Tafeln und Vesperkirchen: Ökonomie des Mitleids stößt auf Kritik – auch in Stuttgart

Tafeln und Vertafelung„Tafeln und Vesperkirchen lindern Armut, aber bekämpfen sie nicht, sagen Sozialforscher und -arbeiter. In Stuttgart läuft noch bis nächsten Samstag die 23. Ausgabe der jährlichen Massenspeisung für Arme – doch das findet längst nicht jeder gut. Hermann Rupprecht macht Schluss. Endgültig. Am Dienstag legt der Vorstandsvorsitzende des Vereins Nürnberger Tafel sein Ehrenamt nieder. (…) Zuletzt fiel in der Vereinsversammlung sein Plan durch, ein Wohlfahrtsunternehmen als Träger ins Boot zu holen. Eine Mehrheit wollte, dass die Tafel rein ehrenamtlich bleibt. (…) 60 000 Freiwillige unterstützen mit Lebensmittelspenden bis zu 1,5 Millionen bedürftige Menschen, darunter viele Arbeitslose, Geringverdiener, Rentner, Alleinerziehende und Migranten. (…) „Die Tafeln sind ursprünglich angetreten, das Überflüssige zu verteilen. Diese pragmatische Idee haben sie schleichend ersetzt durch das Ziel, das Fehlende zu ersetzen“, erklärt Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen. Darin liege eine „systematisch eingebaute Überforderung“, die sich auch in der Nürnberger Tafelkrise zeige. Mit anderen Worten: Die Tafeln fressen das Ehrenamt auf. (…) Der Staat müsse die Grundsicherung endlich armutsfest ausgestalten, unterlasse dies aber auch deshalb, weil er auf die Nothilfe der Mitleidsökonomie zählen könne. Knecht: „Wenn jemand mittellos im Jobcenter steht, dann kriegt er zu hören, er könne ja zur Tafel gehen oder in die Vesperkirche.“ Beitrag von Willi Reiners vom 25. Februar 2017 bei den Stuttgarter Nachrichten online externer Link. Wir finden diesen Beitrag sehr wichtig, wobei ein häufiges Argument uns schon besonders nervt: Das Argument, es würde ja niemand hungern müssen, weil er nur die Angebote der Mitleidsökonomie in Anspruch nehmen müsste; wer das ablehnt, sei schlicht zu anspruchsvoll…

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