Happy End für Karl Marx

Karl Marx„Das Tabu, über eine Zukunft nach dem Kapitalismus nachzudenken, scheint zu fallen. Politische Fantasie wird gefragt. Die brütet der Kapitalismus aber eigentlich selber aus. Am 19. April, Karfreitag Abend, fand im 3000 Personen fassenden Sony Center in Toronto ein „Philosophen-Duell“ statt, das mitzuerleben die Menschen so begierig waren, dass die Tickets binnen Stunden ausverkauft waren und auf Ebay zuletzt zu Preisen jenseits von 1000 Dollar gehandelt wurden. (…) Wie der Titel der Veranstaltung versprach, würden die beiden Duellanten über „Happiness“ sprechen, und zwar jeweils im Vorzeichen des Kapitalismus und des Marxismus: „Happiness: Capitalism vs. Marxism“. (…) Neben all dem Anderen, was zu diesem Ereignis zu sagen ist und in einer Vielzahl von Kommentaren dazu schon gesagt worden ist, ist besonders dies zu bemerken: Das Interesse an solcherlei Fragestellungen ist offenbar stark gewachsen…“ Beitrag von Ludger Eversmann vom 8. Mai 2019 bei Telepolis externer Link und weiter interessant im Text:

  • (…) „Hatte Marx doch Recht?“, fragt angesichts dessen etwa der Spiegel-Kolumnist Hendrik Müller, unter Verweis auf jüngste Forschungsergebnisse des IWF, die zusammen mit anderen Befunden etwa zu Kapitalkonzentration und schwindender Durchsetzungsmacht des Faktors Arbeit die Prognosen Marx‘ zur Zukunft des Kapitalismus schlussendlich doch zu bestätigen scheinen. Auf der anderen Seite sind es außerökonomische Phänomene wie vor allem der durch die „Fridays-for-Future“-Bewegung demonstrierender Schüler in den Focus gerückte Klimawandel, die sekundär auch die Frage nach der offensichtlich nicht-nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise unter kapitalistischen Vorzeichen nach sich ziehen. (…) Auf der diesjährigen Hannover-Messe Industrie fand ein Kongress zur Zukunft der Arbeit statt, wo neben anderen Teilnehmern der Fernsehphilosoph R. D. Precht und der Betriebsratsvorsitzende von VW Bernd Osterloh eben diese diskutierten. Es wird niemanden überraschen, dass die beiden sich über die Zukunft der Arbeit nicht einig wurden. Während Precht den Menschen ein Leben jenseits der Erwerbsarbeit ermöglichen möchte, indem man ihnen ein bedingungsloses Grundeinkommen gewährt, glaubt Osterloh die Interessen der 650.000 Beschäftigten bei VW dadurch gewahrt, dass ihre Arbeitsplätze möglichst erhalten bleiben. Und dies geschieht trivialerweise nicht anders als dadurch, dass möglichst viele Autos gebaut und verkauft werden. Während die aufgewachte Schülergeneration ihre Zukunft also eher dadurch gesichert sehen würde, dass Mobilität mit möglichst geringem Naturverbrauch hergestellt wird, sehen die Beschäftigten von VW ihre Zukunft als VW-Gehaltsbezieher dadurch gesichert, dass VW möglichst viele, große und teure Autos baut, und dies auch noch in immer kürzeren Modellzyklen, wodurch sich der Ressourcenverbrauch pro gefahrenem Kilometer entsprechend drastisch erhöht. Und damit ist das grundsätzliche Problem industriekapitalistischer Ökonomien am Ende ihrer Expansionsmöglichkeiten benannt: Wo die Theoretiker des freien Marktes die individuelle Verfolgung der Einzelinteressen mit dem Resultat der Schaffung des so vergrößerten Allgemeinwohls gerechtfertigt und die Einzelinteressen harmonisiert sahen, kann davon unter den Vorzeichen der drohenden Klimakatastrophe nicht mehr die Rede sein…“
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