Prozess gegen Schwarzfahrer: Kampagne für Nulltarif!

Dossier

Schwarzfahr-Kampahgne Plakat 2017Sie hängen sich Schilder um, machen Musik, malen mit Kreide oder verteilen Flyer, auf denen ihre Forderungen stehen und sie sich offen dazu bekennen, ohne Ticket unterwegs zu sein. Damit unterlaufen sie auch den Strafparagraphen 265a StGB, der nur das heimliche Schwarzfahren („Erschleichung“) unter Strafe stellt. Während die Rechtswissenschaften einhellig diese Rechtsauffassung bestätigen, urteilen Gerichte bisher sehr unterschiedlich – wobei die Verurteilungen stets mit abenteuerlichen Gedankenmodellen einhergehen.  Jetzt stehen neue Prozesse an – und sie können erneut Meilensteine setzen auf dem Weg zur Entkrimininalisierung des Schwarzfahrens und zur Einführung eines kostenlosen Bus- und Bahnsystems. Am Donnerstag, den 19.10.2017, steht der Mainzer Manfred Bartl um 11 Uhr vor dem Amtsgericht Mainz (Saal 16). Er verweigert seit über 8 Jahren die Zahlung des Entgeltes und demonstriert gegen das ungerechte Fahrpreissystem“ – aus dem Beitrag „Endlich handeln: Schwarzfahren entkriminalisieren – Nulltarif einführen!“ der Projektwerkstatt Saasen am 14. Oktober 2017 bei Scharf Links externer Link über den bevorstehenden Prozess in Mainz, die unter anderem auch noch einen ausgesprochen positiven Beitrag zum Staatshaushalt produziert: „Wenn Polizei, Gerichte und Gefängnisse nicht mehr zu erheblichen Teilen die „Erschleichung von Leistungen“ verfolgen müssen, spart auch das erhebliche Kosten – noch ein Pluspunkt für die Idee des Nulltarifs im Nahverkehr“.  Siehe dazu auch zwei Sonderseiten der Initiative Schwarzstrafen zur Begründung des Nulltarifs und über die laufenden Prozesse und weitere Infos:

  • Feiges Urteil für offensiven Schwarzfahrer New
    Manuel Erhardt hat mit gekennzeichnetem Schwarzfahren die Debatte um einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr neu angestoßen. Das zuständige Starnberger Gericht hat nun einiges unternommen, um ihn heimlich und ohne Medienaufmerksamkeit verurteilen zu können. Wer mit einem Schild, beschriftet mit der Aussage „Ich fahre ohne gültige Fahrkarte“, ausgestattet Bahn fährt, der macht sich nicht, wie bei einer normalen Fahrt ohne Ticket, als Schwarzfahrer strafbar. „Der Tatbestand der Dienstleistungserschleichung greift nur, wenn die Leistung, also der Transport, auch erschlichen wurde. Davon kann im hiesigen Fall einfach keine Rede mehr sein“, so der im Verfahren zugelassene Strafverteidiger Schachtner. Entsprechend groß war das mediale Interesse zu Beginn der Verhandlung. Anscheinend zu groß für den Geschmack des Gerichtes. „Um das Urteil fernab jeglicher Öffentlichkeit sprechen zu können, wurden alle Register gezogen“, so der Strafverteidiger weiter. Nach dem ersten Verhandlungstag sollten zunächst sieben weitere Verhandlungstage folgen, in denen je ein bis drei Zeugen vernommen wurden. Das Ergebnis: keiner der Zeugen konnte sich an irgendetwas erinnern. Am neunten Verhandlungstag weigerte sich das Gericht plötzlich, wie sonst üblich, auf den gleichzeitig stattfindenden Termin des Verteidigers vor einer Kammer des Landgericht Aachen Rücksicht zu nehmen und einen Schiebetermin abzuhalten. Der Angeklagte musste also ohne Verteidigung erscheinen. In der Verhandlung wurden dann kurzerhand, völlig überraschend, alle noch übrigen sieben Verfahren eingestellt, die Beweisaufnahme unter Abwesenheit der Verteidigung und ohne deren Einverständnis geschlossen und es wurde zum Urteil fortgefahren. Manuel Erhardt verließ aus Protest gegen das Vorgehen des Gerichtes die Verhandlung. (…) Daraufhin weigerte sich das Gericht über zwei Wochen hinweg beharrlich, der Verteidigung Auskünfte zum Verfahrensstand zu geben, verwehrte entgegen jeder Rechtsprechung eine Einsicht in die Verfahrensakten und weigert sich bis heute das Protokoll des fraglichen Verhandlungstages zugänglich zu machen. (…) Nach zwei Wochen wurde das schriftliche Urteil übersandt. „Im wesentlichen stützt sich die Verurteilung auf die Behauptung, mein Mandant könne nicht nachweisen, dass er immer ein Schild dabei gehabt hätte. Dabei waren in weiten Teilen der Vernehmungen die einzigen Erinnerungen der Zeugen die an das Schild meines Mandanten. (…) Selbstverständlich lasse ich mich von dem Urteil nicht entmutigen, ganz im Gegenteil, meinen Kampf für den Nulltarif werde ich nun umso beharrlicher weiterführen!“ Gegen das Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt.“ Bericht von Manuel Erhardt am 15.7.2019 bei scharf links externer Link
  • Anerkannte Schwarzfahrer. München: Freispruch für Aktivisten, die offen ohne Ticket mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs waren 
    Wer offen ohne Ticket in die Bahn steigt und dort mit Flugblättern gegen die Kriminalisierung des Schwarzfahrens und für einen kostenlosen öffentlichen Personenverkehr demonstriert, macht sich nicht strafbar. Das stellte das Landgericht München bereits Ende vergangener Woche in einem Verfahren gegen Dirk Jessen fest. Der hatte sich am 2. und 3. März 2015 mit vier weiteren Personen an einer angekündigten »Aktionsschwarzfahrt« von Kempten über München, Nürnberg und Frankfurt am Main nach Gießen beteiligt. Die Vorsitzende Richterin ging in ihrer mündlichen Urteilsbegründung auf die Formulierung im Strafgesetzbuch ein, mit der der Tatbestand der illegalen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel beschrieben wird: »Warum heißt es im Gesetz ›erschleichen‹ und nicht ›benutzen‹? Damit hat der Gesetzgeber klargemacht, dass es nicht um jegliche Benutzung von Verkehrsmitteln ohne Ticket geht.« Deshalb sei der objektive Tatbestand nicht erfüllt und der Angeklagte freizusprechen. Die Staatsanwaltschaft kann Revision einlegen. Sie hatte Jessen vorgeworfen, sich die Beförderungsleistung der Bahn »erschlichen« zu haben. Für die »Aktionsschwarzfahrer«, die bereits mehrere Gerichte beschäftigten, stellt die Entscheidung des Landgerichts »einen wichtigen Meilenstein« dar…“ Bericht von Sebastian Lipp in der jungen Welt vom 05.05.2018 externer Link
  • Schwarzfahrer aus Überzeugung: Manfred Bartl kämpft mittels Schwarzfahren für bezahlbare Mobilität
    „»Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!« Diese Parole geht vielen Demorednern leicht über die Lippen. Doch wenige handeln konsequent nach dieser Maxime und nehmen Unannehmlichkeiten in Kauf. Zu dieser Gruppe gehört Manfred Bartl, der seit Jahren für ein Grundrecht auf Mobilität unabhängig vom Geldbeutel kämpft. Am Donnerstag verhängte das Amtsgericht Mainz über den bekennenden Schwarzfahrer wegen Erschleichung einer Dienstleistung in drei Fällen eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 15 Euro. Doch das Geld brav zu überweisen, kommt für den arbeitslosen Chemiker aus Mainz nicht in Frage. Der 47-Jährige legte Rechtsmittel ein. (…) Dass er damit auch eine Haftstrafe riskiert, weiß der nicht gerade wie ein Rebell wirkende Aktivist. »Wenn Kontrolleure mir unterstellen, ich sei ein Schmarotzer, vergessen sie eines: Verlieren sie morgen ihren Job, landen sie zwölf Monate später selbst in Hartz IV.«…“ Artikel von Hans-Gerd Öfinger vom 21.10.2017 beim ND online externer Link
  • Freie Fahrt … warum?externer Link  ist eine Sammlung von Argumentationen für den Nulltarif im Nahverkehr, inklusive einiger örtlicher Machbarkeitsstudien von Darmstadt bis Berlin… Keineswegs neu, dennoch stets zu wiederholen…
  • Schwarzfahren muss endlich straffrei werden! Wer ohne Fahrschein erwischt wird, sollte „nur“ eine Geldbuße zahlen. Das „Erschleichen“ von Transportleistungen im Nahverkehr gehört entkriminalisiert.
    Es ist ein unschöner Moment, wenn als Passagiere getarnte Fahrkartenkontrolleure in Bussen und Bahnen zur Tat schreiten. Peinlich, wenn das Ticket fehlt. Mitfahrer tun diskret, aber klar: Einer oder eine ist oft dabei. Wer mit Vorsatz handelt, also ein echter Schwarzfahrer ist, macht sich sogar strafbar. „Erschleichen von Leistungen“ heißt der Tatbestand dazu, mit Haft bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht. Der christdemokratische Justizminister von Nordrhein-Westfalen will das Schwarzfahren jetzt entkriminalisieren. Sein grüner Berliner Amtskollege findet das gut, die Hauptstadt-SPD ist dagegen. Schade. Die Touristenmetropole könnte hier einen politischen Akzent setzen, der Millionen spart und die belastenden Begegnungen mit den Geldeintreibern entkrampfen könnte. Schwarzfahren soll dabei nicht erlaubt, sondern als Ordnungswidrigkeit gefasst werden. Der Unterschied: Es wäre dann ein rechtswidriges Fehlverhalten, dass Bußgeld kostet, jedoch kein kriminelles Unrecht mehr. (…) So sind die Verurteilungen wegen Schwarzfahrens ein Musterbeispiel dafür, wie Strafrecht vom Ergebnis her gedacht wird, statt sich streng nach Wortlaut und Gesetz zu richten. Dieses Ergebnis macht dann nichts besser. Wer die Geldstrafe nicht zahlen kann oder will, landet mit einer sogenannten Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis. Aktuell dürften einige hundert Schwarzfahrer bundesweit einsitzen. Teuer für den Steuerzahler, hoffnungslos für Inhaftierte…“ Kommentar von Jost Müller-Neuhof vom 05.10.2017 beim Tagesspiegel online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=122755
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