An und für sich. Wie steht es mit dem Klassenbewusstsein der Lohnabhängigen? Widerspruchserfahrungen und Gesellschaftsbilder im Kapitalismus

Banner mit der Aufschrift "Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft"Auf den ersten Blick scheint es mit dem Klassenbewusstsein der Lohnabhängigen in der Bundesrepublik nicht gut bestellt zu sein. Trotz gravierender sozialpolitischer Einschnitte, trotz wachsender Verunsicherungen aufgrund permanenter »Umstrukturierungen« in den Betrieben und der destruktiven Wirkung des Hartz-IV-Systems, aber auch angesichts der erheblichen und wenig vorteilhaften Veränderungen in der Arbeitswelt durch die zunehmende Dominanz der Computertechnologie, ist von angemessenen (Widerstands-)Reaktionen der abhängig Beschäftigten nicht viel zu sehen. Aber es gibt bemerkenswerte Ausnahmen: Auch in den vergangenen Jahren wurde mit Nachdruck gestreikt, jedoch nicht, wie in den Dekaden zuvor in den industriellen Großbetrieben, sondern insbesondere in den »Dienstleistungsbereichen«. Als konfliktbereit erwiesen sich die Beschäftigten in jenen Zonen der Arbeitswelt, die einem hohen Privatisierungsdruck ausgesetzt sind. (…) Ein an den eigenen Interessen orientiertes Handeln, das unter den Lohnabhängigen das Klassenbewusstsein stimuliert, ist mithin zwar die Ausnahme. Aber das bedeutet nicht, dass in deren Gesellschaftsbildern die soziale Widerspruchsentwicklung keine Spuren hinterlassen würde und auch nicht, dass Arbeiterbewusstsein als durch und durch angepasstes angesehen werden muss. (…) Die alltägliche Erfahrung des strukturellen Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit wirkt also nachhaltiger als mögliche Negativerfahrungen infolge der Binnendifferenzierungen der Lohnabhängigenklasse, beispielsweise durch die Trennung von »Kern-« und »Randbelegschaften«. (…) Dass Handlungsfähigkeit in den Großbetrieben erwachsen kann, ist auch dem Kapital immer bewusst gewesen. Einem Teil der betrieblichen Umgestaltungen (beispielsweise den Auslagerungen) in den letzten Jahrzehnten lag immer auch die Absicht zugrunde, die Entwicklung konfliktfähiger Belegschaften zu verhindern oder zu erschweren.“ Artikel von Werner Seppmann in der jungen Welt vom 12.10.2017 externer Link

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