[Buch] Neue Klassenpolitik. Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus

Dossier

[Buch] Neue Klassenpolitik. Linke Strategien gegen Rechtsruck und NeoliberalismusSeit den Wahlerfolgen der AfD werden die Ursachen des Rechtsrucks diskutiert und die soziale Frage wiederentdeckt. Während sich die Rechte als Alternative präsentiert, machen die etablierten Parteien so weiter wie bisher. Die gesellschaftliche Linke aber scheint blockiert und hat sich in einer Diskussion festgebissen, die kulturelle und soziale Kämpfe künstlich trennt. Dabei sind sie gemeinsam die Grundlage für linke Politik – für eine Neue Klassenpolitik nämlich, die die Interessen der Lohnabhängigen und sozial Abgehängten ernst nimmt und zugleich Antirassismus, Feminismus und die Anerkennungskämpfe gesellschaftlicher Minderheiten nicht für zweitrangig erklärt. Die überwältigende Mehrheit der Menschen muss ihre Arbeitskraft verkaufen, um zu überleben. Das gilt nicht nur für weiße Männer in Fabriken, sondern auch für migrantische Altenpfleger und Paketzustellerinnen. Die Chance einer Klassenpolitik auf der Höhe der Zeit liegt darin, Menschen verschiedener Identitäten zu vereinen, ohne zu ignorieren, was sie voneinander unterscheidet. Der Band versammelt rund 20 Beiträge zur Neuen Klassenpolitik: Was haben Feminismus, Antirassismus und Internationalismus mit Klassenkampf zu tun? Welches sind die gesellschaftlichen Orte von Klassenauseinandersetzungen? Und mit wem und gegen wen muss eigentlich gekämpft werden? Die Beiträge zeigen: Ob nun im Stadtteil, in der Betriebsgruppe, in einer Partei oder im Alltag: Soziale Kämpfe sind allgegenwärtig.“ Verlagsinfo des Berliner Verlags Bertz und Fischer externer Link und das Inhaltsverzeichnis externer Link zum gerade erscheinenden und von Sebastian Friedrich mit der Redaktion analyse & kritik herausgegebenen Sammelband (ca. 150 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-86505-752-5, 2018, 14,00 EUR) mit Beiträgen von Peter Birke, Silvia Federici, Frigga Haug, Gabriel Kuhn, Keeanga-Yamahtta Taylor, kollektiv! aus Bremen, Georg Seeßlen, Ceren Türkmen, Mag Wompel und anderen. Siehe zum Buch zwei Vorabdrucke sowie als Leseprobe im LabourNet Germany den Beitrag von Christian Frings und nun auch den von Peter Nowak sowie weitere:

  • Neue Klassenpolitik. Die politische Debatte und die realen Kämpfe von prekär Beschäftigten und Mietern gehören zusammen New
    Die Debatte um sie ist noch jung, und trotzdem ist die »Neue Klassenpolitik« schon ein stehender Begriff – ein Sammelbecken voller Hoffnungen, Romantizismen, Projektionen und Missverständnisse. Für die einen ist es ein Begriff voller Verheißungen: Klassenkämpfe, Stärke, Bündnisse, Geschichte und Zukunft, Streiks – und das Ende des Kapitalismus. Andere hören: weiße, männliche Arbeiter, Geschichtsklitterung, Hauptwiderspruch. Doch was ist der Kern dieser Debatte? Neu ist die Neue Klassenpolitik nur bedingt. Neu ist an ihr nur, dass alte Klassenpolitiken neu adaptiert, dass alte Praxen, verschüttetes Wissen geborgen werden mussten – und noch immer geborgen werden. Nicht dass dieses Wissen wirklich weg gewesen wäre, Linke haben es nur selten angewendet. Das Politische an der Klassenpolitik musste erst wiederentdeckt werden und wird jetzt mühsam in politische Praxen und in Alltagshandlungen integriert. Das fängt schon bei der Bündnisfähigkeit an: Mit wem kooperiert man? Wie wird mit Rassismen oder Sexismen der zu Organisierenden umgegangen? Wie werden Alltagshilfen mit langfristigen Strategien verknüpft? Wie kommt man raus aus der Kampagnenpolitik, und wie bindet man unorganisierte Nachbarinnen und Nachbarn oder Kolleginnen und Kollegen langfristig in politische Projekte ein? (…) Die politische Praxis der vergangenen Jahrzehnte war oftmals nur noch ein Abwehrkampf, zum Beispiel gegen einen Kapitalismus, der sich aus Richtung Silicon Valley erneuerte. Die immer aggressiver werdende Sparpolitik befeuerte die soziale Abwärtsspirale. Die unter Rechtsruck subsumierte Faschisierung Europas und der USA gibt nun den Rahmen ab, so dass man sich den Luxus, ohne starke Bündnisse in Kämpfe zu gehen, die weitaus bedrohlicher werden können als vorhergegangene, nicht mehr leisten kann. Parallel dazu reifte die Erkenntnis, dass der alte Werkzeugkasten aus Blockieren, Kampagne, Outing, Skandalisieren nicht gegen die neuen Rechten hilft, dass man mit Parolen auf Stickern, Postings auf Facebook und Transparenten auf Demonstrationen nicht die umstimmt, die unzufrieden und verzweifelt sind, denen eine Linke aber schon lange keine Lösungen mehr für ihre existentiellen Ängste anzubieten hat. Sozialpolitik und kulturelle Verankerung außerhalb des eigenen Milieus – das hat es lange nicht mehr massenhaft gegeben. (…) Wo früher Szenekneipen waren, werden Kiezläden geöffnet. Wo früher misstrauisch geschaut wurde, wenn Fremde reinkamen, versuchen Genossinnen und Genossen, offen auf die Neuen zuzugehen. Wo früher erklärt wurde, wird jetzt das Zuhören geübt. Wo sich früher Gruppen nicht einmal gegrüßt haben, lernen sie jetzt mitunter auch mal voneinander. So gibt es mittlerweile beachtliche Bündnisse. Postautonome Gruppen etwa aus dem »Ums-Ganze«-Bündnis, die sich früher kaum mit Arbeitskämpfen beschäftigt haben, versuchen die Streiks der Amazon-Arbeiterinnen und -Arbeiter zu unterstützen. Die Basisgewerkschaft FAU erhält stetigen Zulauf, nicht nur bei ihrer »#Deliverunion-Kampagne«, in der sich die Essenskuriere der Gig Economy organisieren. In Stadtteil- und Mietkämpfen funktioniert der gemeinsame Kampf besonders gut, weil es dort tatsächlich noch ein stärkeres Beisammensein gibt – anders als an den Arbeitsplätzen…“ Artikel von Nina Scholz in der jungen Welt vom 07.01.2019 externer Link, es ist die leicht gekürzte Form ihres Beitrags im Buch
  • Im Arbeitskampf wird’s konkret. Von Lesbian und Gays Support the Miners bis zur Unterstützung von Amazon: außerbetriebliche Solidarität hilft nicht nur den Arbeiter_innen 
    Artikel von Peter Nowak  als Leseprobe aus dem Buch – wir danken!
  • Neue Klassenpolitik ohne Klassenkampf? Die Mystifikation des gesellschaftlichen Antagonismus im regulierten Tarifkonflikt
    Das größte Problem der Debatte über eine Neue Klassenpolitik dürfte in der enormen sozialen und kulturellen Kluft zwischen den Debattierenden und der Klasse bestehen. Im Rückblick auf die politische Entwicklung seit den 1970er Jahren, als meine eigene politische Sozialisation und Beschäftigung mit Klassenfragen begann, muss ich konstatieren, dass die Linken noch nie so weit von der Arbeiterklasse entfernt waren wie heute. Daran ändern auch gut gemeinte Hinweise auf die Prekarisierung im akademischen Milieu, mit denen eine irgendwie gemeinsame Klassenlage beschworen werden soll, wenig. Dafür sind die »feinen Unterschiede«, die wir doch alle kennen, zu übermächtig und prägend. (…) An diesem materialistischen Zusammenhang, dass die linke Intelligenz in letzter Instanz auch nur ein Reflex der gesellschaftlichen Verhältnisse und keineswegs der autonome Weltgeist ist, lässt sich voluntaristisch oder mit noch so guten Argumenten kaum etwas ändern. Aber für den Fall, dass es zu Klassenkämpfen kommt und links orientierte Menschen aus dem Bürgertum sich darauf beziehen wollen, kann es nicht schaden, sich einige Zusammenhänge theoretisch klarzumachen. (…) Es sind gesellschaftliche Gruppen von Einkommensbezieher_innen, die eigentlich harmonisch und partnerschaftlich kooperieren, um das Gesamtprodukt zu erzeugen, das dann auf alle verteilt wird. Dabei mag es auch mal etwas Gerangel geben, aber letztlich bleibt es eine gerechte und friedliche Veranstaltung. Sozialpartnerschaft ist somit kein Betriebsunfall der »eigentlich« am Klassenkampf orientierten Gewerkschaften, sondern sie ist deren Wesensmerkmal. (…) Es geht also nicht darum, in sinnloser linker Polemik gegen die Gewerkschaften und ihre »bürokratischen Machenschaften« unsere Energie zu vergeuden, sondern in den Kämpfen ganz nüchtern von den so begriffenen Verhältnissen auszugehen. (…) Ein großer Teil des Streiks- und Konfliktgeschehens spielte sich schon immer jenseits dieses Rahmens in Form von wilden Streiks, spontanen Arbeitsniederlegungen, Dienst nach Vorschrift, massenhafter Sabotage, kollektivem Krankfeiern oder dem Riot auf der Straße ab – nur sind diese Formen heute weniger verbreitet und ideologisch bis weit in linke Kreise hinein verpönt…“ Beitrag von Christian Frings als exklusive Leseprobe im LabourNet Germany – wird danken Autor und Verlag!
  • Neue Klassenpolitik. Eine Perspektive gegen die neoliberale und die rechte Erzählung
    Wer sich genug anstrengt, wird es zu etwas bringen: Dieses sozialdemokratische Aufstiegsversprechen hatten über Jahrzehnte hinweg viele Menschen in Westeuropa und Nordamerika im Kopf, wenn sie an die Zukunft dachten. Heute glaubt an die Geschichte vom Fahrstuhl, der alle nach oben bringt, die sich nur ein wenig bemühen, kaum noch jemand. Die Kämpfe um den Aufstieg werden seit vielen Jahren aufreibender, gleichzeitig sind immer mehr Menschen vom Abstieg bedroht. Die Devise lautet heute: Verteidige deinen Platz – koste es, was es wolle. (…) Die gesellschaftliche Linke ist eingekeilt zwischen dem beklemmenden Hier und Jetzt der dringlichsten Abwehrkämpfe und der vermeintlichen Alternative der Rechten. Linken fehlt eine eigene Erzählung, die ans Alltagsleben vieler Menschen anknüpft und eine kollektive Erinnerung wie auch eine Zukunftsvision ermöglicht. (…) Linke Alternativen zum Kapitalismus finden keinen Eingang in das Bewusstsein vieler Menschen, und im Alltag ist kein Raum für umfassende Solidarität. Das hängt nicht zuletzt mit der vielfach gestellten Diagnose zusammen, dass die europäische und nordamerikanische Linke in den vergangenen Jahrzehnten der Klassenpolitik den Rücken gekehrt hat. Viele ältere Linke verabschiedeten sich generell von linker Politik, die jüngere linke Generation hat kaum Klassenpolitik gemacht. (…) Die Abkehr von der Klassenfrage hat eine ganze Reihe Gründe. Auch die Konzentration der »Kulturlinken« auf die notwendigen, aber meist eindimensionalen Kämpfe gegen Rassismus, Sexismus und Nationalismus gehört dazu. (…) Die Koordinaten linker Politik sind Gleichheit und Freiheit. Gleichheit im ökonomischen Sinne als gleiche Teilhabe aller am Reichtum einer Gesellschaft, Freiheit im Sinne der freien Entfaltung, und beide gedacht als sich wechselseitig bedingend. Wer diesen Minimalkonsens anerkennt, kann linke Politik nicht mehr in »ökonomische« und »kulturelle« Fragen teilen. (…) Der Schlüssel für eine Klassenpolitik auf der Höhe der Zeit liegt darin, die strukturell unterschiedlichen Positionen und Widersprüche innerhalb der Klasse der Arbeiter*innen nicht zu verwischen, sondern sie zentral in die Analyse und Praxis Neuer Klassenpolitik einzubeziehen – also Menschen ganz unterschiedlicher Identitäten zu vereinen, ohne das zu ignorieren, was sie voneinander unterscheidet. Das Ziel ist, Erfahrungen zu bündeln und aufzuzeigen, dass trotz geschlechtlicher, ethnischer oder nationalstaatlicher Grenzziehungen überschneidende Interessen bestehen, gemeinsame Kämpfe möglich sind – und erfolgreich sein können.“ Gekürzter Vorabdruck des Beitrags von Sebastian Friedrich im Neuen deutschland online vom 31.10.2018 externer Link
  • Zusammen kämpfen.
    Klassen- und Identitätspolitik müssen zusammen gedacht werden – die historische Arbeiterbewegung setzte sich auch für die Rechte von Frauen, Homosexuellen und Angehörigen kolonisierter Völker ein..“ Vorabdruck in der jungen Welt vom 26.10.2018 des Beitrags von Michael Zander externer Link: »Gegen jede Unterdrückung. Historische Alternativen zur Gegenüberstellung von Klassen- und Identitätspolitik«
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139439
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