Neoliberales Herrschaftssystem: Warum heute keine Revolution möglich ist

Warum ist das neoliberale Herrschaftssystem so stabil? Warum gibt es kaum Widerstand dagegen? Trotz einer immer größer werdender Schere zwischen Reich und Arm? Für eine Erklärung ist es wichtig zu verstehen, wie die unterwerfende Macht heute funktioniert…“ Gastbeitrag von Byung-Chul Han in der Süddeutschen online vom 2. September 2014 externer Link

  • Aus dem Text: „… Die systemerhaltende Macht der Disziplinar- und Industriegesellschaft war repressiv. Fabrikarbeiter wurden durch Fabrikeigentümer brutal ausgebeutet. So führte die gewaltsame Fremd-Ausbeutung der Fabrikarbeiter zu Protesten und Widerständen. Möglich war hier eine Revolution, die das herrschende Produktionsverhältnis umstürzen würde. In diesem repressiven System sind sowohl die Unterdrückung als auch die Unterdrücker sichtbar. Es gibt ein konkretes Gegenüber, einen sichtbaren Feind, dem der Widerstand gilt. Das neoliberale Herrschaftssystem ist ganz anders strukturiert. Hier ist die systemerhaltende Macht nicht mehr repressiv, sondern seduktiv, das heißt, verführend. Sie ist nicht mehr so sichtbar wie in dem disziplinarischen Regime. Es gibt kein konkretes Gegenüber mehr, keinen Feind, der die Freiheit unterdrückt und gegen den ein Widerstand möglich wäre. Der Neoliberalismus formt aus dem unterdrückten Arbeiter einen freien Unternehmer, einen Unternehmer seiner selbst. (…)  Wie steht es heute mit dem Kommunismus? Überall wird Sharing und Community beschworen. Die Sharing-Ökonomie soll die Ökonomie des Eigentums und des Besitzes ablösen. „Sharing is Caring“, „Teilen ist Heilen“, so heißt eine Maxime der „Circler“ im neuen Roman von Dave Eggers, „The Circle“. Die Pflastersteine, die den Fußweg zur Firmenzentrale von Circle bilden, sind durchsetzt mit Sprüchen wie „Sucht Gemeinschaft“ oder „Bringt euch ein“. Caring is Killing, sollte es aber eigentlich heißen. Auch die digitale Mitfahrzentrale „Wunder Car“, die jeden von uns zum Taxi-Fahrer macht, wirbt mit der Idee der Community. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass die Sharing-Ökonomie, wie Jeremy Rifkin in seinem jüngsten Buch „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ behauptet, ein Ende des Kapitalismus, eine globale, gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft einläutet, in der Teilen mehr Wert hätte als Besitzen. Im Gegenteil: Die Sharing-Ökonomie führt letzten Endes zu einer Totalkommerzialisierung des Lebens…“
  • Liegt es am Verblendungszusammenhang, wenn heute die Revolution ausbleibt?
    Wenn die Medien mit ihren neoliberalen Inhalten eigentlich gegen die Interessen der lohnabhängigen Bürger – und damit der Mehrheit – gerichtet sind, warum werden sie dann – wie die Bildzeitung – von diesen Bürgern gekauft und gelesen? Am 3. September schrieb Albrecht Müller in seiner Replik auf den SZ-Artikel von Byung-Chul Han „Warum heute keine Revolution möglich ist“:…“ Artikel von Rudolf Stumberger vom 22.09.2014 bei telepolis externer Link als  Teil 3 seiner Reihe „Medien und Neoliberalismus“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=64767
nach oben