Vor dem zweiten „Prime Day“: Streik in den Amazon Logistikzentren in Werne und Dortmund sowie in Rheinberg am 5.-6.10.2022

ver.di: Amazon nur mit TarifvertragMit Beginn der Nachtschicht am heutigen Mittwoch (05.10.2022) ruft die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) die Beschäftigten der Amazon Logistikzentren in Werne und Dortmund zum Streik auf. Der Streik findet im Vorfeld des „Prime Day“ statt. Amazon veranstaltet den „Prime Day“ erstmals zum zweiten Mal in diesem Jahr. „Der „Prime Day“ beschert Amazon eine enorme Umsatzsteigerung und viel Publicity. Für die Beschäftigten heißt das aber vor allem ein erhöhtes Arbeitsaufkommen und damit verbunden Zeitdruck und Hetze bei der Arbeit. Erstmalig gibt es einen zweiten „Prime Day“ in diesem Jahr und zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet das für die Beschäftigten keine Atempause, bevor es mit Vollgas ins Weihnachtsgeschäft geht. Das geht zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten,“ sagt Silke Zimmer, ver.di-Landesfachbereichsleiterin Handel NRW. Die Gewerkschaft stellt beim Onlineriesen die Forderung nach Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen und dem Abschluss eines Tarifvertrags `Gute und Gesunde Arbeit´ auf…“ Pressemitteilung vom 05.10.2022 beim ver.di-Landesbezirk Nordrhein-Westfalen externer Link und neu:

  • [Amazon Dortmund] Reaktion auf Arbeitsbedingungen, zunehmenden Druck und „Prime Days“: Immer mehr Amazon-Beschäftigte treten in den Streik New
    „… Dass die Beschäftigten es ernst meinen, wurde in Dortmund mehr als deutlich. Bei der Streikversammlung in einem Hochzeitssaal stimmten sich die Beschäftigten aus Werne und Dortmund auf eine Ausweitung des Streikgeschehens ein. Die Gründe sind vielfältig – in Dortmund ist es vor allem die verpflichtende Einführung der Sechs-Tage-Woche im Logistikzentrum.  Dort hatte das Unternehmen nach Ansicht von ver.di-Sekretär Philip Keens die Einführung mit einer Erpressung durchgedrückt. Der Betriebsrat habe der Einführung zähneknirschend zugestimmt, weil das Unternehmen gedroht habe, ansonsten die Verträge von rund 300 befristet beschäftigten Mitarbeiter:innen ansonsten nicht zu verlängern.
    „Der Betriebsrat hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera. Das ist ein Riesenkonflikt“, macht Keens deutlich. Salih Arslandemir, Vertrauensleute-Sprecher von ver.di bei Amazon in Dortmund ist mittlerweile dort auch Vorsitzender des Betriebsrates. Er hatte sich die verpflichtende Einführung der Sechs-Tage-Woche ausgesprochen –  er wollte diese nur auf freiwilliger Basis mit entsprechenden Boni.
    Allerdings stellen die ver.di-Leute nur sieben der 17 Betriebsräte. Das Gremium knickte ein und stimmte zu, dass es für die 300 Beschäftigten weitergehen konnte. Doch dafür wird nun u.a. der Betriebsratsvorsitzende kritisiert. Die Streikversammlung stärkte Arslandemir den Rücken – insbesondere auch gegen die persönlichen Anwürfe und Angriffe gegen den Gewerkschafter. Ein Kritikpunkt war, dass der Vorsitzende nicht fließend Deutsch spricht.
    „Mit ist lieber, wenn ein Betriebsrat in schlechtem Deutsch die Wahrheit spricht als in gutem Deutsch nur Scheiße erzählt“, sagte Keens unter den tosenden Applaus der Streikenden. „Nicht alles, was im Betriebsrat passiert, ist ver.di-konform. Daher geht es weiter mit dem Kampf. Danke, dass ihr den Kampf aufnimmt und gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen kämpft“, lobte der Gewerkschafts-Sekretär die immer stärkere Streikbereitschaft.
    Die Befristung ist einer der Hauptgründe der Gewerkschaftskritik: Nach der sachgrundlosen Befristung für 24 Monate wird bei vielen Amazon-Beschäftigten die Befristung fortgesetzt – dann jedoch begründet mit einem Sachgrund. In der Regel wird das mit einer unsicheren Marktlage begründet.
    „Wir reden von Amazon. Sie haben eine stabile Marktlage. Wenn irgendein Unternehmen weiß, wie viele Bestellungen es gibt, ist es der Tech-Gigant. Sie befristen, obwohl sie quasi monatlich neue Lager eröffnen“, übt Keens massive Kritik am Unternehmen.
    Neben dem großen Logistikzentrum „DTM2“, welches vor rund fünf Jahren auf der Westfalenhütte eröffnet wurde und rund 2000 Beschäftigte zählt, wurde zwischenzeitlich ein weiteres Lager für Großteile eröffnet, wo rund 300 Menschen arbeiten sollen.
    Ein drittes Lager neben dem REWE-Zentrallager steht nach Gewerkschaftsangaben vor der Eröffnung. Es soll sich um ein Paketverteilzentrum handeln, wo Ware auf die Bullis für die „letzte Meile“ zu den Endkund:innen umgeladen wird. Bislang werden die Pakete für Dortmund in Wuppertal und Bochum auf Fahrzeuge geladen. (…)
    Das Unternehmen muss sich auf weitere Streiks bzw. die Ausweitung des Streikgeschehens einstellen. „Wir werden immer mehr. Beim letzten Streik waren es 30, davor 20 neue Mitglieder. Für den nächsten Streik kann ver.di statt des Hochzeitsaals schon mal die Westfalenhalle reservieren. Wir werden immer mehr, die sich stark für den Arbeitskampf machen“, sagte Aziz von Kralik-el Boutaybi, Betriebsratschef in Werne und Sprecher der ver.di-Vertrauensleute. „Wir kämpfen auch für die, die jetzt nicht kämpfen können“, ergänzt der Dortmunder Betriebsrat und sagt damit auf die Kolleg:innen, die sich, obwohl sie schon mehr als zwei jahre bei Amazon arbeiten, wegen der Sachgrundbefristung nicht trauen, sich auch Streik zu beteiligen
    …“  Artikel von Alexander Völkel vom 7. Oktober 2022 bei den Nordstadtbloggern externer Link
  • Ausweitung des Streiks bei Amazon vor dem zweiten „Prime Day“ auf Rheinberg 
    Mit Beginn der Frühschicht am heutigen Donnerstag (06.10.2022) haben sich die Beschäftigten des Amazons-Logistikzentrums in Rheinberg den Streikenden in Werne und Dortmund angeschlossen, die seit der Nachtschicht am Vortag die Arbeit niedergelegt haben. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die Kolleginnen und Kollegen zu dem Streik aufgerufen.
    ver.di fordert von Amazon die Anerkennung der Tarifverträge des Einzelhandels NRW und den Abschluss eines Tarifvertrages „Gute und Gesunde Arbeit“. Mit ihren Streiks wehren sich die Beschäftigten von Amazon gegen die sich immer weiter zuspitzende Arbeitsbelastung und den damit verbundenen Gesundheitsgefährdungen. Diese werden durch Tage wie den „Prime Day“ weiter verschärft. Außerdem verleihen sie mit den Streiks ihrer Forderung nach der Anerkennung der Tarifverträge für den Einzelhandel NRW Nachdruck. „Die Beschäftigten wollen eine gerechte Entlohnung, die ihre Leistungen anerkennt, ihren Lebensunterhalt sichert und die nicht von der Willkür von Amazon abhängig ist. Amazon hat die Entgelte der Beschäftigten an den Standorten in NRW dieses Jahr unterschiedlich erhöht. Die Erhöhungen haben eine Spannbreite zwischen 3,1 Prozent bis in der Spitze 10,5 Prozent, je nach Beschäftigungsdauer und Tätigkeit. Das ist zutiefst ungerecht und bestärkt die Forderung der Kolleginnen und Kollegen nach einem rechtsverbindlichen Tarifvertrag, der vor Willkür schützt“, so Silke Zimmer, verdi-Landesfachbereichsleiterin Handel NRW.“ Pressemitteilung vom 06.10.2022 beim ver.di-Landesbezirk Nordrhein-Westfalen externer Link

Siehe dazu im LabourNet das Dossier: Streikwelle bei Amazon im Herbst 2022 gegen einseitige und zu geringe „Lohnanpassung“ statt Tarifvertrag:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=204974
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