[Soz-Debatte] Auf absehbare Zeit gibt es keine Alternative zu den DGB-Gewerkschaften. Die Musik spielt da, wo die Masse der Kolleginnen und Kollegen Gewerkschaft sieht

Dossier

Gewerkschafter: Nicht Arschkriecher, sondern Arschtreter!Für viele, die das herrschende System als hinfällig betrachten (oder es gar bekämpfen wollen), ist es alles andere als selbstverständlich, sich dafür auch in einer Gewerkschaft zu organisieren. Und wenn ja, wieso dann in einer DGB-Gewerkschaft, wo doch der DGB nun wirklich nicht systemoppositionell ist? Nicht nur mit Kamingesprächen bei der Kanzlerin, sondern vor allem mit ihrer konkreten Politik gegenüber Kapital und Staat (von der gewerkschaftlichen Tarifpolitik bis zur Gesellschaftspolitik) wirken die DGB-Gewerkschaften als uneingeschränkte Unterstützerinnen der herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Mit dieser Feststellung ist aber noch längst nicht das Wesen einer Gewerkschaft voll erfasst und erst recht nicht, welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben. (…) Welche gewerkschaftspolitische Strategie mittel- und langfristig erfolgversprechend ist, muss danach beurteilt werden, wo und wie die größtmögliche Zahl von Kollegen zu mehr Eigenaktivität und zur kollektiven – wirksamen – Verteidigung von Klasseninteressen bewegt werden kann. Beim gegenwärtigen Stand der Gewerkschaftslandschaft in Deutschland, beim gegenwärtigen Stand des allgemeinen (sehr beschränkten) Klassenbewussteins und bei der Schwäche gewerkschaftlich orientierter, systemoppositioneller Kräfte haben Abspaltungen von DGB-Gewerkschaften auf absehbare Zeit keine Chance, sich wirksam zu etablieren…“ Artikel von Jakob Schäfer in der Soz Nr. 05/2016 externer Link. Siehe nun Erwiderungen zur Debatte:

  • Gewerkschaftliche Organisierung ist eine klassenpolitische FrageNew
    „Zu meinen Ausführungen in der Mai-Ausgabe der SoZ hat sich eine kleine Debatte entwickelt (…), auf die ich nachstehend eingehen will. Peter Nowak und Willi Hajek führen in ihren Beiträgen eine ganze Reihe von Beispielen der Selbstorganisierung bzw. der Unterstützung von Kämpfen seitens kleiner Gewerkschaften an. Diese Aktivitäten können wir gemeinsam und vorbehaltlos als positiv und ermutigend bezeichnen. Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, ob es angesichts der sozialpartnerschaftlichen Politik der DGB-Gewerkschaften politisch sinnvoll ist, neue Gewerkschaften ins Leben zu rufen oder sich auf existierende Kleingewerkschaften zu orientieren. (…) Der beste Ansatz für dieses langfristige Ziel ist die Förderung innergewerkschaftlicher (und gewerkschaftsübergreifender) Vernetzung von kritischen und klassenbewussten Kräften, damit mittel- bis langfristig eine klassenkämpferische Tendenz in den Gewerkschaften aufgebaut werden kann. Das strategische Ziel muss allerdings bleiben, vor allem die Massengewerkschaften von Grund auf umzukrempeln, politisch, personell und organisatorisch.“ Debattenbeitrag von Jakob Schäfer in der Soz Nr. 10/2016 externer Link
  • Organisierung im großen Haufen als Voraussetzung für Widerstand
    „… Soll man in eine Organisation eintreten, deren Ziele man nicht vertritt? Diese Frage stellt die Zeitung an Linke. Kollegen in den Betrieben stellen sich diese Frage gar nicht. Sie stellen sich die Frage: Was nützt mir der Eintritt in die Gewerkschaft? Sie versprechen sich besseren Schutz, Streikgeld. Viele dieser neu Eintretenden haben sozialpartnerschaftliche Vorstellungen im Kopf wie ihre Gewerkschaftsführungen! Allerdings mit einem Unterschied: Für die Führungen ist die Sozialpartnerschaft mit Kapital und Staat etwas Wesentliches, diese Ideologie ist so fest in ihren Köpfen, dass sie sie mit ins Grab nehmen. Es ist die ideologische Grundlage ihrer Macht. Die Kollegen müssen ihre Erfahrungen in und mit den DGB-Gewerkschaften machen. Das ist notwendig, weil sie damit ihre Vereinzelung aufheben, ein Kollektiv bilden und somit die Voraussetzung für Widerstand und Kampf – allerdings unter dem Einfluss und sogar unter der Führung von sozialpartnerschaftlichen Vorständen. Aber durch dieses Tal des Leidens und der Enttäuschungen, das ihnen mit diesen sozialdemokratischen Apparaten und Führungen bevorsteht, müssen sie durch. Wenn sie ihre Interessen durchsetzen wollen, nehmen sie nicht nur den Kampf gegen ihre Kapitalisten auf, sondern auch gegen deren Sozialpartner. Diese Verhältnisse werden im gewerkschaftlichen Alltagsablauf nicht deutlich, aber immer dann, wenn Widerstand und Abwehr entsteht. Dann lernen die Kollegen, sich von ihren Führungen zu emanzipieren und Selbstbewusstsein zu erlangen. Und dass die Gewerkschaftsapparate Organe sind, die nicht nur von ihnen finanziert werden, sondern auch ihre Interessen durchzusetzen haben…“ Debattenbeitrag von Dieter Wegner in der SoZ 09/2016 externer Link
  • Vieles findet außerhalb des DGB statt: Muss man sich im DGB organisieren?
    „Ohne die DGB-Gewerkschaften geht in der nahen Zukunft nichts, meint Jakob Schäfer in der Mai-Ausgabe der SoZ. Ich denke aber eher: Individuelle und kollektive Initiativen sind jeden Tag mehr gefordert, entschlossenes und mutiges gewerkschaftliches Handeln wird gebraucht, und vor allem keine Angst vor legitimen Aktionen, die auch nicht immer legal und ordentlich sein müssen. Schauen wir nach France. Blockaden werden in keiner Verfassung und auch nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch erlaubt, aber was tun, wenn Lohnarbeitende, wenige oder viele, ihr Grundrecht auf Streik wahrnehmen und durch ihre Streikketten und Streikposten im Land Benzinknappheit provozieren? Ich denke eher, wir müssen unseren Blick dafür schärfen, was sich in der gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Landschaft real tut. (…) Aufgabe gerade von SoZ, express und anderen Zeitungen ist es doch, diese emanzipativen Vorgänge in der gewerkschaftlichen Landschaft zu entdecken, aufzuspüren und sichtbar zu machen, ohne jede organisatorische Voreingenommenheit. Mit diesem Öffentlichwerden können wir dann auch voneinander lernen, uns kritisch auseinandersetzen und Vorstellungen von emanzipativen, basisgewerkschaftlichen Praktiken entwickeln und erfinden. Denn emanzipatives, gewerkschaftliches und gesellschaftliches Handeln und Denken muss alltäglich neu erfunden werden.“ Eine Antwort von Willi Hajek in Soz Nr.07/2016 auf den Beitrag von Jakob Schäfer externer Link
  • Im prekären Sektor gibt es eine Alternative zum DGB
    „… Es ist erfreulich, dass die SoZ eine Debatte über die linke Bewegung und Gewerkschaften initiiert hat. Schließlich wächst auch in Teilen der außerparlamentarischen Linken die Erkenntnis, dass Gewerkschaften für eine Transformation der Gesellschaft unverzichtbar sind. Ein Teil vor allem der postautonomen Linken arbeitet in unterschiedlichen DGB-Gewerkschaften mit. Weil ein Großteil der außerparlamentarisch Aktiven im Bildungs-, Erziehungs-, Gesundheits- und Pflegebereich arbeitet, konzentriert sich ihr gewerkschaftliches Engagement auf die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und die GEW. Mittlerweile setzt ein Teil davon die durch das politische Engagement erworbenen Kenntnisse beruflich als Organizer in Gewerkschaften ein. Vereinzelt gibt es auch schon hauptberufliche Gewerkschaftssekretäre aus der außerparlamentarischen Linken. Ein anderer Teil der an gewerkschaftlichen Aktivitäten interessierten außerparlamentarischen Linken sieht hingegen diese Mitarbeit in DGB-Gewerkschaften kritisch. Sie verweist auf Erfahrungen aus der Gewerkschaftsgeschichte, wo immer wieder Impulse aus kritischen Bewegungen in die Gewerkschaftsapparate integriert wurden und wenige Konsequenzen für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik hatten. (…) Vor allem im prekären Sektor haben sich auch in Deutschland basisgewerkschaftliche Ansätze als kampf- und streikfähig erwiesen und damit bewiesen, dass sie dort eine Alternative zum DGB sein können.“ Anmerkungen von Peter Nowak in Soz Nr.07/2016 externer Link ebenfalls zu dem Beitrag von Jakob Schäfer
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