Bürger-Asyl – „Wenn Appelle nicht wirken, ist ziviler Ungehorsam unsere Pflicht“

Dossier

18.3.2017: Bündnis »Welcome2Stay« protestiert gegen die Abschiebepraxis der EU und die AsylpaketeBislang gewährten Kirchen vor der Abschiebung bedrohten Flüchtlingen Asyl. Jetzt finden diese Menschen auch in den Wohnungen von Bürgern Unterschlupf.“ Die Sprecherin der Initiative Bürgerasyl in Nürnberg, Michaela Baetz, erklärt im Interview von Cicero am 23. Juli 2018 externer Link, „warum sie dafür eine Gefängnisstrafe riskiert (…) Die Idee, dass Bürger vor der Abschiebung bedrohten Flüchtlingen Asyl gewähren, stammt ursprünglich aus Kanada. Die Bewegung nennt sich „Solidarity City“. Einige deutsche Städte haben die Idee jetzt aufgegriffen. Für uns war es besonders wichtig, das in Bayern zu gründen. (…) Wenn es um Sammelabschiebungen nach Afghanistan geht, liegt Bayern ganz weit vorn. Zuletzt war diese Gruppe begrenzt worden auf straffällige gewordene Flüchtlinge und so genannte Identitätsverweigerer. Bayern hat das besonders breit ausgelegt. Der bayerische Flüchtlingsrat hat das mehrfach nachgewiesen, dass Leute aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgeschoben wurden. Die Behörden entscheiden oft willkürlich. (…) Die Mitglieder unserer Initiative erklären sich bereit, Menschen zu schützen, die von einer Sammelabschiedung bedroht sind. Da ist es in der Regel so, dass die Leute drei Tage vorher verhaftet und aus ihren Unterkünften geholt werden. In der Zeit bis zum Abflug können sie keine Rechtsmittel gegen ihre Abschiebung einlegen. Das sind Zustände, die aus unserer Sicht nichts mehr mit einem Rechtsstaat zu tun haben. Dabei würden sich ihre Chancen auf Anerkennung erhöhen, wenn sie das könnten. Oft haben wir es ja mit Flüchtlingen zu tun, die über ihre Rechte gar nicht Bescheid wissen. (…) Die Initiative Bürgerasyl hat einen Doppelcharakter. Uns geht es zum einen darum, unsere Kritik an der Verschärfung des Asylrechts öffentlich zu machen. Zum anderen geht es um praktische Unterstützung für die Flüchtlinge…“ Siehe dazu die Aktion BürgerInnen Asyl externer Link und hier:

  • Bürger*innenasyl für Flüchtlinge: Untergetaucht im WG-Zimmer New
    Aktivist*innen verstecken Mai Théo in einer Berliner Wohnung, um seine Abschiebung zu verhindern. So wird vielen Geflüchteten geholfen. (…) Das Konzept der Bürger*innenasyl-Initiativen ist einfach: Menschen, bei denen eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht, verstecken sich in privaten Wohnräumen. Dort ist das Risiko, von der Polizei gefunden zu werden, deutlich geringer als in Sammelunterkünften. Andere, die selbst keine Geflüchteten beherbergen, geben ihre Adresse als Meldeadresse an. „Wir haben da nichts Neues erfunden“, erklärt Olivia M., die das Berliner Bürger*innenasyl mitbegründet hat. „Geflüchtete unterstützen sich seit Jahren gegenseitig dabei, Abschiebungen zu vermeiden. Diesem Vorbild folgen wir.“ Wer seine Türen öffnen möchte, kann sich an die Aktivist*innen wenden. Sie vermitteln zwischen Zimmersuchenden und -bietenden. Menschen, die gegen ihre Abschiebung kämpfen, finden den Weg in solidarische Zimmer meist über migrantische Selbstorganisationen. Solidarische Zimmer gibt es nicht nur in Berlin. In mehr als zehn Städten, darunter Göttingen, Hanau, Freiburg und Eberswalde, organisieren Aktivist*innen diese Form des zivilen Ungehorsams. Das Bundesinnenministerium lehnt solidarische Zimmer ab. (…) Rechtlich bewegen sich die Aktivist*innen auf unsicherem Terrain. Sobald Geflüchtete sich einer Abschiebung entziehen, wird ihr Aufenthalt illegal. Sie zu verstecken, kann als Beihilfe zum irregulären Aufenthalt gewertet werden – auch wenn die Unterstützer*innen aus humanitären Gründen handeln. Dem Berliner Flüchtlingsrat sind Verfahren, in denen „Helferfälle“ strafrechtlich verfolgt wurden, bisher allerdings nicht bekannt…“ Artikel von Franziska Schindler vom 21.4.2020 in der taz online externer Link
  • Bürgerinnenasyl: Kölnerin versteckt Geflüchtete vor Abschiebung bei sich zu Hause 
    Die Kölnerin Luca hat die aus dem Irak geflüchtete Hani (Namen geändert) in ihrer WG aufgenommen und versteckt. Die Initiative „Bürgerinnenasyl Köln“ kritisiert die deutsche Asylpolitik und will solidarische Städte schaffen, die jeden willkommen heißen. Im Extremfall verstecken sie Flüchtlinge in privaten Wohnungen. Die Gruppe nimmt schwere Strafen in Kauf, aber für sie steht die Menschlichkeit über dem Gesetz. Die beiden Frauen erzählen von dem ungleichen Zusammenleben und wie aus Fremden Freundinnen wurden…“ Artikel von Martin Böhmer vom 20.12.2019 beim Kölner Stadtanzeiger online externer Link im Abo
  • „Bürgerasyl“ – unter juristischer Belagerung
    Hier engagieren sich Menschen, die finden, dass deutsche Behörden zu oft und zu schnell abschieben – und die etwas dagegen unternehmen wollen, indem sie Flüchtlinge verstecken, denen die Ausweisung droht. Wie oft das bislang geschehen ist, darüber gibt es keine Zahlen – denn das, was die Befürworter Bürgerasyl nennen, ist für andere eine Straftat, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann: „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“. Das ist auch der Grund, warum es schwer ist, jemanden zu finden, der von seinen Erfahrungen mit der Unterbringung eines Flüchtlings erzählt. Die Gruppe Nürnberg-Fürth ist noch relativ jung. Ihre Sprecherin Michaela Baetz erklärt, wie das Bürgerasyl vor Ort funktioniert: Sie konzentriert sich auf Menschen aus Afghanistan. „Afghanen sind an sich nicht schutzwürdiger als andere Flüchtlinge, aber die Situation in ihrem Land ist ganz offensichtlich so, dass sie eigentlich nicht zurückgeschickt werden können.“ Rund 60 Unterstützer hat die Gruppe. Wie viele tatsächlich bereit sind, einen Geflüchteten aufzunehmen, kann Baetz nicht sagen. Aber klar ist, dass es immer losgeht, sobald eine Abschiebung bevorsteht oder sie vermutet wird: Dann wird der bedrohte Flüchtling beherbergt – reihum, von verschiedenen Menschen, solange, bis die Gefahr vorüber ist. Baetz sagt aber auch: „Wir wollen öffentlich machen, dass wir die gegenwärtige Abschiebepraxis nicht hinnehmen.“ Es gehe um zivilen Ungehorsam. (…) Das Bürgerasyl ist umstritten. So hält es der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) für illegal, wie er in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP klarstellte: „Personen, die dazu aufrufen, solche Straftaten zu begehen, können sich wegen Anstiftung beziehungsweise wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten strafbar machen“, heißt es dort“ – aus dem Beitrag „Wenn Flüchtlinge versteckt werden“ von Sebastian Stoll am 15. Mai 2018 in Migazin externer Link, worin die diversen juristischen Angriffe Thema sind, aber auch die Kritik an „fehlenden Handlungsperspektiven“…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=135204
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