[Studie] Verdi im Kampfmodus

ver.di-Aktionswoche "Dabei sein zahlt sich aus" für die Durchsetzung tarifvertraglicher RegelungenLufthansa, Eurowings, Amazon – das Jahr 2016 war wieder reich an Streiks. Das liegt auch an der veränderten Strategie von Verdi, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt: 15 Jahre nach ihrer Gründung setzt die Dienstleistungsgewerkschaft zunehmend auf Konfrontation. (…) Verdis steigende Konfliktbereitschaft ist auch eine Reaktion auf die schwierigen ersten Jahre nach Gründung der Gewerkschaft im Jahr 2001. Bis 2007 verlor Verdi rund 600.000 Mitglieder, die Tarifabschlüsse waren mager und der Anteil der tarifgebundenen Arbeitnehmer ging in einigen Dienstleistungsbereichen deutlich zurück. Zudem bekam Verdi Konkurrenz durch Spartengewerkschaften, beispielsweise in der Luftfahrtbranche. „Inzwischen nutzt Verdi die Konflikte als Mitgliederwerbung – und das durchaus mit Erfolg“, sagt IW-Experte Hagen Lesch…“ Download der kompletten IW-Studie von Hagen Lesch „Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di – Tarifpolitische Entwicklungen und Herausforderungen“ IW-Trends 4. 2016 in der IW-Pressemitteilung vom 9. Januar 2017 externer Link. Siehe dazu:

  • Jetzt die Dienstleistungen als – ambivalente – Speerspitze der Arbeiterbewegung? Von der Tertiarisierung der Streiks, Häuserkämpfen und „Organizing“ als Hoffnungsträger
    „»Der Schwerpunkt der Arbeitskämpfe in Deutschland verschiebt sich immer mehr vom produzierenden Gewerbe auf den Dienstleistungsbereich. Dabei sind zunehmend Dritte – etwa Flugreisende, Bank- und Einzelhandelskunden, Brief- oder Paketempfänger – von Streiks betroffen.« Die Gewerkschaft Verdi würde auf Mitgliederverluste, eine rückläufige Tarifbindung und Konkurrenzgewerkschaften „mit einer expansiven Tarifpolitik“ antworten. (…) Selbst wenn ver.di in einen harten Arbeitskampf geht, waren die Erfolge bei den beiden bereits erwähnten Großkonflikten im Jahr 2015, also der Arbeitskampf im Sozial- und Erziehungsdienst (oft arg verkürzend als „Kita-Streik“ tituliert) sowie der Streik bei der Post, mehr als überschaubar, wenn nicht deprimierend (…) Wobei man fairerweise auch darauf hinweisen muss, dass der Gewerkschaft ver.di nicht selten die Hände gebunden sind, weil die Beschäftigten in vielen Dienstleistungsbranchen nicht wirklich bereit und willens sind, sich zu organisieren, damit man einen entsprechenden Organisationsgrad erreicht, mit dem man auch von den Arbeitgebern auf Augenhöhe wahrgenommen wird. (…) „Organizing“ heißt der neue Schlüsselbegriff der deutschen Gewerkschaftsarbeit. „Organizing beinhaltet eine bestimmte Grundhaltung und orientiert sich am Leitgedanken einer Offensivstrategie“, so heißt es selbstbewusst im „Handbuch Organizing“ der IG Metall. Das Grundprinzip des Organizing baut auf dem Dreischritt „Wut-Hoffnung-Aktion“ auf. (…) Es wird ein langer und steiniger Weg, aber die Zeiten des alten Gewerkschaftsverständnisses sind in den Dienstleistungen definitiv vorbei. Insofern bleibt Hoffnung angesichts der vielfältigen neuen Aktivitäten, zugleich aber sollte man sich der Ambivalenz bewusst sein, die darin liegt, dass nunmehr die Dienstleistungen die Speerspitze der deutschen Arbeiterbewegung bilden sollen. Bis dahin ist es noch ein ordentliches Stück Weg…“ Artikel vom 13. Januar 2017 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Umgehend reagiert die FAZ auf diese Studie mit dem Versuch einer Gefühls-Mobilisierung von u.U. von Streiks betroffenen „Privatpersonen“: Verschiebung: Streiks treffen immer mehr Privatpersonen
    „Haben Sie das Gefühl, dass heutzutage viel mehr gestreikt wird als früher? Diese neue Studie zeigt, was hinter dem Gefühl steckt. Der Schwerpunkt der Arbeitskämpfe in Deutschland verschiebt sich immer mehr vom produzierenden Gewerbe auf den Dienstleistungsbereich. Dabei sind zunehmend Dritte – etwa Flugreisende, Bank- und Einzelhandelskunden, Brief- oder Paketempfänger – von Streiks betroffen….“ Beitrag vom 8. Januar 2017 bei der FAZ online externer Link zu dem wir nur anmerken können, dass die Arbeitgeberseite wohl endlich akzeptiert hat, dass Streiks weh tun müssen, und nun die unsolidarischen unter den Lohnabhängigen als Druckmittel anspricht…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=109735
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