahrer gehen in Rente als nachkommen. Der Oberpfälzer Alois Mühlbauer ist seit 30 Jahren Lkw-Fahrer bei der Firma Dischner in Weiding. Er hat den Wandel in der Branche miterlebt. Als er anfing, war er stolz darauf, Trucker zu sein und hat vergleichsweise gut verdient. Heute sagt er: „Das war ein Traumjob am Anfang, ja. Aber ich sag immer so: Jetzt nach 30 Jahren – der Traum ist weg und der Job ist geblieben.“ Die schlechten Arbeitsbedingungen zehren an seinen Nerven: 13 Stunden Tage sind normal für ihn. Dazu kommt das Nomadenleben, immer weg von Zuhause. Vom Aufwachsen seines Sohnes hat er nicht viel mitbekommen. (…) Der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema kämpft schon lange darum, die Situation der Kraftfahrer zu verbessern. Er und sein Team haben aufgedeckt, dass mangels Kontrollen insbesondere Fahrer aus Nicht-EU-Ländern häufig Opfer illegaler Praktiken werden. Fast jedes Wochenende ist er auf Europas Rastplätzen unterwegs und sammelt im Gespräch mit Fahrern Beweise. Ausdrücklich lobt er allein den Einsatz der Belgier im Kampf gegen Sozialdumping: „In vielen Mitgliedsländern – in den Niederlanden und in Deutschland auch – machen die Behörden gar nichts und hier in Belgien zeigt man den anderen Behörden den Weg, wie das sein muss“. Aufgrund seiner Recherchen gab es im Dezember 2021 im belgischen Hafen Zeebrügge eine Razzia. Wegen Verdachts auf Menschenhandel, der schlimmsten Form der Ausbeutung wirtschaftlich abhängiger Personen, wurden elf Autotransporter beschlagnahmt. Beladen waren sie mit Neuwagen von Mercedes, Tesla und BMW. Schon 2018 hat Edwin Atema deutsche Autokonzerne darüber informiert, dass die Billigpreise für ihre Transporte auf Kosten der Fahrer erreicht werden. Bislang bekam er dazu keine Reaktion. (…) Ganz besonders im Visier hat Edwin Atema derzeit deutsche Autokonzerne. Trotz seines Erfolgs in Belgien sagt Atema: „Wir haben keine Hoffnung, dass die EU irgendetwas lösen wird. Wir arbeiten daran, dass die Unternehmen an der Spitze der Lieferkette ihre Verantwortung wahrnehmen.“ Die Autoindustrie ist ein Schwergewicht für die europäische Transportbranche. Würde sie ihre eigenen Vorgaben beachten, könnte sich einiges ändern. Bislang haben sich die Autokonzerne in ihren sozialen Richtlinien auf freiwilliger Basis zur Einhaltung der Menschenrechte in ihren Lieferketten verpflichtet. Das Sorgfaltspflichtengesetz zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Edwin Atema setzt große Hoffnung auf das Gesetz, das es ermöglicht, Fahrerrechte auch über den Auftraggeber einzuklagen. Noch ist Deutschland hier Vorreiter, doch ein EU-weites Lieferkettengesetz soll folgen.“ Beitrag von Sabine Lindlbauer und Susanne Roser vom 13. April 2022 bei BR24 online externer Link

  • Job für viele unattraktiv: Omikron verschärft Lkw-Fahrer-Mangel 
    „Bundesweit fehlen Zehntausende Berufskraftfahrer. Die Omikron-Variante des Coronavirus hat die Lage verschärft. Dass der Job immer unbeliebter wird, hat viele Gründe. (…) Bereits im Frühjahr 2020 verschärfte sich der Fahrermangel zum ersten Mal aufgrund der Pandemie. Fahrer aus Osteuropa kehrten in ihre Heimatländer zurück, viele kamen nicht wieder, fanden Arbeit in anderen Ländern oder zu Hause. Jetzt fehlen viele, weil sie an der Omikron-Variante des Corona-Virus erkrankt sind. „Glaubt man den Vorhersagen der Virologen, können erhebliche Teile des Fahrpersonals davon betroffen sein, und damit sind die Lieferketten zusätzlich unter Druck“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterverkehr, BGL. „Wir kriegen immer wieder partiell Meldungen von Mitgliedsunternehmen, dass Fahrpersonal betroffen ist, noch nicht im massiven Bereich, sondern im einstelligen bis niedrigen zweistelligem Bereich.“ In Bayern, so erklärt Spediteur Rüdiger Elflein, seien es bereits fünf bis zehn Prozent der Fahrer, die erkrankt seien. Das könne derzeit kaum kompensiert werden. (…) Eine Möglichkeit sei nun die Einrichtung von Notstandsregionen, schlägt der BGL vor. Ähnlich wie bei den Krankenhausbelegungen würde danach Deutschland in verschiedene Regionen aufgeteilt werden. Sollte es dann bei den Gütern des täglichen Bedarfs zu einem Engpass durch den massiven Ausfall von Fahrpersonal in einem Unternehmen kommen, so könnten andere Unternehmen akquiriert werden, um die Versorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Als organisierende Stelle sieht der Verband das Bundesamt für Güterverkehr, das dann solche Fahrten umverteilen könnte. Dies sei schon jetzt ein Angebot an die Politik, so der Bundesverband…“ Beitrag von Claudia Gimmer vom 18. Januar 2022 bei tagesschau.de externer Link – da der Beitrag dem BGL so großen Raum einräumt, haben wir uns von den vielen Gründen, nur die Corona-Sache ausgewählt. Aber auch das mit den „Notstandsregionen“ lässt für die LKW-Fahrer auf nichts gutes hoffen…
  • Fahrpersonalmangel – und die Branche versteht es immer noch nicht!
    Mittlerweile ist die Thematik des Fahrpersonalmangels omnipräsent in allen Medien, und nicht mehr nur in der sogenannten Fachpresse. Dabei wird oftmals auf England gezeigt, und die aktuelle Situation bzw. Entwicklung dort als Beispiel angeführt, was uns erwartet bzw. erwarten soll. Dabei ist die Frage nicht, ob vergleichbare Zustände in vielen anderen Staaten Europas eintreten werden, sondern lediglich wann diese Zustände so eintreten, dass diese für den Endverbraucher auch spürbar und sichtbar werden. (…) Nur einige Beispiele von vielen weiteren, das die Branche bzw. jedes einzelne Unternehmen ändern muss und auch könnte, wenn gewollt. – Überlange und oftmals kaum planbare Einsatz- und Arbeitszeiten. – Bruttoarbeitsentgelte die weder zeit- noch arbeitsmarktgerecht sind für die erbrachte entlohnungspflichtige Zeit. – Ausgleich / Abgeltung von Mehrarbeit. – Bezahlung jeglicher Parkkosten für den Lkw. – Bereitstellung bzw. Übernahme der Kosten für Sicherheitsschuhe, Arbeitshandschuhe, etc. – Bereitstellung von tatsächlich persönlicher Sicherheitsausstattung und nicht bezogen auf den Lkw. – unabhängig der aktuellen Situation, ist und war das Durchtauschen von Warnwesten, Helmen, Handschuhen, etc. hygienisch immer schon völlig unverständlich. – Der Umgang mit dem Fahrpersonal ist meist unbewusst, weil gar nicht mehr anderes bekannt in jeglicher Hinsicht unterirdisch schlecht. – traditionell schlechter Umgang könnte man sagen. – Völliges Versagen in zeitgerechter mitarbeiterorientierter Personalführung. – Völliges Versagen beim Ausbilden und Qualifizieren von zukünftigem Fahrpersonal seit jeher. – es war noch Aufgabe der Bundeswehr „Lkw-Fahrer zu produzieren“, und es ist auch nicht Aufgabe der Agenturen für Arbeit dies zu übernehmen. Dies ist reine Branchenaufgabe. Aktuell wird gerade wieder erklärt, dass man nicht mehr Lohn / Gehalt für das Fahrpersonal bezahlen kann, weil insbesondere die Kosten für Diesel, AdBlue und Fahrzeuge enorm steigen. – „steigen die Kosten für das Fahrpersonal im privaten Umfeld denn nicht!? – z.B. für Diesel, Heizöl, AdBlue,….“ oder „warum hat man denn dann nicht vorher mehr Lohn / Gehalt bezahlt, als Diesel, AdBlue und Fahrzeuge noch vermeintlich billig gewesen sind!?“ Dieses Verhalten bzw. diese Argumentation zögert einfach nur das Einholen des Marktes für das jeweilige Unternehmen hinaus. – Wer kein Fahrpersonal mehr hat, hat auch keine hohen Diesel- und AdBluekosten mehr…“ Beitrag von Markus Tauschek vom 16. November 2021 bei trans.info externer Link

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=194807
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