Gemeinsam gegen Union Busting: Möglichkeiten der politischen, medialen und juristischen Gegenwehr im Betrieb

Rote Hilfe Zeitung 3/3016 mit dem Schwerpunkt "Union Busting"Gegen Union-Busting-Attacken gibt es keine Allheilmittel. In den ersten Auseinandersetzungen mit systematischen Mobbing-Strategien gegen aktive Gewerkschafter/innen und Betriebsrät/innen konnten allerdings ein paar Erfahrungswerte gesammelt werden, die eine Diskussion über die adäquate Gegenwehr gegen diesen menschenverachtenden Managementansatz möglich machen. Mit diesem Beitrag soll eine Verteidigungsstrategie vorgeschlagen werden, die nicht in erster Linie auf eine juristische Gegenwehr und eine mediale Skandalisierung der Mobbing-Attacken setzt, sondern stattdessen auf eine betriebspolitische (Neu-)Legitimation der durch die Union-Busting-Kampagne in Frage gestellten Betriebsratsarbeit abzielt…“ Artikel von Daniel Weidmann (Rechtsanwalt in Berlin), erschienen in der Rote Hilfe Zeitung 3/3016 mit dem Schwerpunkt „Union Busting“ – wir danken! Siehe das Inhaltsverzeichnis der Rote Hilfe Zeitung 3/3016 externer Link. Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt und wir empfehlen wärmstens die Mitgliedschaft!

Gemeinsam gegen Union Busting
Möglichkeiten der politischen, medialen und juristischen Gegenwehr im Betrieb

 

Daniel Weidmann

Gegen Union-Busting-Attacken gibt es keine Allheilmittel. In den ersten Auseinandersetzungen mit systematischen Mobbing-Strategien gegen aktive Gewerkschafter/innen und Betriebsrät/innen konnten allerdings ein paar Erfahrungswerte gesammelt werden, die eine Diskussion über die adäquate Gegenwehr gegen diesen menschenverachtenden Managementansatz möglich machen. Mit diesem Beitrag soll eine Verteidigungsstrategie vorgeschlagen werden, die nicht in erster Linie auf eine juristische Gegenwehr und eine mediale Skandalisierung der Mobbing-Attacken setzt, sondern stattdessen auf eine betriebspolitische (Neu-)Legitimation der durch die Union-Busting-Kampagne in Frage gestellten Betriebsratsarbeit abzielt.

Keine Flucht in den Paragraphenwald

Keine Frage: In der Auseinandersetzung zwischen Belegschaft und Unternehmern kann sich das Betriebsverfassungsgesetz als starkes Schwert erweisen. Zur Abwehr von Union-Busting-Offensiven der Arbeitgeberseite ist es aber nur bedingt geeignet. Zwar bietet der gesetzlich geregelte Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder ebenso wie die Unterlassungsansprüche des Betriebsratsgremiums ein hohes Maß an Schutz gegen rechtswidriges Unternehmergebaren. Meist geht es den Jurist/innen, die die Arbeitgeberseite beraten, bei ihren Attacken gegen den Betriebsrat oder einzelne Mitglieder aber überhaupt nicht darum, juristische Siege gegen das Gremium zu erringen.

Ziel der Abmahnungs- und Kündigungsbreitseiten, die Union-Busting-Anwälte immer wieder auf Betriebsratsmitglieder abfeuern, ist allein die nervliche Zermürbung ihrer Gegner. Niederlagen vor Gericht und die damit verbundenen Kosten werden dabei billigend in Kauf genommen. Die juristische Gegenwehr gegen solche Attacken ist natürlich notwendig. Sie sollte aber nur ein Element von vielen bleiben und niemals den Kern der Abwehrstrategie gegen die Attacken der Unternehmerseite darstellen.

Vorsicht bei der Öffentlichkeitsarbeit

Als fast genauso tückisch erweist sich oft der Versuch, den Mobbing-Versuchen im Betrieb mit einer öffentlichen Skandalisierung des Unternehmers und seiner Attacken auf die gewählten Interessenvertreter/innen der Belegschaft zu begegnen. Hier muss ein schmaler Grat beschritten werden. Zwar ist es natürlich wichtig, Öffentlichkeit herzustellen und den Betroffenen deutlich zu machen, dass sie nicht allein sind. Alleine die Solidaritätsbekundungen der üblichen Verdächtigen aus den Reihen der Gewerkschaften und der Linkspartei helfen aber nur ein wenig dabei, die Mobbing-Angriffe im Betrieb abzustellen.

Gleichzeitig droht eine allzu schrille Skandalisierungskampagne, den Rest der Belegschaft (weiter) gegen die betroffenen Betriebsrats-Kolleg/innen aufzubringen. In mehr als einer Union-Busting-Situation haben Beschäftigte auf die Frage, warum sie sich aktiv gegen ihren Betriebsrat stellen, erklärt, sie seien es leid, „ständig an der Supermarktkasse auf ihre schlimmen Arbeitsbedingungen angesprochen zu werden“. Oft äußern sie die Hoffnung, mit dem Betriebsrat werde auch der ständige Konflikt im Betrieb verschwinden und das den eigenen Arbeitsplatz (gefühlt) gefährdende öffentliche Gerede endlich ein Ende finden.

Eine Stigmatisierung der Beschäftigten muss bei der Medienarbeit daher unbedingt vermieden werden. Außerdem sollte der Fokus der Unterstützungskampagne möglichst im unmittelbaren regionalen Umfeld des Betriebs liegen und Bündnispartner/innen einschließen, mit denen Linke sonst selten Politik machen –  hier schadet nämlich auch die Unterstützung durch Bürgermeister/innen und Pfarrer/innen nicht, ganz im Gegenteil. Außerdem sollte man schnell Kontakt zu anderen Betroffenen und Aktivist/innen herstellen – um Beispiel über das Netzwerk Aktion ./. Arbeitsunrecht.

Betriebliche Öffentlichkeit herstellen

Viel wichtiger als die Pressearbeit außerhalb des Betriebs ist es, im Betrieb eine öffentliche Debatte darüber zu führen, warum die Attacken der Unternehmerseite gegen den Betriebsrat gemeinsam abgewehrt werden müssen. Diese Debatte darf nicht abstrakt geführt werden. Die Aussage „Wir brauchen einen Betriebsrat“ allein wird nicht genügen, die passiven Teile der Belegschaft davon zu überzeugen, sich um den Betriebsrat zu versammeln und kollektiven Widerstand gegen die Unternehmeroffensive zu leisten.

Union-Busting-Methoden werden vor allem in Betrieben angewandt, die von prekären Beschäftigungsverhältnissen geprägt sind. Viele der Menschen, die in solchen Betrieben arbeiten, haben noch keine Erfahrungen mit kollektiven Aktionen, mit Gewerkschaftsarbeit oder Betriebsratswahlen sammeln können. Das Versprechen „mit Gewerkschaft und Betriebsrat geht es uns besser“ erweist sich aus Sicht vieler Beobachter/innen im Betrieb daher erst einmal als bloße Behauptung. Deshalb muss sich ein neu gewählter (oder bislang eher inaktiver) Betriebsrat gegenüber den Kolleg/innen erst einmal beweisen und konkret erklären, wie sich die Arbeitsbedingungen mit Hilfe eines Betriebsratsgremiums verbessern lassen. Nur so lässt sich herausarbeiten, dass der Angriff gegen ein Betriebsratsmitglied tatsächlich ein Angriff auf die demokratischen Rechte der gesamten Belegschaft ist.

In die Offensive!

Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Neue Betriebsratsgremien haben oft alle Hände voll damit zu tun, die Infrastruktur zu erkämpfen, die sie für ihre Interessenvertretungsarbeit brauchen, also etwa ein Büro, einen eigenen Computer und die nötigen Betriebsratsgrundschulungen durchzusetzen. Daneben bleibt nicht viel Zeit für offensive Mitbestimmungsprojekte. Gleichwohl sollte jedes Gremium alle irgendwie verfügbaren Ressourcen bereits möglichst früh in genau solche Projekte stecken und der Belegschaft damit beweisen, dass sich die Betriebsratswahl doch gelohnt hat.

Hierfür sollte der Betriebsrat sich unter all den Belastungen am Arbeitsplatz, unter denen die Belegschaft zu leiden hat, ein Problem aussuchen, dass sich mit den Bordmitteln des Betriebsverfassungsgesetzes angehen lässt. Dabei bietet sich grob skizziert die folgende Vorgehensweise an:

  1. Zunächst sollten die Aktiven im Betrieb den Rest der Belegschaft systematisch befragen und so herausarbeiten, worunter die Kolleg/innen in ihrem Arbeitsalltag am meisten leiden. Hierzu ist kein Methodenfeuerwerk von Nöten. Meist genügt eine ganz normale anonyme Fragebogenaktion, um ziemlich genau herauszuarbeiten, worüber die Belegschaft stöhnt.
  2. Dann wählt man unter den wichtigsten Belastungen das Thema aus, dem man mit den starken Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats begegnen, es also „gewinnen“ kann. In einem Pflegeheim könnten das zum Beispiel die häufigen Dienstplanänderungen sein, die den Pflege-Kolleg/innen ihre spärliche Freizeit ruinieren.
  3. Hat man ein „gewinnbares“ Thema identifiziert, eröffnet man den Kolleg/innen in einem Flugblatt, auf Betriebsversammlungen und in persönlichen Gesprächen, dass der Betriebsrat die Angelegenheit zu seiner „Chefsache“ macht und den Unternehmer zur Abhilfe auffordert.
  4. Parallel (nicht stattdessen!) zu dieser Öffentlichkeitsarbeit zwingt man den Unternehmer mit den juristischen Mitteln des Betriebsverfassungsgesetzes an den Verhandlungstisch.

Setzt der Kapitalist seine Angriffe auf die Mitglieder des Betriebsrats in einer solchen Situation fort, lässt sich der jüngst von der IG Metall recycelte Rote-Hilfe-Slogan „Betroffen ist einer, gemeint sind alle!“ praktisch belegen und den Kolleg/innen verdeutlichen, dass der Konflikt um den Betriebsrat in Wirklichkeit ein Konflikt um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der gesamten Belegschaft ist. Denn mit der konkreten Botschaft „er attackiert den Betriebsrat weil er nicht will, dass wir etwas gegen die Dienstplanänderungen tun“ können die Kolleg/innen viel mehr anfangen als mit der abstrakten Behauptung, ein Betriebsrat sei nun mal für alle besser.

Und wenn im Betrieb erst einmal eine breite politische Basis für offensive Mitbestimmungspolitik geschaffen wurde, spricht auch nichts mehr gegen eine Medienarbeit, die endlich die kriminellen Methoden der Unternehmer anprangert.

Der Autor arbeitet als Rechtsanwalt in Berlin.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=102963
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