Einführung von Digitalsteuer in Europa gescheitert – vorerst?

Dossier

DigitalsteuerGoogle & Co. zahlen in Europa weniger Steuern als die klassische Industrie. Doch der Gesetzesvorschlag für eine Digitalsteuer ist auf der Strecke geblieben. Die Einführung einer europäischen Digitalsteuer für Konzerne wie Google und Facebook ist gescheitert. Ein deutsch-französischer Kompromissvorschlag für die Besteuerung von Online-Werbeerlösen scheiterte am Widerstand einiger EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel. Es gebe fundamentale Bedenken, sagte Rumäniens Finanzminister Eugen Teodorovici. Rumänien hat derzeit den Vorsitz unter den EU-Staaten inne. Nun müsse eine globale Lösung her, hieß es. Deutschland und Frankreich hatten zuvor versucht, die umstrittene Digitalsteuer in Europa in abgespeckter Variante durchzusetzen. Sie sprachen sich für eine Umsatzsteuer von drei Prozent auf Online-Werbeerlöse aus, die von Januar 2021 an gelten solle. Voraussetzung dafür sei, dass in der Zwischenzeit keine Lösung auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gefunden werde. (…) Mehrere EU-Länder, die den Vorschlag unterstützten, haben nun bereits nationale Digitalsteuern auf den Weg gebracht, darunter Frankreich externer Link, Spanien und Österreich externer Link. Das sei jedoch nicht optimal, da sie zur Zerstückelung des EU-Binnenmarktes führten und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen erhöhen könnten, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Zugleich sollen jedoch die Bemühungen auf internationaler Ebene – etwa im Rahmen von OECD und G20 – vorangetrieben werden…“ Meldung vom 12.03.2019 bei heise-News externer Link, siehe dazu:

  • Digitalsteuer für Tech-Giganten: Nationale Alleingänge oder vereinter Gegenschlag? New
    „Frankreich besteuert Tech-Riesen wie Amazon, Facebook, Google oder Microsoft seit Ende November, Deutschland zieht bei der Digitalsteuer bislang aber nicht mit – aus Sorge vor der Reaktion der USA. Zwar hat die OECD längst ein internationales Steuerkonzept entwickelt, doch die Verhandlungen stocken. (…) Die Frage, wie man große Technologieunternehmen dazu bringt, angemessen Steuern zu bezahlen, beschäftigt die internationale Staatengemeinschaft seit Jahren. (…) Gut 135 Staaten diskutieren aktuell in der OECD darüber, wie ein neues, faireres Steuersystem aussehen könnte. Geplant sind zwei Säulen: Die Säule eins soll dafür sorgen, dass Gewinne künftig verstärkt in den sogenannten Marktstaaten versteuert werden – also überall dort, wo Konzerne stark aktiv sind. Ergänzend dazu will die OECD als Säule zwei eine sogenannte globale Mindeststeuer einführen. Das soll dafür sorgen, dass jeder Konzern weltweit zumindest ein Minimum an Steuern zahlt und Gewinne nicht mehr in Steueroasen verschoben werden. (…) Was die Verhandlungen schwierig mache, sei, dass es bei der geplanten Reform im Kern um eine Machtverschiebung zwischen Schwellenländern und Industriestaaten gehe, erklärt Wolfgang Schön vom Max-Planck-Institut: „Was richtig verstanden werden muss: Wir reden nicht nur über einen Steuerkonflikt zwischen den USA und Europa bei den digitalen Leistungen. Sondern wir reden über einen weltweiten Konflikt zwischen exportierenden und importierenden Staaten über die Frage, wer darf die Gewinne aus dem grenzüberschreitenden Handel besteuern.“ Viele Schwellenländer zum Beispiel, in denen internationale Konzerne oft keine Niederlassungen, aber viele Nutzer haben, würden von der Reform profitieren. Für die Bundesregierung dagegen wäre die Bilanz gemischt: Zwar wäre es für Deutschland einerseits gut, wenn US-Konzerne durch die globale Mindeststeuer mehr Steuern zahlen müssten. Eine grundsätzliche Verschiebung der Besteuerung hin zu den Nutzern würde für Deutschland andererseits aber auch Nachteile bringen. Denn diese soll – so ist es von der OECD vorgesehen – nicht nur reine Tech-Konzerne treffen, sondern auch viele andere exportierende Unternehmen, sagt Schön. (…) Ein Knackpunkt in den Verhandlungen bleibt aber bisher die Position der Vereinigten Staaten. Das Weiße Haus hat lange eine sogenannte Safe Harbour-Lösung gefordert. Unternehmen sollen also selbst entscheiden können, ob sie sich dem neuen Steuersystem anschließen oder nicht. (…) Weil die Verhandlungen mit den USA so schleppend liefen, überlegt die EU schon seit Längerem, das Problem der ungleichen Besteuerung von Technologiekonzernen wie Google, Facebook und Co. allein anzugehen. Im Sommer 2018 kündigten Deutschland und Frankreich an, sich gemeinsam für eine EU-Digitalsteuer stark zu machen. Geplant war eine Art Sonderumsatzsteuer auf digitale Umsätze – also zum Beispiel auf Umsätze, die Google und Co. durch Online-Werbung machen. Doch daraus wurde nichts. Auch, weil Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der USA, in den Verhandlungen gebremst habe, sagt Sven Giegold, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament…“ Beitrag von Katja Scherer vom 10. Dezember 2020 beim Deutschlandfunk externer Link Audio Datei (Audiolänge: ca. 19 Min.)
  • Führt die Digitalsteuer ein! Lokale Läden stehen vor dem Aus, während Amazon & Co. vom Lockdown profitieren 
    „Die Coronakrise stellt nationale Steuersysteme vor eine historische Herausforderung. Regierungen in ganz Europa schnüren milliardenschwere Rettungspakete, um die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzuschwächen. Mit dem Erstarren des lokalen Gewerbes brechen gleichzeitig wichtige Steuereinnahmen weg. Während kleinere Dienstleister am Abgrund stehen, boomt das Geschäft der Online-Riesen. Im Gegensatz zu lokalen Unternehmen zahlen Amazon und Co. allerdings kaum Steuern. Die schnelle Einführung der europäischen Digitalsteuer könnte dies ändern und steuerpolitische Fairness wiederherstellen. Wie vergangene Krisen und Kriege bietet der Kampf gegen Covid-19 die Gelegenheit, den Steuerstaat grundlegend zu modernisieren. (…) Tatsächlich geht der Einbruch im lokalen Gewerbe mit einem starken Umsatzplus bei den Onlinedienstleistungen einher. (…) Die Gleichzeitigkeit des Einbruchs im lokalen Gewerbe und des Umsatzplus bei den Onlinedienstleistungen stellt die Regierungen Europas vor ein massives fiskalpolitisches Problem. Während die Gewerbesteuer wegbricht und eine Wirtschaftsbranche nach der anderen gestützt werden muss, tragen viele Online-Riesen fast nichts zur Finanzierung der europäischen Staaten und ihrer öffentlichen Gesundheitssysteme bei. Anders als die lokalen Gewerbetreibenden bieten die Amazons und Spotifys dieser Welt ihre Dienstleistungen von Luxemburg oder Irland aus an. (…) [Eine Digitalsteuer] wäre darüber hinaus ein erster Schritt zur Modernisierung des Steuerstaates für das 21. Jahrhundert. Die letzte große Erneuerungswelle erlebten europäische Steuersysteme vor 100 Jahren. Kriege und Wirtschaftskrisen waren die Antriebsfedern der Ausweitung genereller Steuern auf Einkommen und Erbschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Schon damals sollten diese Steuern diejenigen zur Kasse bitten, die während Krieg und Krise profitiert hatten, und jenen zu Gute kommen, die zu erheblichen Opfern gezwungen waren. Vor diesem Hintergrund stiegen die Spitzensteuersätze auf Einkommen im Vereinigten Königreich und den USA zeitweise auf bis zu 80 Prozent. Während sich das Wirtschaftsleben seitdem fundamental verändert hat, sind die Grundpfeiler des Steuerstaates dieselben geblieben. Das Besteuerungsrecht ist immer noch an die physische Präsenz eines Unternehmens, nicht an seine digitalen Kundenbeziehungen gebunden. Der „Krieg gegen Corona“ führt uns diese Fehlanpassung mit neuer Dringlichkeit vor Augen. Die europäischen Finanzminister müssen diese Gelegenheit nutzen, um ihre Steuerstaaten fit für die digitale Zukunft zu machen. Sollten sie an der Aufgabe scheitern, würden sie die jüngeren Generationen mit einem noch größeren Schuldenberg für ihre gegenwärtige Solidarität mit den Babyboomern bestrafen.“ Beitrag von Lukas Hakelberg und Julian Limberg vom 31. März 2020 in der Freitag online externer Link
  • Digitalsteuer: Wie Deutschland es wieder einmal verhorstet hat 
    „… Deutschland hat es wieder einmal digital verhorstet. Die dringend notwendige Digitalsteuer wird nicht eingeführt. Man muss fair sein, es liegt nicht nur an der deutschen Bundesregierung, aber dann auch wieder doch. Das ist erklärungsbedürftig, und wie es sich für ein Vernetzungsthema gehört, hängt hier alles mit allem zusammen: Die Nichteinführung der Digitalsteuer hängt mit einem Algenpilz, der Urheberrechtsreform und der deutschen Autofixierung zusammen. (…) Dass eine so radikale politische Maßnahme überhaupt durchgeführt werden kann, liegt auch an der irischen Urangst vor Armut und Auswanderung. Die wiederum fußt auf der Großen Irischen Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Algenpilz Phytophthora infestans die Kartoffelfäule auslöste. (…) In den Neunzigerjahren darf Irland nach zwanzig Jahren Nörgeln und Drängeln in Brüssel (…) endlich wieder seine geliebten Ministeuern einführen: Ab 1996 wird der Unternehmensteuersatz mit verschiedenen Zwischenschritten von 40 Prozent auf 12,5 Prozent gesenkt. Deshalb siedeln sich die großen Digitalkonzerne der USA für ihre EU-Geschäfte in Irland an. (…) 2017 sind die Werbeerlöse von Google und Facebook so hoch wie die sämtlicher Radiosender und Printzeitungen der Welt zusammen, also das Geld, das die Kunden früher zu den Medienkonzernen trugen. (…) Deshalb lobbyieren deutsche Verlage 2013 das Leistungsschutzrecht herbei. (…) Die Digitalsteuer, die vor allem von Frankreich ausgeht, wurde von Deutschland und speziell vom zuständigen Finanzminister Olaf Scholz höchstens halbherzig unterstützt. Das liegt weniger daran, dass sie als Innovationshemmnis gilt. Hier wirkt die Urheberrechtsreform schlimmer, und da interessiert es die Bundesregierung kaum. Aber die amerikanische Regierung hat erbitterten Widerstand gegen die Digitalsteuer angekündigt. Sie wird als gegen US-Konzerne gerichtet angesehen, und das ist ja auch nicht völlig falsch. Dass gerade diese Unternehmen kaum Steuern zahlen und Europa davon einen massiven Steuerschaden davonträgt, interessiert die Regierung Trump nicht die Bohne. Deshalb haben die Amerikaner kaum verhohlen angedroht, dass sie im Falle einer Digitalsteuer den wirtschaftlichen Druck auf europäische Autokonzerne noch weiter erhöhen könnten. Wirkungstreffer. Denn das träfe das Autoland Deutschland ins Mark…“ Kolumne von Sascha Lobo vom 13. März 2019 bei Spiegel online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=145757
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