Das Comeback der Nazibegriffe – und der Widerstand dagegen

asozial„»Asozial« war der Nazi-Begriff für Menschen, von denen angenommen wurde, dass sie dem »gesunden Volkskörper« durch unangepasstes Verhalten Schaden zufügen. Schon in der Weimarer Republik war sozialdarwinistisches und eugenisches Gedankengut weit verbreitet gewesen: »Arbeitsscheu« etwa sei eine erbliche Charaktereigenschaft, und um alle »Gesunden« davor zu schützen, müsse man solche »kranken« Individuen aussondern und geregelter Arbeit zuführen. Dieser Diskurs entzündete sich an den Verelendeten, die infolge des Ersten Weltkriegs, der Urbanisierung und Industrialisierung verstärkt in den Städten sichtbar wurden. Erst die Nazis aber entschlossen sich zu einer »Endlösung der sozialen Frage«. Wer zweimal eine Arbeit ablehnte oder die Arbeitsstelle nach kurzer Zeit wieder verließ, sollte in der »Aktion Arbeitsscheu Reich« verhaftet und in Arbeitslager gebracht werden. Der Tod durch Arbeit wurde dort zumindest in Kauf genommen. Richtete sich diese Repression zunächst hauptsächlich gegen männliche Wohnungslose oder »sozial auffällig Gewordene«, gerieten im Lauf der 1930er Jahre zunehmend Frauen und Mädchen ins Visier einer mörderischen Biopolitik. Anders als bei den Männern kreiste der Diskurs hier um Reproduktionsfähigkeit, Familiengesundheit und Sexualhygiene“ – aus dem Beitrag „Im schwärzesten Winkel“ von Jasper Nicolaisen am 26. August 2017 in neues deutschland externer Link, der damit endet, dass kurz skizziert wird, wer so alles in die Verurteilungs-Schublade gesteckt werden kann – ausser den Erwerbslosen, an denen das längst von den Hartzianern vollzogen wird. Siehe dazu auch eine ältere knappe historische Skizze zur Nutzung des Begriffs in der Geschichte der BRD:

  • „„Asozial“ – über ein Stigma“ von Dirk Stegemann bereits am 16. Juli 2010 bei Mut gegen Rechts externer Link ist ein Kommentar zum damals neuen Modetrend, worin kurz festgehalten wird: „Die Nazi-Verbrechen an den so genannten „Asozialen“ sind nach 1945 bis heute kaum aufgearbeitet worden. Eine Anerkennung als Unrecht des Nazi-Regimes fehlt bis heute. Nur die wenigsten Opfer haben eine Rehabilitierung und/oder Entschädigung erfahren. Wie bei kaum einem anderen Verbrechen der Nazis findet sich in Bezug auf die Verfolgung all jener, die als „asozial“ stigmatisiert wurden, so wenig Bereitschaft aufzuklären und sich mit den leider noch bis heute vorhandenen zahlreichen Kontinuitäten zu beschäftigen. Nicht zuletzt, weil diese nur über eine tiefere Gesellschaftskritik zu leisten wäre. Es erscheint heute, verfolgt man die aktuellen Entwicklungen sozialer Ausgrenzung, wichtiger denn je, an die Schicksale der so genannten Asozialen zu erinnern und derer zu gedenken, die Opfer der mörderischen Nazi-Diktatur geworden sind. Nicht nur heute muss es unsere Verpflichtung diesen Opfern gegenüber sein, keinen Zweifel daran zu lassen, das Nichts aber auch gar nichts rechtfertigt, was die Nazis diesen Menschen angetan haben. Die Anerkennung als Unrecht der Nazi-Diktatur sowie eine Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer käme zwar spät, würde aber ein erstes wichtiges Zeichen setzen. Wichtig auch deshalb, weil der bisher unkritische Umgang mit dem Stigma „Asozialität“ nicht zuletzt wegen der Fortsetzung der Logik befördert wird, dass sich der Mensch als soziales Wesen über Erwerbstätigkeit definiert und definieren soll. Kein Wunder, wird doch diese Logik zur Rechtfertigung der Entmündigung der aus dem Arbeitsmarkt gefallenen bzw. diesem sich entziehenden Menschen bis heute verfolgt“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=120656
nach oben