Eine kleine geistige Revolution im Sachverständigenrat Wirtschaft – nebst einer deutlichen Distanzierung von der wirtschaftlich unsinnigen Handhabung der Schuldenbremse

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.11.2019 – wir danken

Eine kleine geistige Revolution im Sachverständigenrat Wirtschaft… dieser Sachverständigenrat, auch der Einfachheit halber „Die Wirtschaftsweisen“ genannt, veröffentlicht heute sein aktuelles Gutachten (https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/start/aktuelles/uebergabe-des-jahresgutachtens-am-6-november-2293.html externer Link) und ausführlich dann das Jahresgutachten 2019 (https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/jahresgutachten-2019.html externer Link).

Aber der Süddeutschen lag es schon vorab vor – und die JournalistInnen sehen einen großen Streit: Die Ökonomen rechnen insgesamt mit wenig  Wachstum, aber über die politische Antwort darauf, gibt es zum ersten Mal seit Jahrzehnten einen offenen Dissens. (Siehe zum geringen Wachstum: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/konjunktur-bruttoinlandsprodukt-wirtschaftsweise-1.4668630 externer Link aber zum offenen Dissens über die politische Antwort: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftsweisen-jahresgutachten-2019-1.4669414 externer Link)

Gegen die Ansicht der Dreier-Mehrheit – früher waren es konstant 4 gegen einen -, dass kein Bedarf für ein Konjunkturpaket besteht, warnen die zwei (!) anderen. das Risiko einer Rezession steige spürbar auf 36 Prozent – und sie rufen die Bundesregierung auf, ein Konjunkturpaket zumindest vorzubereiten. Auf jeden Fall solle die Bundesregierung mehr und langfristig investieren.

Die Schuldenbremse müsse dazu nicht unbedingt abgeschafft werden, aber die Schuldenbremse ignoriere die „goldene Regel“, dass staatliche Netto-Investitionen durch Netto-Neuverschuldung finanziert werden sollen. (http://library.fes.de/pdf-files/wiso/12078.pdf externer Link pdf)

Die Mehrheit im Sachverständigenrat dagegen fand, „die Schuldenbremse sendet mit ihrer Rückführung der Schuldenstandsquote ein wichtiges Signal für die Finanzmärkte… “ (also darum geht es – diese Rallye der Reichen auf den Finanzmärkten…)

Und auch woher das Geld dafür kommen soll, sind die „Weisen“ gespalten: Gemeinsam ist noch den deutschen Wirtschaftsweisen, dass ein Festhalten an der „Schwarzen Null“ den Abschwung verstärkt. Das gefällt jetzt auch dem DGB wieder (https://www.dgb.de/presse/++co++472e6e4e-006e-11ea-a5c2-52540088cada externer Link). Aber leider klammert sich der Bundesfinanzminister Scholz an die „Schwarze Null“ (https://www.spiegel.de/wirtschaft/haushaltsdebatte-olaf-scholz-haelt-an-der-schwarzen-null-fest-ein-fehler-a-1286084.html externer Link)

Und gerade als Kandidat für den SPD-Vorsitz klammert Scholz sich auch gegen die internationale Kritik beim Internationalen Währungsfonds an der Schwarzen Null fest. (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/olaf-scholz-vor-iwf-treffen-warum-der-vizekanzler-die-schwarze-null-so-liebt-a-1291942.html externer Link) Er glaubt wohl, dass inzwischen die Mehrheit der SPD-Mitglieder an das ökonomische Märchen der „schwäbischen Hausfrau“ glaubt, obwohl dies ökonomisch in die Sackgasse führt. (https://www.heise.de/tp/features/Die-schwaebische-Hausfrau-als-Kardinalfehler-deutschen-Denkens-3393079.html externer Link)

Kritiker warnen zwar seit langem, dass in Deutschland zu wenig investiert wird und die Infrastruktur der Schulen, der Verkehrswege und der Netze verfällt. Aber Bundesfinanzminister Olaf Scholz lehnt es ab, im Kampf gegen diese Konjunkturschwäche mehr zu investieren. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftsweisen-jahresgutachten-2019-1.4669414 externer Link)

Aber diese neue Offenheit – gegenüber den starren Fronten gegenüber Peter Bofinger in der Vergangenheit – könnte in Zukunft öfters vorkommen, denn bei den Wirtschaftsweisen werden die Karten neu gemischt, was auch die – vor allem deutsche – Dogmatik weiter aufweichen könnte. (Siehe dazu auch „Plurale Ökonomik“: http://www.plurale-oekonomik.de/netzwerk-plurale-oekonomik/ externer Link)

Denn so wie die – noch nur noch knappe – Mehrheit denkt, denken einfach noch viele deutsche Volkswirte, International verliert dieses Denken nur immer mehr seine „Anschlussfähigkeit“, da international – vor allem angelsächsische Ökonomen seit Langem die deutsche Schuldenbremse und diese deutsche Sparpolitik kritisieren. (was „praktisch“ bisher noch durch die deutschen Exportüberschüsse „ausgeglichen werden konnte.)

Inzwischen also haben sie im wichtigsten deutschen Beratergremium eine relevantere Stimme. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftsweisen-jahresgutachten-2019-1.4669414 externer Link)

Aber jetzt wird bald auch um diese Stimme gekämpft werden müssen, denn die Position von Isabel Schnabel wird neu besetzt werden müssen, weil sie ins Direktorium der Europäischen Zentralbank wechselt. (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/wirtschaftsweise-und-oekonomin-isabel-schnabel-soll-ezb-direktorin-werden/25146464.html externer Link)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.11.2019 – wir danken

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=156920
nach oben