Kleine Beträge, große Bedeutung: Über das Vermögen der Arbeiter – und ihr Bild von der eigenen Position in der Gesellschaft

Bargeld (Foto: Mag Wompel)„… Die stark ungleiche Verteilung von Vermögen hierzulande sorgt immer wieder für Debatten. (…) Was meist unbeachtet bleibt: Es gibt auch eine recht starke Verbreitung »kleiner Vermögen«, die zwar nominell vom Reichtum des »1 Prozent da oben« weit weg sind, die aber für die soziale Selbstverortung, für die Meinungsbildung in politischen, zumal in Umverteilungsdebatten und die Wahrnehmung der eigenen Statusposition auch wichtig sein können. Horst Kahrs von der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat jetzt Zahlen dazu zusammengetragen. (…) Sein zusammenfassendes Urteil: »Substantielle Teile der Facharbeiter und -angestellten (mittlere Bildung, betriebliche Berufsbildung) verfügen mit Blick auf die eigene Alterssicherung und die Zukunft der Kinder über Wohneigentum und kapitalmarktgedeckte Altersvorsorgeprodukte. Die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt wie auf den Kapitalmärkten, insbesondere des Zinsniveaus, hat für jene durchaus größere Bedeutung und dürfte beobachtet, wahrgenommen und in einem Bild von der eigenen Position in der Gesellschaft verarbeitet werden.« Die von Kahrs zusammengetragenen Daten liefern keine Begründung für »weniger Umverteilung«, in den Haushalten von Arbeitern und Angestellten sind die Vermögen, sofern es welche gibt, vergleichsweise kleiner. Aber: »Die Verbreitung von Vermögensbesitz und die Höhe des Besitzes können wichtige Faktoren sein, um die Selbstwahrnehmung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in der Gesellschaft nachzuzeichnen sowie aufzeigen, mit welchen Reaktionen auf politische Maßnahmen zur Regulierung des Geldkapitals und Vermögens (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer) in bestimmten sozialen Schichten gerechnet werden kann, oder anders formuliert, wo Gesichtspunkte des Vermögensbesitzers auch unter Arbeitern und Angestellten größere Handlungsrelevanz erlangen könnten.« Und dies gilt »unabhängig von der Größe des Vermögens, entscheidend ist allein, welche Rolle es in den Sicherungsstrategien der Haushalte spielt«…“ Beitrag von Vincent Körner vom 19. August 2018 beim OXI-Blog externer Link.Siehe dazu auch:

  • [»Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand«] Was Vermögen vermögen New
    „Horst Kahrs setzt seine Untersuchungen über »Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand« datenreich fort und fordert die Linke auf, eine »Anfang der 1970er Jahre liegen gelassene Aufgabe« wieder aufzugreifen. »Auch viele Arbeiter und Angestellte haben Wohneigentum oder setzen auf kapitalmarktgedeckte Sicherung. Horst Kahrs geht der Frage nach, wie Gesichtspunkte des Vermögensbesitzers auch in diesen sozialen Gruppen größere Handlungsrelevanz erlangen könnten.« (…) Inzwischen hat Kahrs, der beim Institut für Gesellschaftsanalyse arbeitet, seine Arbeit an diesem Thema fortgesetzt und erweitert. Herausgekommen ist dabei ein umso lesenswerteres Kompendium zur »Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand«, das nicht nur ausführliche »Materialien zur Vermögensungleichheit, Häufigkeit von Vermögen unter Arbeitern und Angestellten und zur Beteiligung am »Produktivvermögen« enthält. Es geht auch darum, was das mit dem politischen Denken der Leute macht. Kahrs lässt die Frage nicht – wie andere es gern tun – links liegen, »inwieweit sich Arbeiter und Angestellte selbst auch als Vermögensbesitzer sehen«, welchen »Einfluss auf Interessenbildung« das hat und also auch für linke Politik, deren Darstellung, die Strategie zu bestimmten Zielen hin und das Reden darüber. »Insbesondere die tatsächliche oder erstrebte soziale Rolle des Geldanlegers, die nicht von der Abwendung von Abhängigkeiten und Unsicherheiten (Wohnung, Alter, Krankheit), sondern vom Renditemachen dominiert ist, verändert leicht den Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse. Die Verbreitung von Vermögensbesitz und die Höhe des Besitzes können wichtige Faktoren der Selbstwahrnehmung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in der Gesellschaft sein. Sie ist dann Bestandteil der Herausbildung von sozio-ökonomischen Interessen und Reaktionen auf politische Maßnahmen zur Regulierung des Geldkapitals und Vermögens (Vermögensteuer, Erbschaftssteuer) in bestimmten sozialen Schichten, in denen Gesichtspunkte des Vermögensbesitzers unter Arbeitern und Angestellten größere Handlungsrelevanz erlangen könnten«, so Kahrs. Mehr noch, verweist Kahrs auf die Möglichkeit, dass »das Streben nach Vermögensaufbau und Geldanlagen zu den ›Sicherheitsstrategien‹ von Arbeiter- und Angestelltenhaushalten zählen«. Folge: »Je verbreiteter solche Strategien sind, um so bedeutsamer dürften Finanzkrisen und ihre politische Bearbeitung für Einstellungen unter Arbeitern und Angestellten sein. Es geht am Ende auch um die Frage, welche Rolle die Erfahrungen von Kleinanlegern auf den Finanzmärkten für das Erstarken rechtspopulistischer Positionen gespielt haben könnten.« (…) »Den Lohnabhängigen, den Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, etwas zu vermögen, setzt voraus, will eine Gesellschaft nicht unter ihren zivilisatorischen Möglichkeiten bleiben, dass Wege gefunden werden, wie die Produktivitätsgewinne dem allgemeinen Wohlstand zugutekommen können.« Hierin sieht Kahrs eine »Anfang der 1970er Jahre liegen gelassene Aufgabe«, die wieder aufgegriffen »und mit Blick auf die stattfindenden technologischen Umwälzungen in der Arbeitswelt zu beantworten« wäre.“ Oxi-Blog von Tom Strohschneider vom 2. Februar 2020 externer Link
  • Der Beitrag von Vincent Körner vom 19. August 2018 beim OXI-Blog externer Link basiert auf den „Daten zu den Vermögensverhältnissen von Arbeitern sowie einfachen und mittleren Angestellten“ von Horst Kahrs vom August 2018 bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung externer Link (16 Seiten)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136400
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