Diebstahl fremder Arbeitszeit: Vom »Lohnsklaven« zum »Arbeitskraftunternehmer«. Der historische und strukturelle Wandel kapitalistischer Ausbeutung

Technoseum: Durch Nacht zum Licht? Geschichte der Arbeiterbewegung 1863-2013… Der Lohnsklave des 19. Jahrhunderts war zwar kein Sklave, und der »Arbeitskraftunternehmer« von heute ist kein Unternehmer, doch die beiden Metaphern markieren Ausgangs- und bisherigen Höhepunkt des strukturellen Wandels von Lohnarbeit und ihrer ideologischen Verschleierung. Zwar brauchte es zu Marx Zeiten keine theoretische Erklärung, um Lohnarbeit als Ausbeutung zu erkennen, doch es bedurfte einer theoretischen Analyse, um der gängigen Illusion eines »gerechten Lohnes« entgegenzutreten und begreifbar zu machen, dass jede Ware, somit auch die Ware Arbeitskraft, im Durchschnitt zu ihrem wirklichen Wert verkauft wird. (…) Dass Ausbeutung auch dort stattfindet, wo hohe Löhne gezahlt werden, ja die Ausbeutungsrate in der Regel auch noch höher ist, erschließt sich dem Alltagsverstand so lange nicht, wie Gewerkschaften für Lohngerechtigkeit kämpfen. (…) Je weiter die Digitalisierung voranschreitet, desto schneller wird sich die Lohnarbeit nicht nur verändern, sondern sie wird auch weiter überflüssig gemacht. Wobei die Experten zwar noch darüber streiten, wie viele Arbeitsplätze verschwinden oder durch neue ersetzt werden, sich aber darüber einig sind, dass Millionen Arbeitsplätze wegfallen werden, und zwar deutlich weniger in der Indus­trie als im Dienstleistungsbereich. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung rechnet mit einem Verlust von 1,5 Millionen Arbeitsplätzen, glaubt aber optimistisch, dass ebenso viel neue entstehen (…) Nach Angaben der IG Metall arbeiten inzwischen rund eine Million Menschen auf den 32 deutschen Onlineplattformen. Dort tummeln sich auch immer mehr große Industriekonzerne, wie VW und Daimler, die dort Kundenpflege betreiben, aber auch anspruchsvolle Entwicklungsarbeiten ausführen lassen. Ohne von den unternehmerischen Erfolgen zu profitieren, trägt der neue selbständige »Arbeitskraftunternehmer« die volle Last des Scheiterns und muss ständig damit rechnen, dass er als Crowdworker aus dem Markt verdrängt wird oder als Startup Schiffbruch erleidet. Hier wächst ein neues Prekariat heran, das nicht mehr den gängigen Vorstellungen über abgehängte, minder qualifizierte Beschäftigte entspricht. Denn bei den meisten Crowdworkern handelt es sich um hochqualifizierte und motivierte Angehörige der Mittelschichten mit Hochschulabschluss…“ Ein leicht gekürzter Aufsatz von Harald Werner aus der Zeitschrift Marxistische Erneuerung Heft 113 im Vorabdruck in der jungen Welt vom 2. März 2018 externer Link

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