Einmischung der IG Metall in den Betriebsrats-Wahlkampf zweier IG Metall-Listen im Berliner BMW-Werk

Artikel von Rainer Knirsch und Hans Köbrich vom 11.3.2014

IG Metall-Liste "Klare Linie" im Berliner BMW-WerkDiese Vorgeschichte muss man kennen: Es fing an mit dem „Fall BMW-Berlin“ – der ungesetzlichen Beeinflussung der Betriebsratswahl 1984 durch die BMW AG mit 19 kettenartigen Kündigungen gegen die drei Wahlanfechter, die bis zum Bundesarbeitsgericht – durch tausendfache Solidarität, auch mit Hilfe der IG Metall – ihre Rückkehr in den Betrieb und die Wiederholung der BR-Wahl 1987 erstritten. Seit über 25 Jahren gibt es daher im Berliner BMW-Motorradwerk zwei offizielle Betriebsratslisten der IG Metall: eine Liste für eher firmenorientierte, die andere für eine eher belegschaftsorientierte Interessenvertretung.

Die Polarisierung durch den Arbeitgeber hat zu zwei starken Strömungen in der Belegschaft geführt, und die IG Metall hat wegen dieser Widersprüchlichkeit im BMW-Werk seitdem zwei IG Metall-Listen autorisiert. Das steht im Widerspruch zum Vorgehen gegen alternative Betriebsratslisten wie z. B. bei Daimler Berlin, wo 2010 Ausschlussverfahren angestrengt wurden und die IG Metall-Kandidaten auf der Liste „Alternative“ Funktionsverbot erhielten. Im BMW-Werk hat es zu den BR-Wahlen solche Verfahren nicht gegeben. Das zeigt die organisationspolitische Möglichkeit zur Wahrung der Einheit bei Vielfalt, um spalterischem Vorgehen durch den Arbeitgeber zu begegnen. „Teile und herrsche“ wird so der Wind aus den Segeln genommen.

In den Jahren 1994 bis 2002 stellte die arbeitnehmerorientierte Liste sogar den Betriebsratsvorsitzenden, seit 2002 kam sie in die Minderheit, wurde aufgrund ihrer beständigen kritisch-sachlichen gewerkschaftlichen Betriebsratsarbeit 2006 und auch 2010 von einem Drittel der Belegschaft als „Klare Linie“, Liste der IG Metall, immer wiedergewählt. Aus den Wahlkämpfen im Betrieb zwischen beiden IG Metall-Listen hatte sich die Berliner IG Metall-Organisation bisher immer einigermaßen herausgehalten. Das hat sich jetzt offensichtlich geändert.

Der 2. Bevollmächtigte der Berliner IG Metall, Klaus Abel, hat betriebsöffentlich „Auf ein Wort“ ein Flugblatt „Danke, Volker Schmidt und seinem Betriebsratsteam“ herausgegeben . Was hier vordergründig wie ein formales Lob für den Vorsitzenden und das Betriebsrats-Gremium aussieht, ist in Wirklichkeit die indirekte Parteinahme für die Mehrheitsliste des BRV, für dessen Listen-Team, das mit diesem Flugblatt in der Belegschaft Reklame läuft.

Die Vertreterin der IG Metall-Liste „Klare Linie“, Ivonne Herrmann, protestierte denn auch am 6. März in einem Brief gegen diesen massiven Eingriff in den laufenden Wahlkampf, in dem „die betrieblichen Wähler gänzlich unverhohlen und gezielt dazu aufgefordert werden, wem sie ihre Stimme bei der Betriebsratswahl am 18. März geben sollen“, und resümiert: „Du hast mit Deinem Flugblatt unter den IGM-Mitgliedern im Werk eine Welle der Empörung ausgelöst und die Gewerkschaft im Betrieb in zwei Lager gespalten.“

Vorgeblich neutral zu agieren, entbehrt es nicht einer gewissen Scheinheiligkeit gegenüber der IG Metall-Liste „Klare Linie“, ihr höhnisch anmutend nun ebenfalls die Verwendung dieses Flugblattes zu empfehlen.

Dabei ignoriert der 2. Bevollmächtigte völlig, dass die Leiharbeit im Werk mit Zustimmung des Betriebsrats extrem ausgeweitet wurde auf über ein Drittel aller Beschäftigten. (Das Berliner BMW-Werk macht in der gerade gemeldeten hohen Leiharbeiterzahl im BMW-Konzern keine Ausnahme.) Von über 2.000 Wahlberechtigten – diesmal sind wieder 21 statt 19 BR-Mitglieder zu wählen – sind bis zu 700 Leiharbeiter. Unter den gerade mal 100 Einstellungen sind auch Externe und ca. 30 Auszubildende. Diese zählen auch zu den 200 IG Metall-Aufnahmen. Das ist eine ganze Menge. Und die Statistik neuer Mitglieder ist offensichtlich das Einzige, was für die IG Metall zählt. Dass diese meist aus ihrer Abhängigkeit in ihrem Leiharbeitsverhältnis und mit der Hoffnung auf einen festen Job „gewonnen“ wurden, wird übersehen. Wie nachhaltig diese Aufnahmen sind, wieviele inzwischen wieder ausgetreten sind, ist unklar. Über die Methoden der Mitgliedergewinnung – mit ungefähren Versprechungen einer Einstellung bei BMW und zu einem billigeren Beitrag als den satzungsgemäßen 1 Prozent vom Bruttolohn – gibt es im Werk kritische Stimmen unter den Vertrauensleuten.

Darüber zu diskutieren, wie in den früher stattfindenden regelmäßigen Vertrauensleute-Versammlungen, ist nicht mehr möglich, denn diese Sitzungen finden nicht mehr statt. Für den IG Metall-Bevollmächtigten ist es aber offenbar egal, dass die Gewerkschaftsarbeit im Berliner BMW-Werk vom BR-Vorsitzenden im Grunde beerdigt worden ist, dass die inhaltlichen gewerkschaftlichen Themen (die u. a. von der zweiten IG Metall-Liste „Klare Linie“ vertreten werden) überhaupt keine Rolle mehr spielen.

Dazu kommt, dass die getroffenen Arbeitszeitregelungen für die Belegschaft sich ausschließlich nach den „betrieblichen Erfordernissen“ richten, die Interessen der Beschäftigten und ihrer Familien dabei zweitrangig sind. Ständige Leistungsverdichtung, Hektik, Streß und Burn-out-Erkrankungen sind ein zentrales Thema im Betriebsratswahlkampf.

All dies relativiert die dreifachen Dankes-Bekundungen für den BR-Vorsitzenden und sein Team. Was treibt die Berliner IG Metall also zu dieser Schützenhilfe? Warum braucht der BR-Vorsitzende Volker Schmidt diese Unterstützung?

Bis jetzt ist es schlicht respektlos gegenüber den aktiven Metaller/innen der „Klaren Linie“, dem BR-Vorsitzenden und seiner Liste derart zu huldigen. Seit Jahren, über mehrere BR-Perioden, behinderte dieser mit seiner Mehrheit im Betriebsrat, zusammen mit BMW, die BR-Minderheit der „Klaren Linie“ bei der Ausübung ihrer BR-Tätigkeit. In mehreren Arbeitsgerichtsprozessen und Instanzen mussten sich die IG Metall-Betriebsräte der „Klaren Linie“ durch rechtskräftige Urteile die Gewährung ihrer Rechte aus der Betriebsverfassung erstreiten. Ob die Schikanen gegen die IG Metall-Betriebsräte der „Klaren Linie“ gewerkschaftsschädliches Verhalten bedeuten – dazu hat der 2. Bevollmächtigte betrieblich keine Position bezogen. Denn dann hätte es zu dieser „Danksagung“ – einer eher peinliche Lobhudelei – wohl nicht kommen können.

Soll hier nun versucht werden, eine widerständige IG Metall-Betriebsratsopposition vor Ort auszuschalten, um freie Hand zu haben für Vereinbarungen mit der BMW-Geschäftsleitung? Soll eine kritisch-sachliche IG Metall-Betriebsratsarbeit unterdrückt werden, zur „Ausrichtung“ der Betriebsratsposition im Automobilkonzern? Ob sich die IG Metall darüber im Klaren ist, wofür sie hier den Weg bereitet?

Wäre es nicht eigentlich Aufgabe der Gewerkschaft, auch öffentlich die Ansicht zu vertreten, dass IGM-Betriebsräte untereinander sich nicht die Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz streitig machen dürfen? Denn führt solch unkollegiales und undemokratisches Verhalten nicht zur Schwächung der Interessen der Arbeitnehmer insgesamt gegenüber dem Arbeitgeber? Und wird damit nicht Sinn und Zweck unserer Gewerkschaft in Frage gestellt?

Es ist zu wünschen, dass die Berliner Belegschaft dieses Wahl-Manöver erkennt und sich für eine „Klare Linie“ im Betriebsrat und auch in der IG Metall stark macht!

Rainer Knirsch und Hans Köbrich am 11.3.2014

Siehe dazu:

  • Das Flugblatt „Auf ein Wort“ : „Danke, Volker Schmidt und seinem Betriebsratsteam“ vom 2. Bevollmächtigten der Berliner IG Metall, Klaus Abel (ohne Datum)
  • Wahlprogramm „Für dich – mit dir. Gestalte deine Zukunft mit“, das Wahlprogramm von „Klare Linie“
    Am 14. März ist Betriebsversammlung und am 18. März die BR-Wahl im Werk. Wir werden berichten!

 

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=54911
nach oben