Rechte identitäre Sozialpolitik: Mobilisierungsfaktor?

[Broschüre] DGB gegen rechte ArgumenteSoziale Bewegungen sind nicht per se fortschrittlich. Bewegungen der politischen Rechten, von Nationalsozialisten bis zu religiösen Fanatikern, standen hinter einigen der verheerendsten und ungeheuerlichsten politischen Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts. Gegenwärtig sind rechte Bewegungen erneut im Aufwind, häufig im Schulterschluss mit rechten Regierungen. Der Umstand, dass soziale Bewegungen destruktiv sein können und selbst in rechten Bewegungen mitunter Verweise auf Befreiungskämpfe aufscheinen, sollte uns jedoch nicht dazu verleiten, der Politik sozialer Bewegungen grundsätzlich zu misstrauen oder etwa der Behauptung aufzusitzen, da träfen sich irgendwie die radikale Linke und die radikale Rechte. Tatsächlich zeigen sich in rechten politischen Bewegungen mitunter Momente von Befreiungsbewegungen, doch wie in einem Zerrspiegel, der die Proportionen verkehrt, so dass beispielsweise Identität alles beherrscht und Demokratie nur noch eine untergeordnete oder gar keine Rolle mehr spielt. So zieht sich das Bemühen, eine vermeintliche Identität und „Einheit des Volkes“ zu erretten und wiederherzustellen, wie ein roter Faden durch die große Bandbreite heutiger rechter Bewegungen, von religiösen bis zu säkularen Gruppen, von den xenophobischen Bewegungen in Europa bis zur US-amerikanischen Tea Party und vom Daesch [dem sogenannten Islamischen Staat, d. Red.] bis zu antimuslimischen Bewegungen in Südasien…“ – so beginnt der ausführliche Beitrag „Der schwarze Spiegel: Soziale Bewegungen von rechts von Antonio Negri und Michael Hardt in der Ausgabe Juni 2018 der Blätter für Deutsche und Internationale Politik externer Link, der sich mit verschiedensten Aspekten und Erscheinungsformen des rechten Aufschwungs in verschiedensten Regionen der Welt befasst und in jedem Fall lesenswert ist, auch für all jene, die da Diskussionsbedarf anmelden mögen, auch mit der Schlussfolgerung: „Wenn rechte Bewegungen sich häufig in ihren Strukturen und Handlungsweisen an Befreiungsbewegungen anlehnen, so sind daraus Lehren zu ziehen. Angesichts des Bildes in diesem schwarzen Spiegel sollten Befreiungsbewegungen verstehen, dass sie erstens eine antagonistische Politik verfolgen müssen. Emanzipatorische Bewegungen dürfen sich keinesfalls dazu hergeben, die Macht der Herrschenden zu festigen oder die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung überkommener gesellschaftlicher Hierarchien mitzutragen. In ihrem Handeln müssen sie selbstständig sein, die Ordnung stören und die Auseinandersetzung suchen…“ Siehe dazu auch die Erinnerung an einen älteren Beitrag:

  • „Klassische Antifakonzepte sind für faschistische Bewegungen wie PEGIDA & AfD ungeeignet“ von Dietmar Wolf im telegraph externer Link war ein ausführlicher Bericht über eine ostdeutsche Antifa-Tagung am 1. und 2. Dezember 2017 in Potsdam, in dem unter vielem anderen hervor gehoben wurde: „In diesem Zusammenhang kam der Einwand aus der Runde, dass bei zum Teil 46 Prozent AfD in Sachsen, nicht mehr von der Mitte der Gesellschaft gesprochen werden könne. Das greife viel zu kurz. Außerdem kann nicht gesagt werden, dass es alles Nazis seien. Folglich muss viel analytischer gefragt werden: Was ist denn da los? Und was die gesamte Linke und mit ihr die Antifa-Zusammenhänge selbst in der Vergangenheit falsch gemacht haben. Als eine mögliche Antwort auf die Frage, was in der Vergangenheit falsch gemacht wurde, bezog sich eine Diskussionsbeitrag und auf die AktivistInnen in Thüringen. So sei es tatsächlich seit langem versäumt, vermieden und verlernt worden, eine gesellschaftliche, antikapitalistische Kritik von Links zu formulieren bzw. wurde es zu Gunsten des kleinsten gemeinsamen Nenners vermieden. Eine andere Person bezog sich kritisch auf den so genannten Antifa-Sommer (Aufstand der Anständigen). Dieser sei, so die geäußerte Meinung, der Genickbruch für eine linksradikale antifaschistische Bewegung mit Klassenkritik und Standpunkt, zu Gunsten einer verbürgerlichten, zivilgesellschaftlich eingebetteten NGO-Antifa, mit Staatskohle und Minimal-Konsens: „Schöner leben ohne Nazis“. Diese hätten sich unnötig von „staatlicher Finanzierung“ abhängig und erpressbar gemacht und die eigene Unabhängigkeit einer scheinbaren finanziellen Sicherheit geopfert. Und letztendlich würden diese Gruppen und Initiativen aus Angst vor ökonomischen Sanktionen, die eigenen Positionen aufgeben oder verwässern. Interessant sind hierbei unübersehbare Parallelen zu den 1990er Jahren, als viele linke Projekte, besonders im Osten, auf Gedeih und Verderb den Verlockungen einer staatlichen Finanzierung durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) erlagen. Dadurch begaben sich die Projekte in eine ökonomische Abhängigkeit, die vielen von ihnen die Existenz kostete, spätestens nach dem diese ABM durch den Staat beendet wurden…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136944
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