Ein unerhörter Vorschlag: Europäische Solidarität? Über einen Vorstoß von Sigmar Gabriel, einen Hinweis von Jürgen Habermas und die progressive Linke

Sigmar Gabriel war gerade einen Monat im Amt, da tat der Außenminister etwas wahrhaft Unerhörtes: Er schlug vor, die Bundesrepublik solle von sich aus anbieten, mehr Geld an die Europäische Union zu zahlen. (…) In der Tat: Der Vorstoß blieb ein unerhörter – denn er wurde nicht erhört. Eine breite Front der Austeritätsfreunde vom Steuerzahlerbund bis zum Koalitionspartner fertigte Gabriels Beitrag kurzerhand ab. (…) Dass Gabriels Vorstoß im doppelten Wortsinne unerhört war, verweist aber auch auf einen blinden Fleck der Debatte über die Zukunft der EU: Was würde denn das Reden über »mehr Solidarität« bedeuten? Während an wohlmeinenden Schlagworten kein Mangel ist, werden gern die Klippen der Debatte umschifft: Wie geht Solidarität in der transnationalen Praxis? Was setzte dies für institutionelle Schritte voraus? Und wo fangen wir damit an? (…) Jürgen Habermas hat die vielleicht alles entscheidende Frage unlängst auf den Punkt gebracht, als er daran erinnerte, dass der Begriff der Solidarität seit der Französischen Revolution und den frühsozialistischen Bewegungen »nicht als moralischer, sondern als politischer Begriff« verstanden werden muss: »Solidarität ist nicht Nächstenliebe. Wer sich solidarisch verhält, nimmt im Vertrauen darauf, dass sich der andere in ähnlichen Situationen ebenso verhalten wird, im langfristigen Eigeninteresse Nachteile in Kauf.«…“ Beitrag von Tom Strohschneider bei neues Deutschland vom 5. Mai 2017 externer Link

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