Internationaler Aufruf für eine plurale Ökonomik

Dossier

Netzwerk Plurale ÖkonomikDie International Student Initiative for Plural Economics (ISIPE) hat am 5. Mai einen internationalen Aufruf für eine pluralere Ökonomik veröffentlicht. Der Aufruf macht eine breite Öffentlichkeit auf die negativen gesellschaftlichen Auswirkungen aufmerksam, die die Einseitigkeit der Volkswirtschaftslehre mit sich bringt…“ Meldung und Aufruf (gemeinsam mit 37 Organisationen aus 19 Ländern) vom 04.05.2014 beim Netzwerk Plurale Ökonomik externer Link. Siehe dazu:

  • [»Netzwerk Plurale Ökonomik«] Krise als Programm – Konferenz »Der nächste Crash als Chance« entwirft Alternativen zur »Megamaschine« im »Endstadium des Kapitalismus« New
    „… »Szenarien und Reformpotentiale« wollte das »Netzwerk Plurale Ökonomik« am Freitag auf der Konferenz »Der nächste Crash als Chance« in Berlin diskutieren. Auf mehreren Podien und in zahlreichen Arbeitsgruppen wurde über die Zukunft des Finanzsystems und die Rolle des Euro, die Digitalisierung des Geldes und monetäre Aspekte der Klimakrise debattiert. Helge Peukert, Professor an der Forschungsstelle plurale Ökonomik an der Universität Siegen, eröffnete die Konferenz. Man dürfe nicht leichtgläubig die »integrale Megamaschine« – Politik, Banken und Zentralbanken – als Bündnispartner betrachten. Die Marktmacht der Großkonzerne habe zugenommen, die Lohnquote sinke hingegen. Der Kapitalismus sei in einer Phase der Wachstumsschwäche angelangt, wo sogar Investoren vor neuem Schuldenabbau warnten, da ansonsten zuwenig Staatsanleihen als sichere Anlage zur Verfügung stünden. Geld werde nicht produktiv investiert, sondern in Steueroasen gebunkert. (…) Brigitte Young, emeritierte Professorin für internationale politische Ökonomie an der Universität Münster, machte nicht das billige Geld, die hohe Verschuldung oder niedrige Zinsen als Hauptgefahr eines neuen Crashs aus. Vielmehr sei der überbordende Sektor der Schattenbanken, der »Black Swan«, ein unkalkulierbares Risiko für das Finanzsystem. Der Sektor müsse geschrumpft werden. (…) Hannes Böhm, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Finanzmärkte am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, mahnte, auch zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise könnten Banken mit dem Argument »Too big to fail« ihre Rettung erpressen. Die Entwicklung zu einem »Overbanking«, der »Finanzialisierung« der Gesellschaft, sei kein Schicksal. Hinter Altersarmut und explodierenden Mieten stünden politische Entscheidungen. (…) Aus der Reihe fiel hingegen Bestsellerautor Marc Friedrich (»Der größte Crash aller Zeiten«), der in seinem Vortrag »Negativszenario: Der Crash als Katastrophe« eine analytische Schärfe wie Lothar Matthäus darbot. Ein Zusammenbruch habe heilende Wirkung, wie man 1945 gesehen habe. Nachdem alles in Schutt und Asche lag, habe in Deutschland ein nie zuvor dagewesener Aufschwung eingesetzt, so Friedrich. Wenn die Bankentürme ins Wanken geraten, sollte man sich andere Krisenberater suchen“ Tagungsbericht von Simon Zeise in der jungen Welt vom 12. Februar 2020 externer Link
  • Studierende gegen den Homo Oeconomicus: Müssen wir die Wirtschaftstheorie neu denken?
    „Die herkömmlichen Ökonomie-Lehrbücher vertreten nur die eine Theorie: die Neoklassik, die auf einem mechanistischen Weltbild basiert. Der Mensch ist hier ein Nutzenmaximierer, ein Homo oeconomicus. Das ist im Curriculum der Cusanus Hochschule anders. Dort wird der Humanismus gelehrt. (…) Am 7. November 2011 verließ eine Gruppe von etwa 70 Studierenden den Einführungskurs „The Principles of Economics“ des Harvard-Professors und ehemaligen Wirtschaftsberaters von George W. Bush Gregory Mankiw, unter lautem Protest. Ihre Forderung: „It’s time for economic theory to evolve!“ – „Es ist Zeit, die Volkswirtschaftslehre weiter zu entwickeln!“ Einige Monate später im Juni 2013 verabschiedete sich eine Gruppe Studierender der Volkswirtschaftslehre mit demselben Schlachtruf auf den Lippen von der Universität Bayreuth. (…) Florian Rommel hat in Bayreuth mit anderen Studierenden der VWL den Arbeitskreis „Plurale Ökonomik“ gegründet: aus Protest gegen die verkrusteten Strukturen im Studium und die Monokultur in der Lehre. Nicht nur lernten weltweit alle Studierenden dasselbe nach einem international einheitlichen Kanon von Lehrbüchern – in diesen Lehrbüchern sei auch nur eine einzige wissenschaftliche Theorie vertreten, die sogenannte Neoklassik. Das sei, als ob im Psychologie-Studium nur Sigmund Freud gelehrt werde…“ Feature von Nora Bauer bei Zeitfragen Deutschlandfunk Kultur vom 13. Februar 2018 externer Link Audio Datei (Audiolänge ca. 27 Min.,hörbar bis zum 22. August 2018)
  • Raus aus der Monokultur
    Studium In einem kleinen Mosel-Ort planen Professoren und Studierende eine Revolution der Wirtschaftswissenschaften. Sie gründen eine neue Hochschule. Artikel von Susanne Schwarz im Freitag online vom 29.09.2014 externer Link. Aus dem Text: „… Noch befindet sich die Cusanus-Hochschule in Bernkastel-Kues in Gründung, frühestens Ende 2014 entscheidet das Land Rheinland-Pfalz über die staatliche Zulassung. Eines ihrer wichtigsten Ziele aber steht schon jetzt fest: die „Monokultur im ökonomischen Denken“ aufbrechen, wie Silja Graupe sagt. Sie ist Mitgründerin und eine von zwei bereits berufenen Professoren der Hochschule in spe. Sie ist außerdem: Wirtschaftswissenschaftlerin, Philosophin und gern gesehener Gast, wenn kritische VWL-Studierende zu Podien und Ringvorlesungen laden. Das tun sie derzeit häufig, in Heidelberg, Köln, Leipzig und anderen Uni-Städten herrscht Aufruhr unter jungen Wirtschaftswissenschaftlern. Seinen Anlass kennt Graupe: „In unserer Disziplin dominiert weltweit eine standardisierte Lehre. Das ist nicht nur extrem einseitig und weltfremd, sondern hat gerade in den gegenwärtigen Krisen verheerende Auswirkungen auf die Praxis gezeitigt.“ Jene standardisierte Lehre ist die neoklassische Theorie… In Bernkastel-Kues soll dieser Pluralismus Realität werden. Zwei Bachelor-Studiengänge hat die neue Hochschule zunächst geplant: „Ökonomie und Unternehmensgestaltung“ und „Philosophie und Unternehmensgestaltung“. Beide sollen eine Lehre aus verschiedenen Blickwinkeln prägen: ökonomisches, kultur- und gesellschaftstheoretisches Wissen, auf dessen Fundament sich philosophische wie ethische Fragestellungen bearbeiten lassen. Es geht um mehr als schnöde Mathematik. Neoklassik würde natürlich auch gelehrt, sagt Graupe, „aber kritisch“…“
  • Bilanz der Öffentlichkeit zum 5. Treffen der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau
    Merkel in Lindau: Kanzlerin will Schattenbanken regulieren – aber wieder erst am “St. Nimmerleinstag” – nur um die Zweifel an ihrer Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem Finanzkapital vor der versammelten Elite der Wirtschaftswissenschaften zu zerstreuen? Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 25.8.2014
  • Manifest von Lindau
    Erklärung des Wissenschaftlichen Beirats von Attac Deutschland externer Link anlässlich der 5. Lindauer Tagung der Wirtschaftswissenschaften mit 18 Nobelpreisträgern am 19.-23. August 2014. Der Wissenschaftliche Beirat von Attac Deutschland nimmt die Lindauer „Tagung der Wirtschaftswissenschaften“ zum Anlass, sich über den Zustand und die Perspektiven der Wirtschaftswissenschaft zu äußern.Aus dem Text: „(…) Das selbst von zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der bestimmenden Lehrmeinungen kritisch beobachtete Paradoxon liegt nun darin, dass mit der kontinuierlichen Aufwertung, gar Dominanz der Wirtschaftswissenschaften in der Gesellschaft deren Problemlösungskompetenzen und –fähigkeit umgekehrt proportional zu sinken scheint. (…) In einem viel weiteren und bedeutenderen Sinne versagen die etablierten Wirtschaftswissenschaften vor allen Dingen dann, wenn es um die großen Herausforderungen der Zeit geht, etwa bei der Klimapolitik oder bei der globalen Verschärfung sozialer Ungleichheiten. Zwar fühlen sich die Wirtschaftswissenschaften qua „Allmachtsphantasie“ zuständig für praktisch alle Zeitfragen, allerdings haben sie weder das Instrumentarium noch können sie adäquate gemeinwohlorientierte und gesellschaftlich sinnvolle Lösungsstrategien anbieten. Die seit mittlerweile vier Jahrzehnten immer gleichen Rufe nach mehr Marktwirtschaft und Wettbewerb im Rahmen der scheinbar einzig möglichen Agenda von Deregulierung, Liberalisierung, Privatisierung und fortschreitendem Freihandel erscheinen mehr als selbsterfüllende Prophezeiung einer überkommenen Marktgesellschaftsutopie denn als zukunftsweisende Strategie. Von diesen Vorschlägen und Forderungen an Politik und Öffentlichkeit profitieren stets die Gewinner neuer Marktöffnungen und Kommodifizierungen sowie die wirtschaftswissenschaftlichen Berater selbst, die zu den Top-Verdienern des kommerzialisierten Wissenschaftsbetriebs zählen. (…) Der gewachsenen Kritik an der Fiktion des homo oeconomicus begegnet man bis heute in der Regel mit zwei Argumenten. Wenn Kritiker auf neuere Erkenntnisse etwa der Hirnforschung, der Psychologie oder der Soziologie verweisen, heißt es stets, der homo oeconomicus sei ein heuristisches Prinzip, das allein methodischen Zwecken dient und nichts über die Realität aussage. Tatsächlich aber wird im wirklichen Leben und hier vor allen Dingen in der Ausbildung des wirtschaftswissenschaftlichen Nachwuchses die totalitäre Vorstellung eines durchökonomisierten Menschen in jeder Lehrstunde fleißig gepflegt. So Wissenschaftlicher Beirat wird aus der Modellannahme sukzessive eine Realität und erhält gewissermaßen eine normative Dimension, indem die Figur des homo oeconomicus bewusst oder unbewusst adaptiert wird. (…) Wir brauchen also statt des monistischen Wissenschaftsverständnisses der heute bestimmenden Ökonomik eine plurale und kritische politische Ökonomie des guten Lebens, die aus der Sackgasse neoliberaler Politik herausführt und, um nochmals mit Polanyi zu sprechen, den Boden bereitet für eine neue „Große Transformation“: ökonomisch-vielfältig, sozial-gerecht, ökologisch-achtsam, demokratisch-partizipativ.“ Siehe dazu auch:

    • Podiumsdiskussion zur Nobelpreistagung am 21.08.2014 in Lindau
      Ort: Parktheater, Zwanzigerstr. 3, 88131 Lindau (B), Beginn: 20.30 Uhr. Von 19. bis 23. August trifft sich die die mit dem Nobelpreis geehrte Elite der Wirtschaftswissenschaften in Lindau am Bodensee. Der Wissenschaftliche Beirat von Attac veranstaltet zu diesem Anlass eine parallel stattfindende Podiumsdiskussion mit Beteiligung aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien. Als PodiumsteilnehmerInnen begrüßen wir: Prof. Dr. Rudolf Hickel (Uni Bremen), Mag. Dr. Stephan Schulmeister (WIFO Wien), Dr.-Ing. Silke Ötsch (Uni Innsbruck); Moderation: Andreas Zumach (Journalist UN-Genf). Siehe dazu die Seite von attac mit weiteren Infos externer Link
  • Die von den Metall-Unternehmen finanzierte „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ will studentische Bewegung „für eine Plurale Ökonomik“ per Umarmung ersticken
    Die „Internationale Studentische Initiative für eine Plurale Ökonomik“ hat die Propagandisten des scharfen Neoliberalismus auf den Plan gerufen. 40 Vereinigungen von Studierenden aus 19 Ländern haben dazu aufgerufen, „die ökonomische Lehre zu verändern“, weg von der marktwirtschaftlichen Einseitigkeit und hin zu „theoretischem Pluralismus, methodischem Pluralismus und Interdisziplinarität“. Die quantitativen Methoden müssten ergänzt werden durch andere sozialwissenschaftliche Methoden. Studierende müssten die sozialen Auswirkungen und ethischen Implikationen ökonomischer Entscheidungen verstehen. Nach kurzer Schreck-Starre hat die neoliberale PR-Maschine „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) betont zustimmend reagiert. Vielfalt statt Einfalt, schreibt ihr Kommentator Clemens Schneider, sei das, „was die Wirtschaftswissenschaften brauchen“. Schon Friedrich von Hayek, der geistige Urvater des Neoliberalismus, sei dafür gewesen, statt der naturwissenschaftlich-quantitativen Verfahrensweise die qualitativen Erscheinungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu untersuchen. Der Illusion der Machbarkeit durch staatlich-regulatorische Maßnahmen müsse entgegen getreten werden. „Skepsis und intellektuelle Demut mussten einem ungebremsten Rationalitätsoptimismus weichen.“ Der Bock will sich zum Gärtner aufschwingen. Die INSM ist eine Lobby-Firma reinsten Wassers, eine PRAgentur der deutschen Großindustrie…“ Artikel von Conrad Schuhler vom 10. Juni 2014 beim ISW externer Link
  • Aus dem Aufruf:Die Weltwirtschaft befindet sich in einer Krise. In der Krise steckt aber auch die Art, wie Ökonomie an den Hochschulen gelehrt wird, und die Auswirkungen gehen weit über den universitären Bereich hinaus. Die Lehrinhalte formen das Denken der nächsten Generation von Entscheidungsträgern und damit die Gesellschaft, in der wir leben. Wir, 40 Vereinigungen von Studierenden der Ökonomie aus 19 verschiedenen Ländern, sind der Überzeugung, dass es an der Zeit ist, die ökonomische Lehre zu verändern. Wir beobachten eine besorgniserregende Einseitigkeit der Lehre, die sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verschärft hat. Diese fehlende intellektuelle Vielfalt beschränkt nicht nur Lehre und Forschung, sie behindert uns im Umgang mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – von Finanzmarktstabilität über Ernährungssicherheit bis hin zum Klimawandel. Wir benötigen einen realistischen Blick auf die Welt, kritische Debatten und einen Pluralismus der Theorien und Methoden. (…) Im Zentrum sollten dabei drei Formen des Pluralismus stehen: Theoretischer Pluralismus, methodischer Pluralismus und Interdisziplinarität…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=57982
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