Für eine materialistische Wende – 200 Jahre nach Marx’ Geburt bestimmt das Sein immer noch das Bewusstsein – aber es ist alles nicht so einfach.

Karl MarxDer Lehrbuch-Marxismus hat dafür gesorgt, dass der Begriff des „historischen Materialismus“ heute nur noch als Karikatur herumgeistert. (…) Doch worauf zielte die materialistische Methode dann ab? Um das zu begreifen, muss man reflektieren, wovon Marx sich abgrenzte. Gut nachvollziehen lässt sich das anhand der früh, nämlich 1846 verfassten „Deutschen Ideologie“, in der Marx und Engels ihr philosophisches Programm umrissen. Sie wenden sich darin gegen die – damals ausgesprochen progressive – Religionskritik der Junghegelianerinnen und werfen diesen vor, an der falschen Stelle anzusetzen. (…) Das Zeitgemäße an der materialistischen Methode von Marx besteht nicht zuletzt darin, dass sie aufzeigt, wie hinter unserem Rücken und ohne unser Bewusstsein ein Gesamtzusammenhang produziert wird, den wir in der Krise fürchterlich zu spüren bekommen. Sie macht sichtbar, dass der Kapitalismus einerseits universell ist, andererseits fortlaufend soziale Spaltungen produziert. Und dass diese Spaltungen – werden sie ethnisch, religiös oder national kanalisiert – regelmäßig zu tragischen gewaltsamen Auseinandersetzungen führen, wenn sie nicht emanzipatorisch gewendet werden. In dieser Hinsicht scheint mir die materialistische Methode bestens geeignet, um unsere Lage im 21. Jahrhundert zu beschreiben: 1) Die sich verschärfenden sozialen Ungleichheiten und den allgemeinen Trend zur Intensivierung von Verteilungskämpfen, 2) die globale Zunahme von „Überflüssigen“ im Windschatten der weiterhin rasant steigenden Produktivitätszuwächse, 3) den sich immer deutlicher abzeichnenden Widerspruch zwischen der begrenzten Natur des Planeten und der auf Unendlichkeit angelegten Verwertungsspirale, 4) die wachsende Spannung zwischen der Einebnung der Differenz im Rahmen des Weltmarkts und seiner Produktionsnetzwerke und der Hervorhebung von Differenz zur Legitimation der sozialen Spaltung. Meine These wäre, dass wir diese ökologischen, sozialen, militärischen und politischen Krisen der Gegenwart nur mit einem materialistic turn verstehen können…“ Beitrag von Raul Zelik vom Juli 2018 bei Ada externer Link

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=134979
nach oben