Facebooks „Kryptowährung“ Libra – der feuchte Traum der Datenkrake

Dossier

Facebook: "Freunde" in und als Gefahr„Nun ist es offiziell. Zusammen mit namhaften Partnern will Facebook bereits im nächsten Jahr seine eigene „Weltwährung“ herausgeben. Die Libra ist als wertstabile Kryptowährung konzipiert, mit der man sich über Währungsräume hinweg einfach und unkompliziert Geld zuschicken kann. Mittel- bis langfristig soll sie zu einem „universalen Zahlungsmittel“ im eCommerce werden. Schon wird eifrig darüber diskutiert, ob Facebooks Libra eine Währung ist und als solche reguliert werden sollte. Doch das lenkt vom eigentlichen Problem ab: Sollte Facebook mit seiner Libra Erfolg haben, kann das Unternehmen die Nutzerdaten aus seinen Softwareangeboten mit den Finanz- und Konsumdaten der Nutzer verknüpfen und würde so zur unangefochten größten Datenkrake der Welt. (…) Auch volkswirtschaftlich ist die Libra nicht sonderlich aufregend. Wenn man das ganze Kryptowährungs-Bohei, das nur unter der Motorhaube von Belang ist, mal herauslässt, ist Facebooks ökonomische Funktion bei dieser Transaktion lediglich, vom Käufer den Kaufpreis zu kassieren und ihn dem Verkäufer gutzuschreiben. Alles andere ist eine Black Box. Nach außen hin ist es unerheblich, ob die Teilnehmer des Netzwerks ihre Preise nun in Euro, Dollar, Libra oder Glasperlen ausschreiben und welche internen Rechnungseinheiten sie zur Fakturierung benutzen. Da ist sehr viel PR und sehr wenig Substanz im Spiel. (…) Dieser gigantische Datenpool in den Händen eines Unternehmens wie Facebook wäre ein Datenschutz-Super-GAU. Wenn es das neu gewählte EU-Parlament mit seinen Sonntagsregeln von einem besseren Datenschutz und der Aufsicht von „Big Data“ ernst meinen würde, wäre Facebooks Libra die Nagelprobe.“ Beitrag von Jens Berger vom 21. Juni 2019 bei den NachDenkSeiten externer Link und dazu:

  • Facebook: Mit Libra mal kurz die Welt retten? New
    „… Mit der Libra-Einführung würde sich ein lang gehegter Zukunftstraum der Tech-Industrie erfüllen. Sie tüftelt zum einen schon lange und erfolglos an einem alternativen Bezahlmittel im Netz. Kryptowährungen wie Bitcoin haben sich wegen enormer Kursschwankungen und Sicherheitsprobleme bislang nicht durchsetzen können. Zum anderen fußt Zuckerbergs Plan auf einer libertären Ideologie, die insbesondere im Silicon Valley weit verbreitet ist: Sie misstraut grundsätzlich staatlichem Handeln und setzt stattdessen auf „smarte“ technologische Produkte, die komplexe gesellschaftliche Probleme lösen sollen. Allerdings birgt insbesondere eine von Konzernen kontrollierte Digitalwährung immense Risiken: Sie droht nicht nur den Datenschutz weiter auszuhebeln, sondern untergräbt vor allem auch die Hoheit der Zentralbanken und damit die Geldpolitik der Staaten. (…) Als Vorbild dürfte Facebook dabei die Super-App WeChat des chinesischen Internetkonzerns Tencent dienen. Dank des integrierten Bezahldienstes WeChat Pay – der jedoch nicht an eine eigene Währung, sondern an ein Bankkonto geknüpft ist – können mehr als eine Milliarde Nutzer in einer einzigen Anwendung Nachrichten und Zahlungen an Freunde senden, Taxis bestellen und direkt bezahlen, Lebensmittel kaufen oder ein Darlehen beantragen.Einen ähnlichen Komfort soll nun auch Libra ermöglichen. (…) Dass Libra einen erfolgreichen Start hinlegen wird, verspricht bereits Facebooks gewaltige Nutzerbasis. In den kommenden Monaten will der Konzern zudem den Onlinehandel mit Produkten massiv ausbauen – eine deutliche Kampfansage an den Internethändler Amazon. (…) In der Vergangenheit konnte sich der multinational operierende Digitalkonzern Zugriffsversuchen einzelner Staaten immer wieder entziehen. Somit ist zu hoffen, dass sich die Staaten möglichst bald gemeinsam auf ein Vorgehen einigen – und damit auf jene politische Regulierung, die Nick Clegg so energisch eingefordert hat. Gelingt es ihnen jedoch nicht, Facebooks Plänen für ein globales Finanzimperium Einhalt zu gebieten, wäre damit möglicherweise endgültig der Beleg erbracht, dass der Konzern zu groß ist für diese Welt und tatsächlich zerschlagen gehört.“ Beitrag von Daniel Leisegang aus Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2019 externer Link – wenn auch informativ, so doch von den Konsequenzen her etwas hilflos. Warum das Ganze nicht als Ausdruck werten, dass auch bezüglich Geldpolitik der Kapitalismus so langsam historisch überholt ist?
  • Finanzexperte Schick: „Eine Facebook-Währung würde bisherige Zahlungswege verdrängen“ 
    „Facebook will eine eigene Währung einführen – und stößt damit auf große Bedenken. Der Konzern könnte seine marktbeherrschende Stellung bei sozialen Medien auf die Finanzwelt ausdehnen, fürchtet Finanzexperte Gerhard Schick (…) Eine eigene Kryptowährung des Konzerns „könnte sehr, sehr weitreichende Folgen haben. Denn die Dominanz von Facebook würde sich in eine enorme Dominanz am Finanzmarkt ausweiten“, sagte Schick dem SPIEGEL. Das sei wegen der Macht gegenüber den Verbrauchern und Bürgern problematisch, aber auch weil dann ein IT-Konzern möglicherweise systemisch relevant werde für den Finanzmarkt. „Also too big to fail, wie wir es von Banken kennen und eigentlich überwinden wollen, gäbe es dann auch in Bezug auf Facebook (…) Schick rechnet damit, dass sich eine eigene Kryptowährung von Facebook aufgrund der hohen Nutzerzahl von Facebooks Messengerdiensten schnell verbreiten könnte. „Wir können davon ausgehen, dass eine Facebook-Währung sehr schnell sehr populär würde und bisherige Zahlungswege verdrängen würde“, sagte er. Dabei warnte Schick auch vor möglichen Konsequenzen für die Nutzer: „Die Vergangenheit von Facebook lässt mich befürchten, dass den Datenschutz-Versprechungen von Facebook nicht zu trauen ist“, sagte er. Ihn sorge deshalb, dass die finanziellen Transaktionen irgendwann genauso systematisch ausgewertet würden wie andere Daten auch. „Auch wenn Facebook das heute verneint.“ Dann werde die Überwachungsmöglichkeit von Facebook noch größer, als sie heute bereits sei. „Das muss unbedingt verhindert werden.“ Beitrag von Andreas Albert vom 25. Juli 2019 bei Spiegel online externer Link

    • Kurze Nebenbemerkung: Die eigentliche Konsequenz für Linke sollte aus der ganzen Währungsdebatte die Erkenntnis sein, dass es vorrangig um die Wertverteilung und nicht um den Geldausdruck gehen sollte.
  • Facebook Libra: Der nächste logische Schritt ist die Privatisierung des Geldes 
    „Bisher war Geld eine heilige Kuh, wenn es um Privatisierungen ging. Facebooks Kryptowährung Libra fordert das heraus. Das ist einer der mächtigsten Angriffe auf staatliches Geld, den es bisher gab. (…) Facebook will mit seiner eigenen Kryptowährung Libra ins Privatgeldgeschäft einsteigen. Das ist logisch und gar nicht überraschend, wenn man die sehr unterschiedlichen Phänomene aus den letzten Jahren im Finanzsektor betrachtet: die Pleite von Lehmans, der Bail-Out vieler Banken mit Steuergeldern, der uns alle zu Schuldnern gemacht hat, und ungefähr zeitgleich das Auftauchen von Bitcoin. (…) Weite Teile der Bevölkerung haben das Vertrauen in das Finanzsystem im Allgemeinen und Investment-Banken im Besonderen verloren. Zahllose Zwangsversteigerungen von Häusern etwa in Spanien, durch die sich insbesondere die Deutsche Bank unbeliebt machte, die Panama Papers und unglaublicher Steuerbetrug mit den Cum-Ex-Geschäften. Facebook ist der einzige IT-Konzern, der es mit seinen Machenschaften am ehesten mit der Finanzbranche aufnehmen kann. Facebook passt zum Finanzsystem besser als jeder andere. Es geht nicht um Glaubwürdigkeit oder Good Governance. Facebook hat immer wieder skrupellos, arrogant und ignorant reagiert, wenn es mal wieder von staatlichen Stellen gerügt – sehr selten auch verurteilt – wurde. Das gleicht einer Qualifikation dafür, sich nun der Frage des Geldes anzunehmen. Und, das ist meine eigentliche Botschaft: Bei allem, was man weiß, ist es beeindruckend schlau, wie Facebook Geld drucken wird…“ Gastbeitrag von Oliver Leistert vom 8. Juli 2019 bei Netzpolitik externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=150645
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