Oskar Negt: «Nein, ich bin kein Pessimist»

Der Umbau der Arbeitsgesellschaft hat zu einer tief greifenden Umwertung sozialer Werte geführt. Der deutsche Soziologe Oskar Negt spricht über die Rolle von Aufklärung, Gewerkschaften und Bewegungen. Interview von Stefan Howald in der WOZ vom 29.05.2014 externer Link

  • Aus dem Text: „… Tatsächlich leben wir in einer zu Ende kommenden Arbeitsgesellschaft. Durch den technologischen Fortschritt wird immer mehr mit immer weniger lebendiger Arbeit, also durch menschliche Arbeitskraft, produziert. So entsteht eine Armee der dauerhaft Überflüssigen. Dazu zählen die Alten, die nicht mehr im Produktionszentrum unserer Gesellschaft stehen, aber auch die Jungen, wie die gegenwärtige Jugendarbeitslosigkeit zeigt. Das heisst, die Alten und die Jungen sind beide Opfer eines beschleunigten Produktionssystems. Unsere gesamte Ökonomie wird unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben und ist keine «Ökonomie des ganzen Hauses» mehr, wie das einst genannt wurde, also des ganzen Gemeinwesens. Mehr noch: Die betriebswirtschaftlich beschädigte Vernunft dringt in alle Poren der Gesellschaft. (…) Die gesellschaftliche Balance ist durch Polarisierung, Flexibilisierung und Abkoppelung gestört. Da ist erstens die Polarisierung von Arm und Reich, zwischen Eliten und den Übrigen. Zweitens wird die Flexibilisierung als eine Art Freiheitseldorado betrachtet, bedroht aber eher die Identität der Menschen. Und schliesslich gibt es eine Dreiteilung der Gesellschaft in Wohlhabende sowie gut Integrierte; in solche in fragmentierten, prekären Lebensverhältnissen; und drittens in jene Abgekoppelten, die überflüssig sind. (…) Marx hat von der formellen Subsumtion der Lebensverhältnisse unter das Kapital gesprochen, und das bedeutet, dass das Kapital irgendwie noch sichtbar ist, als ein Aussen, das uns bestimmt. Die reelle Subsumtion besteht nun darin, dass das Kapital sich in unseren Körperformen festgesetzt hat, nach innen gegangen ist, sodass Innen und Aussen nicht mehr zu unterscheiden sind…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=59919
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