Ein Kampf um die Bestimmung einer „neuen Öffentlichkeit“: Debatte über allgemeine Veröffentlichung der Offshore-Leaks-Dateien zur Steuerflucht

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 18.6.2013

Steuerfahndung „öffentlich“ – oder doch nur in den Händen der „Journalisten“

Ist es zu verantworten, dass einer breiten Öffentlichkeit Rohdaten „einfach so“ massenhaft zur Verfügung gestellt werden? Und der Versuch einer Antwort von Martin Kaul: „Sollen wir hierzulande wirklich darauf vertrauen, dass es – um ein scharfes Bild zu benutzen – die Lohnschreiber des Kapitalismus sind, die diesen für uns begreifen sollen?“ (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2013%2F06%2F17%2Fa0084&cHash=339dd29c64072b2984495a4de987f419 externer Link)

Diesen Konflikt – bzw. die Angst der Journalisten vor dieser „Öffnung“ der Öffentlichkeit „für alle“ – hat der Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo dann schon bald klassisch „defensiv“ auf dem Jahrestreffen von Netzwerk Recherche auf den Punkt gebracht: „In Amerika sind es längst die NGO`s, die die Macht der Informationsfreiheit erkannt haben.“ Dort fänden sich bedeutende Enthüllungen nicht mehr nur in Zeitungen, sondern auch auf den Websites der Verbände. „Und bei allem Respekt vor Foodwatch und Transparency International (= schon diese Auswahl ist wieder interessant!): Ich möchte nicht, dass sie unsere Arbeit machen.“ (http://www.taz.de/!118216/ externer Link) Da wird dann die Überschrift schon signifikant: „Hurra, wir leben noch!“

Ein jüngstes Beispiel bei uns: Attac und eine (noch nicht) hergestellte Öffentlichkeit über den „Fluss des Geldes“ bei der Griechenland-„Rettung“

Man kann diesen Konflikt – mit der Verunsicherung der Presse auf der einen Seite – auch an einem jüngsten Beispiel bei Attac nachvollziehen. Attac (Austria) hatte sich die Mühe gemacht, genauer hinzusehen, was mit den so „großmächtig“ nach Griechenland geflossenen „Hilfs“geldern eigentlich gemacht worden war. Und kommt zu dem Ergebnis, dass mit dieser Krisenpolitik vor allem – zu 77 Prozent – nicht die griechische Bevölkerung, sondern eben Reiche und Banken gerettet worden waren. (http://www.attac.at/news/detailansicht/datum/2013/06/17/griechenland-rettung.html externer Link)
Und mit diesen anscheinend leicht zugänglichen Daten hatte Attac dann im Detail belegt, wohin das Geld der „Troika“ geflossen war. (http://www.attac.at/uploads/media/hintergrundmaterial_bailout_deutsch.pdf externer Link pdf) Jens Berger hatte diese Studie dann auf den Nachdenkseiten vorgestellt, „Wir retten die Banken, nicht die Griechen“ – und die europäischen Staaten übernehmen das Haftungsrisiko für die Banken! (www.nachdenkseiten.de/?p=17651 externer Link)

Es ist der Süddeutschen immerhin zu verdanken, diese Studie noch einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber zu erwähnen. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schuldenkrise-in-griechenland-an-den-menschen-vorbei-1.1698066 externer Link) Um dann aber gleich noch „höhnisch“ – so von oben herab – anzumerken, dass Attac bei dieser ganzen „Detail“-Aufzählung eben typischerweise vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr gesehen hat.

Da bin ich zunächst einfach doch etwas erstaunt, denn warum hat dann nicht schon die „allgemeine“ Presse uns schon seit langem – es war doch so leicht zu recherchieren -über diese Details der Griechenlandrettung aufgeklärt, um damit auch so manche schräge politische Sprachregelung – angefangen bei dem Propagandawort „Griechenland-Rettung“ ad absurdum zu führen? Nein, jetzt deckt dies Attac auf (http://orf.at/stories/2187478/ externer Link) – und schon „darf“ es von den Journalisten, die diese „Aufklärung“ – außer vielleicht von unserem wackeren Harald Schumann auf Arte – bisher eben nicht geleistet haben, gerügt werden, dass die Analytiker von Attac noch nicht alles richtig gemacht haben – anstatt uns jetzt zu erklären, welche Bedeutung dieses Geld in welche Richtung auch immer hatte – vielleicht unter der Überprüfung des „Totschlag“-Argumentes „systemrelevant“ – wenn sie schon so „siebengescheit“ sind. (vgl. dazu noch einmal Jens Berger: www.nachdenkseiten.de/?p=17651 externer Link)

Total im Dunkeln noch bei der Manipulation der Devisenkurse – aber unbeanstandete 25 % Gewinn bei der Deutschen Bank

Und weiter wäre doch auch erfreulich, wenn die „allgemeine“ Presse uns über die z.B. von der Deutschen Bank gemachten 25 % Gewinne schon auch viel präziser aufgeklärt hätte. Da müssen jetzt die britischen Behörden entdecken, wie heftig von den Banken – unter anderen eben auch die Deutsche Bank – durch eine Manipulation der Devisenkurse zu ihren Gunsten – und man kann das bei den gewaltigen Ausmaßen des Devisenmaktes ja sagen – für sich richtig Geld gescheffelt hat – auch wenn dies angesichts der „total“ unregulierten Devisenmärkte am Ende wieder alles ganz „legal“ gewesen sein sollte.

Und da die Banken dies über 10 Jahre gemacht haben sollen, konnten sie auch enormes Geld auf ihre Seite „schaufeln“. (http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/devisenmarkt-manipulierte-milliarden,10808230,23323804.html externer Link oder auch noch bei www.nachdenkseiten.de/?p=17656#h08 externer Link)

Ach ja, über dieses gewaltige „Unterfangen“ wurden wir dann auch wieder nur von einem Journalisten – von Stephan Kaufmann – unterrichtet. Die große Analyse mit ihrer Bewertung wartet „unsere“ Öffentlichkeit derweilen auch erst noch – hoffentlich nicht vergeblich. Aber man kommt dabei ins Grübeln, ob dieser Vorwurf von Martin Kaul – um sein „scharfes Bild“ zu verwenden – an die Journalisten nicht doch ein gewisse Berechtigung haben könnte?

Öffentlichkeit für alle – ein neuer Weg von Offshore-Leaks

Nun in dem Sinne von Martin Kaul hatten die investigativen Journalisten von Offshore-Leaks wohl nicht das Vertrauen allein in ihre JournalistenKollegen, dass sie ihren Job schon machen werden (vgl. dazu https://www.labournet.de/politik/wipo/finanzmaerkte/steuerpolitik/offshoreleaks-und-jetzt-statt-krisenberichterstattung-eine-krimi-oder-romanschriftstellerei/) und haben gerade vor dem G8-Gipfel in Irland, wo die Steuerflucht von den „Größen dieser Welt“ verhandelt werden soll, allgemein ins Netz gestellt. (http://www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/wirtschaftsnachrichten/offshore-leaks-daten-vor-g-8-gipfel-veroeffentlicht-1.18100011 externer Link – sowie auch noch www.nachdenkseiten.de/?p=17641#h05 externer Link)

Wahrscheinlich hätten das die deutschen investigativen Journalisten – zur Rettung ihrer Journalistenrolle mit „Alleinstellungs-Merkmal“ – frei nach Georg Mascolo nicht getan.
So wurde jedoch von den investigativen Journalisten des ICIJ der „Himmel der Steuerflüchtlinge“ doch etwas einer breiteren Öffentlichkeit noch enthüllt worden. (http://www.icij.org/offshore externer Link)

So „getrieben“ machten Regierungschefs dann doch schon Druck auf die Steueroasen – oder genauer, die dahintersteckenden Steuerflüchtlinge. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/cameron-bestellt-chefs-der-britischen-steueroasen-ein-a-903944.html externer Link)

Die Frage bleibt, ob und inwieweit dieser Druck von Erfolg sein wird – oder doch nur wieder eine dieser „Schauverantaltungen“, um das aufgebrachte „Volk“ wieder ruhig zu stellen? (http://www.taz.de/Cameron-macht-Druck-auf-Steueroasen/!118229/ externer Link)

Aber man wird ja jetzt „verfolgen“ können, was „wirklich“ passiert – und wie erfolgreich es sein wird. (http://www.zeit.de/2013/16/steueroasen-steuerflucht-loesungen externer Link)

Und ein solches „Ein Auge auf den Anderen haben“ könnte ja für beide Seiten, Journalisten wie aktive Öffentlichkeit, – wenigstens „erfolgversprechender“ werden.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=38729
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