Der Super-Pragmatismus des DGB – und wie weiter? Der DGB in einer erstaunlichen Symbiose mit der herrschenden Politik

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 15.1.2013 (aktualisiert am 16.1.2013)

Der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linken, Michael Schlecht, hat angesichts der Einladungs“politik“ einer gewerkschaftlichen Klausurtagung des DGB am 15. und 16. Januar 2013 klar seine „Irritation“ ausgesprochen, mit welcher Auswahl von Politikern in diesem Zusammenhang der DGB zu sprechen bereit ist. (www.michael-schlecht-mdb.de/dgb-will-neue-ordnung-der-arbeit.html#more-3634 externer Link) Und er meint wohl durchaus zu recht,“dass die SPD und Grüne ein bisschen „links blinken“ ist Resultat der relativen Stärke der Partei „Die Linke“. Die wenigen fortschrittlichen Kräfte in SPD und bei den Grünen verdanken ihren Handlungsspielraum zu einem großen Teil der linken Konkurrenz“.
Wolfgang Lieb auf den Nachdenkseiten ist direkt erschüttert über diese rechtslastige Einladung des DGB an Merkel (CDU) und Steinbrück (SPD) – und am Rande noch Wilfried Kretschmann (Grüne): „Aber warum grenzt der DGB auch die Partei „Die Linke“ aus? Gibt es mit dieser Partei – in der auch noch viele aktive Gewerkschafter streiten -, wenn man nur einmal einige zentrale gewerkschaftliche Positionen nimmt, nicht mehr Übereinstimmumg als mit der CDU und ihrer Vorsitzenden. Man denke nur an die Forderung nach einem „Kurswechsel für Europa“ (vgl. zum Kurswechselkongress der IG Metall auch auf der Seite 6 ff. „Mittenhinein ein Kurswechselkongress der IG Metall“ bei https://www.labournet.de/?p=17959), an den Mindestlohn, an einen Stopp der Rente mit 67, an die Wiedreinführung einer Vermögenssteuer oder an eine Reform der Erbschaftssteuer, an die Bekämpfung des Niedriglohnsektors und der prekären Arbeit und und und…

Und so fährt Wolfgang Lieb fort: Wenn man die gewerkschaftlichen Positionen ernst nimmt, kann man doch sogar mehr sachliche Übereinstimmung mit der Linkspartei als mit der SPD feststellen, zumal wenn es um die Agenda-Politik geht, zu der sich Peer Steinbrück nahezu uneingeschränkt bekennt. (siehe: „Vorstandsklausur des DGB: Sieht so ein Kampf für einen „Kurswechsel“ aus?“: www.nachdenkseiten.de/?p=15811 externer Link – und zu Peer Steinbrück vgl. auch noch einmal „Keine Chance für den Wähler mit Peer Steinbrück das finanzkapitalistische System ungerechtfertigter Bereicherung hinter sich zu lassen“ auf der Seite 8 unten f. bei https://www.labournet.de/?p=17959)

DGB-Beschlusslage spricht eine andere Sprache

Und erstaunlich ist dies gerade auch, wenn man die Beschlusslage des DGB vor allem seit dem Dezember des letzten Jahres ansieht. Beim Fiskalpakt hatte der DGB Front gegen sämtliche Bundestagsparteien bezogen – wie CDU, SPD und Grüne bezogen, die diesem sozial so perspektivlosen Spardiktat-Paket zugestimmt hatten. (Vgl. „DGB: Warum der Fiskalpakt keine Lösung ist – Zehn Fragen zum Thema“ (http://www.dgb.de/themen/++co++2460f974-bacb-11e1-7bae-00188b4dc422 externer Link) auch wenn die 11. Frage, wie kann einem Crash der Rettungsschirme durch das für die „Südländer“ immer unbezahlbare Zinsniveau entronnen werden. (Vgl. „Eine elfte Frage zur Eurokrise: Ein Ende der Politik des Zeitkaufens im Interesse der Anleger“: http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl37.html)

Dank der Intervention der EZB konnte diese Befürchtung erstmal „nach hinten“ geschoben werden (vgl. dazu „Noch einmal kann die EZB die Märkte auf Zeit beruhigen“ auf der Seite 4 bei www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/zur-jahreswende-20122013-was-jetzt-auf-uns-wartet-es-wird-spannend-werden/).

Aber der DGB positionierte sich nicht nur „gegen“ das ökonomisch unsinnige Sparen mit einem Fiskalpakt, sondern die Gewerkschaften setzten sich auch noch für einen „Marshall-Plan für Europa“ – gerade im Rahmen des Kurswechsel-Kongresses der IG Metall ein. (vgl. dazu „Dann doch noch der DGB mit einem Marshall-Plan für Europa“ auf der Seite 10 bei https://www.labournet.de/?p=17959) – und auch für eine Neu-Regulierung des Arbeitsmarktes (vgl. dazu „Doch eine Neu-Regulierung des deutschen Arbeitsmarktes“ auf der Seite 1 unten bei http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html sowie „Auch eine Neuordnung des Arbeitsmarktes in Deutschland“ auf der Seite 11 bei https://www.labournet.de/?p=17959)

Die seltsame deutsche Symbiose der deutschen Gewerkschaften mit der Politik – Eine Sonderstellung im europäischen Konzert der Gewerkschaften

Und wenn man sich nun an dieser Stelle über diese so ekklatanten Widersprüch zwischen dem politischen Wollen der deutschen Gewerkschaften und ihrem dann faktischen politischen Handeln verwundert die Augen reibt (vgl. „DGB-Klausur : Das lila Band der Sympathie“ – Bei der Klausurtagung des DGB ist auch Kanzlerin Merkel zu Gast – sie und DGB-Chef Sommer sehen viele Gemeinsamkeiten: www.fr-online.de/politik/dgb-klausur-das-lila-band-der-sympathie,1472596,21470188.html externer Link), dann muss man sich die Konstellation der deutschen Gewerkschaften gegenüber der Politik – gerade auch als Sonderstellung im europäischen Konzert der Gewerkschaften verdeutlichen – da existiert nämlich einfach ein Strukturproblem: die deutschen Gewerkschaften haben gegenüber der Politik – ganz anders als die anderen europäischen Gewerkschaften – keine eigenverantwortliche Druck- und Durchsetzungsmöglichkeit.

Das politische Streikrecht ist zwar ein gelegentlich geäußerter Wunsch auch in Deutschland (vgl. dazu „Exportüberschuss und ein politischer Streik auch für Deutschland – dringend erforderlich“: http://archiv.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/erfahrung/polstreik_bahl.html), aber es hängt bisher noch in den Sternen – und auch hier ist von der Politik betsimmt keine Unterstützung zu erwarten, denn nachdem es politisch gelungen ist – gerade auch mit dem sog. Arbeitsmarktreformen -,den Flächentarifvertrag immer mehr zur Seite zu schieben, kann man kaum jetzt auf eine Abhilfe von dieser Seite hoffen – und so bleiben die Löhne in Deutschland erst einmal ohne Untergrenze – mit allen „prekären“ folgen. (vgl. dazu „Tarifbindung in Deutschland – wo ist sie geblieben?“: http://archiv.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/tarifpolitik/tarifbindung_bahl.html)

Und bedauerlicherweise haben die deutschen Gewerkschaften vor der großen europaweiten Mobilisierung der Gewerkschaften – außer dem ewigen Streiter für dieses Thema, Oskar Lafontaine, – es nicht verstanden den politischen Streik auch für Deutschland auf die Agenda zu setzen. (vgl. dazu „Einen Generalstreik in Europa auch für Deutschland – ein zentrales Thema vor diesem 14. November (2012): http://archiv.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/erfahrung/polstreik_bahl2.html)

So blieb Europa „vaterländisch gespalten“, wie das Arno Klönne ironisch glossierte. Auch wenn es im Europäischen Gewerkschaftsbund schon einen kleinen Fortschritt gab, weil die Generalsekretärin des EGB, Bernadette Segol, eine kleine Positionsänderung vornahm: „Wenn der Streik das einzige Mittel ist, sich (erg. bei der Politik) Gehör zu verschaffen, dann braucht ganz Europa Streiks.“

Nur Europa – d.h. konkret die Eurozone (= unter dem Dach der gemeinsamen Währung!) – ist ja nicht nur vaterländisch gespalten, sondern auch in der sozialen und ökonomischen Entwicklung. Oder wie die FR es ausdrückte: „Da fällt auseinander, was zusammengehört“ (www.fr-online.de/wirtschaft/eurokrise-die-finanzielle-spaltung-europas,1472780,21414854.html externer Link). Und die Süddeutsche titelt am letzten Tag der DGB-Klausur: „Europa leidet – Deutschland gewinnt“ – Trotz der Krise erzielen Bund, Länder und Gemeinden 2012 erstmals wieder einen Haushaltsüberschuss. Finanzminister Schäuble kann die Vorgaben der Schuldenbremse früher als erwartet erfüllen. (Titelseite der SZ vom 16. Januar 2013 = nicht im Netz)

So bleibt der DGB in seiner „Schwäche“ superpragmatisch

Mit dieser Sonderstellung des DGB und seiner Gewerkschaften in Europa bleibt er auf die Kooperation mit den jeweiligen politischen Mehrheiten angewiesen. Und wie die Stimmung in Deutschland – mit einer eindeutigen Vorrangstellung der amtierenden Kanzlerin – derzeit vor den Wahlen aussieht, erscheint es den Gewerkschaften wohl geraten sich die Verhandlungsmöglichkeiten mit einer zukünftigen – Großen-Koalitions-? – Regierung aufrechterhalten zu wollen. Und so meint wohl der DGB, es auch seinen – auch zu dieser Merkelmehrheit gehörenden – Mitgliedern gegenüber schuldig zu sein, (vgl dazu auch noch einmal ausführlich bei „Die Krise einfach umgedeutet“ – vor allem ab dem Abschnitt „Und so konnte auch in den USA die Finanzkrise zur Staatskrise gemacht werden“ ab der Seite 3 ff. bei http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl42.html – sowie vor allem weiter den Abschnitt „Und die Arbeiter.. weit jenseits des „Bewußtseins“ der Gewerkschaften“ mit den folgenden Abschnitten auf der Seite 5 und nicht zuletzt den Abschnitt „Die gewerkschaftliche Diskussion musste so wohl rein defensiv bleiben – und es gelang (noch) nicht zu einer „anderen Erzählung“ vorzudringen“ auf der Seite 6 f. – und des weiteren auch noch den Abschnitt „Wie lange glauben die Deutschen ihre Mythen über die Krise“ auf der Seite 5 unten bei www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/zur-jahreswende-20122013-was-jetzt-auf-uns-wartet-es-wird-spannend-werden/), auch in einer solchen politischen Konstellation noch etwas politische Handlungsfähigkeit sich erhalten zu müssen – wenn ein Großteil der Gewerkschafter mit der Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin der falschen Erzählung „treu“ bleibt – und dem DGB auch nicht wie in den anderen europäischen Ländern eine breite Mobilisierungs- und Erörterungsmöglichkeit während eines politischen Streiks bleibt.

Und wie sollte auch der normale Bürger aus dieser auch ökonomisch falschen Erzählung – bei momentan auch augenscheinlichen Vorteilen für Deutschland – aussteigen, wo ihm durch die Medien dieser „Spardiktats-Irrtum“ von IWF und Troika einfach vorenthalten wird, obwohl er von dem wackeren Olivier Blanchard in einer Studie ausführlich dargelegt wurde. (Vgl. „Der Irrtum der Euroretter und das Schweigen im Blätterwalde“ von Jens Berger bei www.nachdenkseiten.de/?p=15789 externer Link) Es fällt wohl „unseren“ Zeitungen enorm schwer, wenn sie jahrelang auf dem falschen Bein Hurra geschrieen haben, dies auch eingestehen zu können.

Angesichts dieser so augenscheinlichen aktuellen Einschätzung in den Gewerkschaften wird es natürlich schon fast zur demokratischen Pflicht, diese – zumindest längerfristige – Perspektivlosigkeit dieser Einschätzung „lauthals“ zu skandalisieren. Eine „Verschiebung“ zu dieser Einschätzung für die Wahlen ist ja noch möglich.

Umgekehrt bringt das weitere – auch gewerkschaftliche -Thematisieren der Defizite einer solch politisch sehr resignativen Haltung, doch noch weitere „Erweiterungen“ des Blickwinkels auch bei der SPD noch (vgl. die klare Ansprache der sozialen Not vor allem im Süden Europas neuerdings durch Peer Steinbrück in der „Welt“: „Die Situation in den Krisenländern Spanien, Griechenland, Italien und Portugal ist keineswegs besser geworden, sondern sie wird seit drei Jahren immer schlechter“ – siehe „Wenn Steinbrück jetzt noch einen, den entscheidenden Schritt wagt, ist er tatsächlich fähig zum Kanzler (www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=8059 externer Link)

Hier kann man ergänzen, dass jedoch „umgekehrt“ das ganze Engagement der Gewerkschafter in diesen Ländern mit (General-)Streiks die Lage zum Besseren zu wenden, schlicht und einfach für die Katz war. Ja, dass im Gegenteil die Gefahr besteht, dass damit auch ihre arbeitsrechtliche Stellung zum Schlechten weiter verändert wird.

Und jetzt wird es die Frage sein, ob dann DGB-Chef Michael Sommer bereit sein wird in einem für alle europäischen Gewerkschaften „perspektivischen“ Sinne die arbeitsrechtlichen Gespräche mit der Kanzlerin nutzen kann und wird (vgl dazu das Presse-Statement der Kanzlerin mit DGB-Sommer (www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2011/12/2011-12-13-merkel-sommer.html externer Link), wo gerade der „Austausch über gute Erfahrungen – zum Beispiel im Bereich des Arbeitsrechts“ – positiv hervorgehoben wurde.

Schlimmstes konnte doch immerhin – erst einmal – verhindert werden, als sie EU die Lohnspirale nach unten durch eine Lohnkoordinierung nicht nach volkswirtschaftlichen Kriterien, sondern nach betriebswirtschaftlicher Logik für die europäischen Gewerkschaften zu etablieren gewillt war (vgl. dazu den Abschnitt „… Das Lohndumping bleibt ein Element der EU“ auf der Seite 3 unten bei https://www.labournet.de/?p=17959)

Ein Trost bleiben die Gewerkschaftsmitglieder

Das Prinzip Einheitsgewerkschaft garantiert jedoch – diesseits politischer Aktivitäten der Gewerkschaftsspitzen – dass jede/r frei ist, sich politisch jenseits des betrieblichen Alltags zu engagieren. Und es gibt ja in allen Richtungen viele Beispiele, dass sich die Gewerkschafter durch derartige Spitzen-Aktivitäten überhaupt nicht festlegen lassen. Das reicht von den IG-Metallern in Baden-Würtemberg, die die heftigsten Arbeitskämpfe dieser Republik ausgefochten haben – z. B. für die 35-Stunden-Woche – und die dennoch in den Wahlen CDU wählten, bis hin zur Friedensbewegung, die stark zur Gründung z.B. der Grünen beitrug, und in der -obwohl auch damals die Gewerkschaftsspitzen sich für den Nato-Nachrüstungs-Beschluss unter Kanzler Schmidt (SPD) aussprachen, durch ihr lebhaftes Engagement zur Stärkung der Friedensbewegung und ihrer Groß-Demonstrationen beitrugen.

Und deshalb muss die inhaltlich orientierte Auseinandersetzung über Arbeitnehmer-Rechte und soziale Sackgassen den weiteren Schwerpunkt ausmachen, um diese heutige Einschätzung der Gewerkschaftsspitzen auf eine „Perspektive“ mit einer scheinlichen „Großen-Koalition“ noch bis zur Bundestagswahl dadurch konterkarriert werden, dass möglichst viele Gewerkschafter für eine „andere Erzählung zu Europa“ gewonnen werden können.

Der weitere Spielraum kann mit dem IMK verdeutlicht werden.

Als Beispiel fand ich gerade die Präsentation eines wissenschaftlichen Textes zur ökonomischen, konjunkturellen Entwicklung für die Eurozone diesbezüglich sehr interessant. In dem neuesten IMK-Report Nr. 79 „Inmitten der Krise des Euroraumes – Herausforderungen für die Wirtschaftspolitik 2013“ sind zwei Statements – von Gustav Horn und Andrew Watson „eingeblendet“, die ohne grundsätzlich „verschieden“ zu sein, doch eindeutig zwei unterschiedliche „Standpunkte“ einnehmen, von denen aus man diese Euro-Krise betrachten kann. (www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_79_2013.pdf externer Link pdf)

Während Gustav Horn sozusagen diese „Geschichte“ vom deutschen Standpunkt aus betrachtet (= wir kommen dank weiterhin guten Export-Chancen, weil die ökonomische Welt jenseits der Eurozone sich besser entwickelt, dieses Jahr relativ gut über die Runden) nimmt Andrew Watt den Blick auf die gesamte Eurozone ein – und kommt zu ziemlichen Problemen an Arbeitslosigkeit, zerstörender Austeritätspolitik etc. Durch diese beiden Blickwinkel – bzw. aus der Spanne zwischen ihnen – lässt sich die Euro-Krise für „jedermann/-frau recht gut verstehen: Wollen wir die Eurozone als Europäer „überlebensfähig“ machen – oder nur einfach als Deutsche einmal über die Runden kommen.
Dies wird dann noch durch ein drittes „Einsprengsel“ richtig ergänzt: wie auch Deutschland durch eine bessere Politik für die gesamte Eurozone wiederum profitieren könne. (www.nachdenkseiten.de/?p=15736#h02 externer Link)

Doch nur ein kleiner „Perspektivenwechsel“ in der Politik (mit dem IMK)

Dabei kann ich wieder zurückgreifen auf die bei „Times there are a-changin`“ eingangs gemachte These: Im Laufe der Zeit „schreitet“ auf der einen Seite nicht nur die Krise voran, sondern auf der anderen Seite auch die teilnehmenden Akteure versuchen ihre Interessennehmung jeweils wieder anzupassen. (https://www.labournet.de/?p=17959)

Und so wird in diesem IMK-Report Nr. 79 wird auch von einem kleinen „Perspektivenwechsel“ – und noch nicht einem Paradigmenwechsel – in der Politik noch gesprochen: Es wird auf eine dramatische Entscheidungssituation hingewiesen, in der die Politik zwischen zwei Strategien zu wählen hatte. 1.) eine nationale Strategie, die den Bruch des Euro-Raumes zur Folge gehabt hätte und 2.) die Entscheidung für den europäischen Weg, was zunächst einen bemerkenswerten Perspektivenwechsel zur Vorassetzung hatte.

Und vielleicht hatte ja die Bundeskanzlerin den Willen zu diesem Perspektivenwechsel dadurch gefunden, dass sie den DGB auf ihrer Seite wußte. (vgl. www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2011/12/2011-12-13-merkel-sommer.html externer Link)

In dieser Pressekonferenz Ende 2011 (!) hatte die Bundeskanzlerin Merkel herausgestrichen, „dass sie sich sehr freue, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund in der gesamten Zeit, in der wir uns jetzt in der Schuldenkrise im Zusammenhang mit dem Euro befinden, immer wieder sehr stark hervorgehoben hat, dass der Euro unsere gemeinsame Währung ist, dass der Euro mehr als eine Währung ist und dass es sich lohnt, für den Euro einzutreten und zu kämpfen.“

Diesen „bemerkenswerten Perspektivenwechsel“ – oder auch schon „kleinen“ Paradigmenwechsel? – will ich nun versuchen, hier noch einmal etwas präziser politisch zu „rekonstruieren“: Zunächst hat Deutschland mit der Bundeskanzlerin im NRW-Wahlkampf eindeutig hervorgehoben, dass es eine gemeinsame und solidarische Schuldenpolitik – wie sie in anderen Währungsräumen, wie z.B. dem Dollar-Raum, selbstverständlich und allgemein akzeptiert ist – in Europa nicht geben wird – weil Deutschland das nicht will.

So wurde zunächst die Griechen zum Sündenbock gemacht, um von den Ursachen der Finanzkrise abzulenken (siehe dazu „Erst einmal die Griechen als Sündenbock“ auf der Seite 5 bei (http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl42.html)

Mit der damit erfolgten Etablierung des Finanzmarktregimes über die Staatsschuld zur „Disziplinierung“ der „Südländer“ wurde für diese das Zins-Niveau hochgetrieben. (vgl. noch einmal auf der Seite 3 den Abschnitt „Das hochgetriebene Zins-Niveau“: http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html)

Nun war man in der Eurozone also „Gefangener“ der Finanzmärkte, was für Deutschland sich zunächst – durch allerbilligste Zinsen – hervorragend „auszahlte.

Nur der im Report so gelobte Perspektivenwechsel – diese Entscheidung für den Euro-Raum – hatte zur Grundlage jene vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Reiner Brüderle im Bundestag so bezeichnete Akzeptanz der „Domino-Theorie“ – immer weiter unter dem Regime der Finanzmärkte! -, wonach ein Staatsbankrott – z.B. der Griechenlands – zur Folge hätte, dass weitere EU-Länder in den Abgrund gerissen würden. (erg. durch die Finanzmärkte). (vgl. dazu auf der Seite 2 unten „Und Deutschland muss doch zahlen“ bei https://www.labournet.de/?p=17959)

Und so wurde dann die „Rettung“ Griechenlands zur europäischen Pflicht, die eigentlich eine zweite Rettung der Banken war, die sich nun an den Staatschulden bereichern durften, nach einem ersten „Bail-Out“, das auch schon zur „Schuldenkrise“ ziemlich erfolgreich umgedeutet worden war. (vgl. dazu noch einmal „Die Krise einfach umgedeutet“ bei http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl42.html – und speziell weiter auch „… – und der Derivate-Markt als Ursache bleibt weiter unangetastet“ dort auf der Seite 4)

Aber noch kein Ende des Finanzmarktregimes über die Staatsschulden – nur weiter mit einer Politik-Krise – mit Claus Offe

So meine ich, dass der so gelobte „Perspektivenwechsel“ leider noch nicht das Ende der Fahnenstange für diese Art Eurokrise markiert. Diese gibt Claus Offe in seinem brillanten Überblickstext „Europa in der Falle“ ja klar an: „Alle Kenner sind sich im Prinzip einig, was nottut – nämlich eine langfristige Schuldenvergemeinschaftung – aber das lässt sich dem Publikum der reichen Länder nicht vermitteln“ (vgl. die Seite 1 bei Claus Offe „Europa in der Falle“ www.nachdenkseiten.de/?p=15712#h07 externer Link) – und nicht zuletzt ein paar Fragen zur Diskussion unter engagierten Menschen über diesen herausragenden Text noch „Claus Offe „Europa in der Falle“ (www.labournet.de/?p=21892)

So befinden wir uns realistisch also in einer Politik-Krise – ganz diesseits einer angeblichen Schuldenkrise – oder in der Sprache dieses Reports noch: diese Art von Perspektiven-wechsel greift einfach zu kurz, ist längerfristig nicht „nachhaltig“ – und hat mit wirksamer Hilfe der EZB nur wieder ein wenig „Zeit gekauft“ (vgl. dazu „Noch einmal kann die EZB die „Märkte“ auf Zeit beruhigen“ auf der Site 4 bei www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/zur-jahreswende-20122013-was-jetzt-auf-uns-wartet-es-wird-spannend-werden/) – höchstens bis nach der Bundestagswahl. Aber das könnte ja der Kanzlerin Merkel gerade für ihren Wahlsieg noch reichen.

Ein echter Paradigmenwechsel für Europa müsste anders aussehen – und somit ist es dieser – allein mit ein klein wenig Perspektivenwechsel – noch längst nicht.

Die Rettungsschirmpolitik mit ihrer Gipfel-Routine könnte nur auf Dauer so teuer werden, dass dann selbst Deutschland diese „Geschichte“ unter dem „Regime“ der Finanzmärkte zu teuer würde. Geht es also der Herrschaft der Finanzmärkte über die Staatsschulden wie jenem berühmten Krug: er geht so lange zum Brunnen bis er bricht.

Da bleibt als kleiner Hoffnungsstreifen für das „glückliche Ende“ mit einem Paradigmenwechsel für Europa – für die Eurozone – noch ein schmaler Streifen am Horizont, dass das IMK selbst die Finanzmärkte sich am 21. März noch auf dem IMK-Konjunktur-Forum „Finanzmärkte – revisited“ vornehmen möchte. (vgl. dazu den Abschnitt „Finanzmärkte revisited“ auf der Seite 2 f. bei www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/zur-jahreswende-20122013-was-jetzt-auf-uns-wartet-es-wird-spannend-werden/)

Nur wer jetzt annimmt, dass wir mit diesem „glücklichen Ende“ im europäischen „Paradies“ gelandet wären, der sollte schnell auf den Boden der tatsächlichen weiteren Schwierigkeiten zurückgeholt werden – denn wir haben dann allenfalls das Projekt Europa ein weiteres Stück vor seinem Scheitern gerettet – wie zuletzt bei diesem Perspektivenwechsel mit der „Domino-Theorie“ – weil die deutsche Politik wieder ein Stück ihrer „Selbst-Blockade“ unter dem zunehmenden Krisendruck aufgegeben hat.

Damit kann ich die Eingangs-These erweitern: Die fortschreitende Krisenentwicklung muss die politischen Akteure jeweils soweit unter Druck setzen (können), dass diese einen kleinen Schritt weiter zur „Eindämmung“ der Krise gehen. Jetzt immerhin unter dem allgemeinen Ziel die „Entscheidung für den europäischen Weg“ aufrechtzuerhalten. (sieh oben 2.)

Die weiter bestehende Spaltung Europas und die hohe Arbeitslosigkeit – bei den Jugendlichen gar 50 Prozent – in den südeuropäischen Ländern müssen erst dann angegangen werden. (vgl. dazu z.B. noch IG Metall: „Krisenpolitik spaltet Europa – Kurswechsel jetzt“ (www.igmetall.de/cps/rde/xbcr/internet/2012-12-19%20Eurokrise%20und%20Perspektive%20Endversion_0194508.pdf externer Link pdf)

Auf der Grundlage dieser ausführlich vorhandenen Fakten muss also die Diskussion – bei aller Berücksichtung des Standpunktes, dass es uns doch noch relativ gut geht – im Vergleich – über diese „Merkel-Mehrheits-Meinung“ hinaus auch in den Gewerkschaften vorangetrieben werden, damit wir auch morgen – zusammen mit den europäischen Südländern! – noch eine Chance auf ein „gutes Leben“ haben werden.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=22482
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