Eine vor sich hin scheiternde Wohnungspolitik – und wie sie ein Ende finden kann

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 8.1.2019 – wir danken!

mietendemo_frankfurt_20.10.208Zwar wettert der OB Reiter von München bei den Mieten gegen Berlin: Die haben keine Ahnung von den Mieten in einer Großstadt. Und die Berliner finden Enteignung der Großvermieter eine angemessene Antwort auf diese Misere. (https://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.neues-zur-grundsteuer-unverstaendnis-ob-reiter-tobt-wegen-scholz-plan.88a28715-bee5-42f0-925d-512198fada13.html externer Link) Die Berliner gehen aber noch deutlich weiter, als nur auf die Regierung zu schimpfen, sie finden – fast 55 Prozent! -, dass Grossvermieter gegen eine Entschädigung enteignet werden müssten. (https://www.tagesspiegel.de/berlin/grossvermieter-in-berlin-exklusive-umfrage-enteignung-liegt-im-trend/23837280.html externer Link)

Der Bundesfinanzminister Olaf Scholz dagegen – trotz seines Tatendrangs für „seine“ Kanzlerschaft – treibt die Mieten über das Finanzamt erst so richtig an, so als wollte er endlich allen Finanzhaien mit ihren Spekulationsgewinnen zu weiterem Profit ohne Reue – staatlich eifrig gestützt – verhelfen. (http://www.taz.de/!5555133/ externer Link)

Die TAZ hat sorgfältig recherchiert, wie Hauseigentümer, die einfach ihren Kosten entsprechend den Mietern günstig vermieten, vom Finanzamt – wenn sie nicht dem Drang nach Spekulationsgewinnen auf den Finanzmärkten bei Mietobjekten willfährig folgen wollen – der „Liebhaberei“ beschuldigt werden. Für das Finanzamt ist das Diktat der Finanzmärkte mit ihren steigenden Spekulationsgewinnen angesichts der horrend steigenden Bodenpreise vor allem in den Ballungsräumen eben in Deutschland anscheinend heilig – und so müssen also vom Finanzamt alle Frevler gegen das Spekulationsgebot auch noch finanziell bestraft werden.

Wie heftig sich auch die „vereinigten“ Sozialverbände dagegen zu wehren versuchen (https://www.mieterbund.de/presse/pressemeldung-detailansicht/article/46264-bezahlbarer-wohnraum-fuer-alle-statt-rendite-fuer-wenige.html externer Link), es scheint an dieser Groko einfach bloß abzuprallen.

Mietwucher leicht gemacht, titelte die TAZ noch (https://static.onleihe.de/content/taz/20190102/TAZ_20190102/vTAZ_20190102.pdf externer Link pdf).

Das Finanzamt unterstützt das Gewinnstreben von Miethaien – besser wohl nach exorbitanten Spekulationsgewinnen entsprechend den in den Ballungsräumen davon gallopierenden Grundstückspreisen.

Die Berliner dagegen halten gegen dieses bisherige staatliche Handeln der Spekulationsförderung eine Enteignung der Großvermieter für richtig (fast 55 Prozent der Berliner). (https://www.tagesspiegel.de/berlin/grossvermieter-in-berlin-exklusive-umfrage-enteignung-liegt-im-trend/23837280.html externer Link)

Wer dagegen billiger vermietet – entsprechend seinen bescheideneren Einkommenswünschen – den bestraft die Behörde (Finanzamt) – und bezichtigt ihn der bloßen „Liebhaberei“ – gegen die mit deutlichem finanziellen Druck das Finanzamt anzugehen habe. (http://www.taz.de/!5555133/ externer Link)

Mietpreisbremse als bloßer Fake der GroKo?

So wurde zunächst festgestellt, dass die Mietpreisbremse nicht die Verteuerung der Mieten „bremse“. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mieten-seit-einfuehrung-der-mietpreisbremse-steigen-mieten-staerker-als-zuvor-1.3514985 externer Link) Trotzdem setzen mitten in der Wohnraumkrise marktradikale Ideologen noch einmal auf das falsche Pferd. (https://www.labournet.de/?p=136596 externer Link)

Es kann jedoch nur einen Ausweg aus dieser – selbst gemachten – Wohnungskrise mit weniger Wohnungen bei steigenden Mieten geben: ein Durchbrechen dieses Teufelskreises. Dafür brauchen wir eine schärfere – d.h. wirksame – Mietpreisbremse sowie endlich mehr, sozialen, öffentlichen, genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungsbau.

Nur der Wähler denkt radikaler – und plädiert für Enteignung. (https://www.tagesspiegel.de/berlin/grossvermieter-in-berlin-exklusive-umfrage-enteignung-liegt-im-trend/23837280.html externer Link)

Das ganze Elend der Wohnungspolitik in Deutschland wird aber auch vor dem Hintergrund der lange strikt geübten Privatisierungspolitik des gemeinnützigen sozialen Wohnungsbaus in Deutschland klar – das zeigt der Vergleich z.B. mit Wien:

Sind die Wiener Sozialdemokraten aus anderem Holz als die deutschen geschnitzt?

Das Beispiel Wohnungspolitik: Während die deutschen dem freien Markt huldigten – und die zunächst sozial gebundenen Wohnungen „fröhlich“ verscherbelten, haben die Wiener dieser Ideologie nie so recht geglaubt – und den öffentlichen Wohnungsbau erhalten und noch weiter wieder ausgebaut. (https://www.deutschlandfunk.de/wiener-wohnungspolitik-modell-fuer-soziale-nachhaltigkeit.911.de.html?dram:article_id=333637 externer Link)

In Wien hatten sie grundsätzlich begriffen, dass öffentliche Kontrolle über Grund und Boden die Spekulation verhindern soll. (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5555462&s=Ralf%2BLeonhard&SuchRahmen=Print/ externer Link) So entwickelte sich in Wien – ohne diese ideologischen politik-zerbröselnden „Schwankungen“ – eine seit 1919 durchgehend ungebrochene Tradition von gefördertem Wohnungsbau.

Und damals galt das als Pionierleistung, denn auf die lange schwelende Krise der modernen Großstadt antworteten Künstler und Architekt mit einem radikalen Konzept, schreibt der Zeithistoriker Siegfried Mattl beim „Kampf um die Stadt“ (Wien Museum): „Die Stadt müsse neu und nach dem Gesichtspunkt elementarer Bedürfnisse der Menschen gebaut werden“. (http://www.gbv.de/dms/mpib-toc/767527402.pdf externer Link pdf)

Anders als die sozialistischen Plattenbauten im späteren Ostblock stellten die kommunalen Wohnkomplexe einen hohen Anspruch an Lebensqualität und architektonischer Ästhetik.

Und als in den 1990-er Jahren der kommunale Wohnungsbau europaweit unter Beschuss kam und die Privatisierung öffentlichen Eigentums als letzter Schrei der Modernisierung galt,, haben die Wiener Sozialdemokraten diesen „Schmarrn“ (= katastropalen Fehler) einfach nicht mitgemacht – und den preislich reglementierten Wohnungsbestand verkauft. (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5555462&s=Ralf%2BLeonhard&SuchRahmen=Print/ externer Link)

Und dank dieses Weitblicks der Wiener Sozialdemokraten gilt heute Wien als die lebenswerteste Stadt der Welt. (https://ze.tt/wien-ist-die-lebenswerteste-stadt-der-welt-ein-liebesbrief/ externer Link) Selbst wenn das nicht jede/ jeder so erkennt.

Einschränkungen durch die neue Bauordnung für den freien Markt sind zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens und leistbaren Wohnraums zu billigen.

Und da sich selbst in Wien das Verhältnis von frei finanzierten Wohnungen zu den preislich regulierten inzwischen verschoben hat – verstärkt durch die Finanzkrise -, wurde vom Wiener Stadtrat im letzten November ein neue Bauordnung beschlossen, die Wien weiterhin vor dem deutschen Schicksal bewahren soll. (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5555462&s=Ralf%2BLeonhard&SuchRahmen=Print/ externer Link)

Auch wenn die konservative ÖVP dagegen Sturm läuft und diese neue Bauordnung als unzulässigen Eingriff in den freien Markt abqualifiziert, bleiben die Grünen und die SPÖ zuversichtlich. Und der österreichische Verfassungsgerichtshof hatte schon früher geurteilt, dass „zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens und leistbaren Wohnraums maßvolle Eingriffe gerechtfertigt“ sind.

Bei gewissen kleinen Schwächen dieser Regelungen bleiben sie dennoch unverzichtbar für die Lebensqualität Wiens, die in Deutschlands Großstädten abhanden gekommen ist:

Die Wohnkosten in Deutschland dagegen verschärfen weiter die Ungleichheit.

DGB: Wohnkosten verschärfen die Ungleichheit – zeigt eine Studie der Humboldt-Universität in Berlin in Kooperation mit dem University Center in London (http://www.dgb.de/themen/++co++58ad6c06-dde2-11e8-b3c2-52540088cada externer Link) … und die Forscher waren selbst überrascht, in welchem Ausmaß sich das vollzogen hat. (Siehe auch im Tagesspiegel: https://www.tagesspiegel.de/politik/studie-der-humboldt-universitaet-berlin-steigende-mietkosten-verstaerken-ungleichheit/23216720.html externer Link und zur Studie der Humbold-Universität selbst (auf englisch): https://www.wiwi.hu-berlin.de/de/professuren/vwl/oe/research/publications/inequality_and_housing.pdf externer Link pdf)

In Deutschland der Bodenspekulation Einhalt gebieten durch eine Bodenwertsteuer

Aber die Politik in Deutschland scheut sich noch der seit der Finanzkrise besonders grassierenden Bodenspekulation Einhalt zu gebieten durch eine Bodenwertsteuer. (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/immobilien/bodenwertsteuer-spekulation-den-boden-entziehen/19911384.html externer Link)

Allein die Bodenspekulation stellt eine gewaltige Umverteilungsmaschine dar. (https://www.heise.de/tp/features/Der-Boden-stellt-eine-gigantische-Umverteilungsmaschinerie-dar-3778718.html externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=142415
nach oben