Das öffentliche Interesse an der EU zum 16. Juli 2019 zeigt wie kaum zuvor: Die Machtverteilung muss – weg von den Nationalstaaten – neu ausgebaut werden

"Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr - Abschied von einer Illusion" von Wolfgang Koschnik erschien am 1. April als Buch beim Westend VerlagIn dieser gesamten Dokumentation um diese EU-Kommissionspräsidentinnen-Wahl zum 16. Juli sehe ich ein gutes Beispiel, wie sich die politischen Kräfteverhältnisse in Europa – in einer neuen Konstellation (= jenseits der Volksparteien-Mehrheiten) – verschoben haben und das sehe ich als das Besondere an dieser Wahl. Deshalb halte ich es durchaus für angebracht, die ganze Diskussion – zusammen mit ihrem Scheitern einer Vier-Parteien-Mehrheit am Klimaschutz! – in dieser Länge darzustellen.  An diesen ganzen Differenzen werden wir nämlich die nächsten Jahre – bis hin zum weiteren „Verschieben“ der demokratischen Machtverhältnisse – weiter arbeiten müssen…“ Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 17.7.2019 – wir danken!

Das öffentliche Interesse an der EU zum 16. Juli 2019 zeigt wie kaum zuvor:
Die Machtverteilung muss – weg von den Nationalstaaten – neu ausgebaut werden

In dieser gesamten Dokumentation um diese EU-Kommissionspräsidentinnen-Wahl zum 16. Juli sehe ich ein gutes Beispiel, wie sich die politischen Kräfteverhältnisse in Europa – in einer neuen Konstellation (= jenseits der Volksparteien-Mehrheiten) – verschoben haben und das sehe ich als das Besondere an dieser Wahl. Deshalb halte ich es durchaus für angebracht, die ganze Diskussion – zusammen mit ihrem Scheitern einer Vier-Parteien-Mehrheit am Klimaschutz! – in dieser Länge darzustellen. An diesen ganzen Differenzen werden wir nämlich die nächsten Jahre – bis hin zum weiteren „Verschieben“ der demokratischen Machtverhältnisse – weiter arbeiten müssen…

Knappe Mehrheit für von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin – Das Europaparlament muss – jetzt doch – zum Kraftzentrum der Europäischen Union werden.

(https://www.sueddeutsche.de/politik/praesidentin-der-eu-kommission-knappe-mehrheit-fuer-von-der-leyen-1.4527978 externer Link) und die Notwendigkeit Macht in Europa umzubauen, zugunsten von einem Mehr an Demokratie. (https://www.sueddeutsche.de/politik/von-der-leyen-ursula-eu-kommission-1.4526842 externer Link)

Das Gezerre um ihre Wahl hat somit auch ihr Gutes (siehe weiter in Folgenden!): Das öffentliche Interesse an der gern als langweilig-bürgerfern abqualifizerten EU ist derzeit groß. Eine Europäische Öffentlichkeit diskutiert über die Brüsseler Spitzen, die Machtverteilung zwischen ihnen und die Herausforderungen, vor denen die Kommission und ganz Europa stehen.

Und klarer denn je ist geworden, die EU kommt in dieser – jetzigen – Verfassung kaum mehr richtig voran. Im – bisherigen – Machtzentrum, dem Rat der Staats- und Regierungschefs, zählen vor allem nationale Interessen. Und diese Regierenden wollen keine Schelte aus Brüssel, wenn sie den Rechtsstaat zertrümmern (Polen), ein illiberales System errichten (Ungarn), hemmungslos Schulden machen (Italien) oder zu sehr wenig Solidarität mit ärmeren EU-Staaten neigen (Deutschland). Daher einigen sie sich meist nicht auf die beste Lösung für Europa, sondern auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Der liegt bei 28 EU-Staaten, siehe die Asylpolitik, auch machnmal bei Null…

Deshalb braucht es jetzt mehr Macht für das Europa-Parlament! (https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-von-der-leyen-europaeischer-rat-1.4526594 externer Link)

Bei der Vorstellung von vdL vor ihrer Wahl, sieht Eric Bonse ein besonders ausgeprägtes Liebeswerben um die Grünen. So versprach sie eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 (https://taz.de/!5607071/ externer Link). Dabei stellt Ingo Arzt nur fest: Von der Leyens konkrete Pläne sind so wenig neu wie ihr Wording vom „Green New Deal“. Ein Vorhaben hat es allerdings tatsächlich in sich: Eine CO2-Steuer an den EU-Grenzen.

Den Sozialdemokraten kam die ehemalige Arbeitsministerin mit Mindestlöhnen und einer Arbeitslosen-Rückversicherung entgegen, wie sie Olaf Scholz bisher schon vergeblich gefordert hatte. Zudem versprach sie den Stabilitätspakt für den Euro so flexibel wie möglich auszulegen, Investitionen massiv zu fördern und eine Europäische Klimabank aufzubauen. (https://taz.de/!5607072/ externer Link)

Jedenfalls meint die TAZ nach der erfolgten knappen Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin: „Davon geht Europa auch nicht unter“ (https://dl.taz.de/taz/shop/download_action2.php?model=20100&typ=seite1 externer Link).

Ursula von der Leyen spitzt das für sich auch in ihrer fast 40-minütigen Rede vor ihrer Wahl im Europa-Parlament noch einmal positiv für sich zu: „Wer Europa spalten will, der findet in mir eine erbitterte Gegnerin“ (https://taz.de/!5607072/ externer Link). Dafür erntet sie viel Beifall quer durch alle Fraktionen – und es setzte sich danach wohl auch in Ja-Stimmen für sie um.

Ein Erfolg auch für Europa: der breitgefächerte Diskurs zu Europa im Vorfeld der Wahl – Europa ist einfach doch recht komplex….

Diese aktuelle Entwicklung mit ihren ganzen sachlichen Kontroversen – auch mit Unterstützung von Youtube – ist historisch interessant. Dynamik kam durch die Grünen in diese Abstimmung über das Europa-Spitzenpersonal – und Luxemburgs Außenminister Jean Asselboom sieht eine Niederlage von vdL gelassen. Falls die Kandidatin für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin am Dienstag vom EU-Parlament nicht gewählt wird, wäre das nicht das Ende Europas. Dann muss eben noch eine Runde gedreht werden. Deutschland hat doch auch eine Weile gebraucht, bis es eine neue Regierung hatte. – Ähnlich äußerte sich auch Sven Giegold. (https://www.sueddeutsche.de/politik/von-der-leyen-eu-kommission-asselborn-polen-ungarn-1.4523894 externer Link)

Es ist erschreckend mit welcher Wucht aus Ländern, die es mit der Rechtsstaatlichkeit und Solidarität nicht so genau nehmen, (vgl. dazu auch https://www.freitag.de/autoren/wolfgang-michal/orbans-kandidatin externer Link) verhindert wurde, dass der Sozialdemokrat Frans Timmermans Kommissionspräsident wurde. Er ist ein Mann, der einsteht für ein Europa der Werte, der Menschenrechte und des Gemeinsinns. In Polen und Ungarn wird Ursula von der Leyen vor allem als siebenfache Mutter gefeiert. Sie muss sich nun ohne Verrenkungen für die Unverhandelbarkeit des Rechtsstaates und für das Prinzip der Solidarität aussprechen. Mit anderen Worten: gegen das Europa von Orban, Kacynski, Le Pen und Salvini…

Während sich bis zur letzten Woche so alles im Vagen hält (Katarina Barley: „Sie muss irgendwo im Vagen bleiben“), schlägt am Mittwochabend die Stimmung um, nach der Entscheidung der Grünen Fraktion: „Wir werden gegen von der Leyen stimmen“. Nach einer viel beachteten Anhörung, die via Internet öffentlich gemacht wird, (https://www.youtube.com/watch?v=p45XJg7DPmI externer Link  und https://www.spiegel.de/politik/ausland/ursula-von-der-leyen-praesidentin-der-europafeinde-sagt-gruenen-politiker-sven-giegold-a-1277059.html externer Link – sowie https://www.tagesspiegel.de/politik/kreuzverhoer-der-eu-fraktionen-von-der-leyen-kaempft-gegen-den-holprigen-start/24580862.html externer Link) erklärt Sven Giegold: „Entscheidung der grünen Fraktion! Wir werden gegen von der Leyen stimmen“.

Und die beiden Gründe dafür sind ziemlich grundsätzlich:

Seitdem überschlagen sich die Ereignisse, berichtet Eric Bonse. Auch bei den Konservativen gebe es Unzufriedene, die mit Nein stimmen könnten, heißt es plötzlich. Von den 182 Abgeordneten der EVP könnte ein Dutzend aussscheren.

Was die Angelegenheit noch unberechenbarer macht: Die Wahl ist geheim, einen Fraktionszwang gibt es am Dienstagabend nicht. (https://taz.de/Das-Europaeische-Parlament-vor-der-Wahl/!5606812/ externer Link. Siehe weiter auch den Überblick über diese Entwicklung bei Eric Bonse in der TAZ: https://taz.de/Eric-Bonse/!a133/ externer Link)

Die Liberalen dagegen zählen zu den Unentschlossenen, aber es grummelt vernehmlich unter ihnen. Sie schicken einen Brief an die Kandidatin. Darin fordern sie, eine verbindlichen Mechanismus zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit samt Strafen – sowie die Zusage eine großen Reformkonferenz abzuhalten, um die Demokratie in Europa zu stärken.

Das ist gerade mit Blick auf Osteuropa für vdL heikel. Denn bei einem Treffen mit der rechts-konservativen EKR-Fraktion, wo die Polen den Ton angeben, hatte vdL durchblicken lassen, dass sie es mit der Durchsetzung des Rechtsstaates nicht so eilig hat. (vgl. https://www.freitag.de/autoren/wolfgang-michal/orbans-kandidatin externer Link) Das könne man den Gerichten überlassen, wird sie zitiert. – Auch die Reformkonferenz ist nicht ihr Ding… (https://taz.de/Das-Europaeische-Parlament-vor-der-Wahl/!5606812/ externer Link) Die Sache wird nicht einfacher, dass die Sozialdemokraten noch auf fünf eng bedruckten Seiten eine umfassende „Agenda for Change“ einbringen…

Einfach keine Mehrheit für den Klimaschutz im Europa-Parlament.

Aber auch erwähnenswert ist, dass der Versuch einer „Großen Koalition Plus“ schon nach der Europawahl am Klimaschutz gescheitert ist. (zur wissenschaftlichen – d.h. faktischen – Bedeutung politisch gegen das Untergangsszenario des Klima-Wandels anzugehen, kann noch einmal der erste Teil von Rezo angehört werden: https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ externer Link )

Diese beim Klimawandel gescheiterte große „Vier-Parteien“Koalition bestand aus der EVP, den Sozialdemokraten, den Liberalen und den Grünen… (https://taz.de/Das-Europaeische-Parlament-vor-der-Wahl/!5606812/ externer Link)

Auch wenn die ganze aktuelle Diskussion sich auf die EU-Kommisionspräsidentin konzentriert, so kann nicht übersehen werden, dass es auch um die Besetzung der Europäischen Zentralbank, die Nachfolge von Mario Draghi durch Christine Lagarde geht. (Genaueres folgt später) (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-lagardes-wettlauf-1.4523735 externer Link)

Cerstin Gammelin sieht im Vergleich zum bisherigen Präsidenten Draghi bei dem Kommunikationsstil von Christine Lagarde der politische Einfluß auf die Politik der Zentralbank größer werden könnte.

So sah es vor dem Wochenende am 13. / 14. Juli aus:

Es sieht mit „unserer“ von der Leyen bei dieser nationalistischen Rechtsdrift von Orban & Co. schlecht aus um Europa – und Daniel Brössler erklärt zu Recht, dass es für deutsche EU-Abgeordnete jetzt keinesfalls eine Pflicht gibt, für die Deutsche zu stimmen (https://www.sueddeutsche.de/politik/europa-garstig-1.4521127 externer Link) – dennoch bleibt weiter die Frage aktuell, ob jetzt am 16. Juni, wenn das Europa-Parlament über diese Kandidatin abstimmt, kein Kraut mehr dagegen (= diese Rechtsdrift aus Osteuropa mit Orban & Co.) gewachsen ist?

Es ist ein politisches Elend mit den demokratischen Grundsätzen in dieser Europäischen Union: Muss das Europa-Parlament jetzt an der ganz zentralen Aufgabe scheitern, demokratische Macht für das Europa (!)-Parlament zu erringen – im Zeitalter der „transformierten“ Volksparteien-Demokratie in seiner neu hervorgetretenen politischen Vielfalt? (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2019/juli/die-transformation-der-volksparteiendemokratie externer Link)

Der Völkerrechtler Christoph Vedder aus Augsburg sieht das Parlament gerade angesichts dieser neuen Konstellation – im Gegensatz noch zum letzten Mal als Jean-Claude Juncker durch eine Volksparteien-Koalition (Konservative / Sozialdemokraten) gewählt wurde – in dieser Frage scheitern (https://www.sueddeutsche.de/politik/gastbeitrag-machtkampf-in-europa-1.4521134 externer Link).

Und so ergibt sich das durch dieses Versagen für eine demokratisch-konstruktive Mehrheitsfindung so missliche Bild: Die neue konservative Chefin aus Deutschland wird EU-Chefin von Orbans Gnaden dem Rechtspopulisten aus Ungarn. (https://taz.de/EU-Personalie-Ursula-von-der-Leyen/!5611630/ externer Link)

Und die einzige Fraktion, die aus meiner Sicht bisher einen klaren Maßstab für die Wahl zum Kommissionspräsidenten / in angelegt hatte, waren die Grünen:

  • nämlich die Rechtsstaatlichkeit (siehe Polen und Orban)
  • und die Klimawandel-Politik

So mussten sie das „Wegtauchen“ der Kandidatin zu diesen europapolitisch grundsätzlichen Themen feststellen (https://taz.de/Designierte-EU-Kommissionspraesidentin/!5611553/ externer Link).

Mei, und so sah das bisher aus, was wir hier so diskutieren – gar mit einer „Vier-Parteien-Koalition“ die bisherige Dominanz des Rats mit der Kandidatin von der Leyen brechen? – hin zu einer Demokratisierung der Europäischen Union? (Herrschaft des Parlamentes!)

Welche Macht für das EU-Parlament kann am 16. Juli errungen werden?

Mit der drängenden Verfassungsdiskussion – nur bis wir soweit sind, wird voraussichtlich noch ein wenig Wasser den Rhein runterfließen, auch solche Verfassungen zugunsten des Parlamentes wurden auch in „früheren Zeiten“ erst dann festgeklopft, wenn das Parlament tatsächlich – mit Mehrheit! – diese Macht demonstrieren konnte.

Aber ich sehe am 16. Juli für das Parlament eine mögliche Zwischenstufe – aber damit auch die Möglichkeit zur demokratischeren Zeitenwende für die EU! Wenn wir uns jetzt einmal vergegenwärtigen, dass wir inzwischen eindeutig im Zeitalter einer „transformierten“ Volksparteien-Demokratie angekommen sind. (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2019/juli/die-transformation-der-volksparteiendemokratie externer Link) Und ich habe den Eindruck, dass die Parteien im Europa-Parlament dieses Signal verstanden und aufgenommen haben.

Und es ist zumindest die Hoffnung, dass – anders als bei Volksparteien bisher üblich, wo die Minderheiten von einer Mehrheit erdrückt meist ins Aus gechickt wurden (sie hatten ja in der jeweiligen Volkspartei noch keine „Mehrheit“, um die sie erst einmal weiter zu ringen, verdammt wurden), jetzt wenn vier Parteien um eine gemeinsame Position eine Mehrheit im EU-Parlament erringen (= wenn sie das nicht gemeinsam schaffen, dann ist es eben nichts mit der Macht der Abgeordneten und des Parlaments!) sich auseinandersetzen (https://taz.de/Buetikofer-ueber-EU-Postenvergabe/!5608251/ externer Link), wird für jede dieser vier Parteien ein Essential in der gemeinsamen Position stecken müssen.

Grob gesagt, wenn diese vier Parteien es zu einer solchen gemeinsamen „Plattform“ im Parlament – gegenüber den Vorgaben des Rats der Regierungschefs mit ihren (nur Personalvorschlägen) schaffen, dann könnten sie ein schönes Potential für die Demokratisierung der Europäischen Union nebst ihrer Parlamentarisierung freilegen!

Also schauen wir einmal, wieweit es diesen „vier Parteien“, die Reinhard Bütikofer (Grüne) genannt hat (https://taz.de/Buetikofer-ueber-EU-Postenvergabe/!5608251/ externer Link), zu einer gemeinsamen Plattform – und damit einer Mehrheit im Parlament – schaffen?

Das ist jetzt unsere gemeinsame Hoffnung für diesen 16. Juli, an dem das Europa-Parlament Ursula von der Leyen, der vom Rat vorgesehenen EU-Kommissionspräsidentin,gegenübertritt – und damit die Vorstellungen des Rates demokratisierte Konturen erhalten können!

EU-Parlament: doch nicht eine Zeit für den Aufstand

Also, ich würde die Verfassungsdiskussion für die EU wieder schnellstmöglich beginnen, mit demokratischen Grundwerten wie im GG oder in der französischen Verfassung. Und wen die Orbans und Salvinis sich auf so etwas nicht einlassen wollen, dann sollen sie eben außen vor bleiben.

Aber ich denke, dass können sie sich (derzeit noch nicht) vor ihrer Bevölkerung leisten, weil auch sie ja wiedergewählt werden wollen.

Wenn wir aber noch länger mit dieser Diskussion warten, geben wir den Orbans und Co. nur noch mehr Zeit und Gelegenheit zur Gleichschaltung der Medien, der öffentlichen Wahrnehmung und zuletzt des bürgerlich-demokratischen Widerstandes.

Leider spielt die SPD in diesem Zusammenhang keine gute Rolle; viel zu schwach, zu angepasst an momentane Umfragewerte und ohne politische Ziele, ganz zu schweigen von Visionen.

Die aktuelle Diskussion um das Verfahren zur Ratspräsidentschaft ist dabei nur ein Nebenkriegsschauplatz und trifft – wie ich es schön erläuterte – nicht den Kern des Problems.

Einerseits dürfte das EU-Parlament – letztlich – ein wenig mehr Einfluss bekommen (schließlich muss es ja dem Personalvorschlag des Rats der Regierungschefs zustimmen…) Aber dennoch bleibt der Europäische Rat das bestimmende Element – Oder noch genauer – wie es ein anderer „Verlierer“ in diesem Postenrennen Manfred Weber (CSU), der ja schließlich für die EVP als Spitzenkandidat – und damit eigentlich prädestiniert für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten – angetreten war, es ausdrückte: Es gab mächtige Kräfte – und die Achse Macron und Orban hat sich durchgesetzt. (https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-gipfel-kommissionspraesidentin-von-der-leyen-1.4512923 externer Link)

Und diese „Achse“ brachte zwei gute Frauen aus Deutschlandland und Frankreich an einflussreiche Positionen (selbst wenn einem weder Orban noch Macron so richtig gefällt). Und vorher hatten die „Hinterzimmer“ auch schon definitiv herausbekommen, ob es bei der Frage, wie geschlossen das Parlament gegen den Rat stehen würde, schon Klarheit geben würde – und spätestens nach dem Gipfeltreffen der G 20 in Osaka – wurde klar, dass es weder für Weber von der EVP noch für Timmermans von den Sozialdemokraten eine Mehrheit geben würde.

Ja, es stellte sich heraus, dass sich der Widerstand und die Interessen in mehrere Lager aufteilten – und Macron wollte unbedingt verhindern, dass einer der Spitzenkandidaten Kommissionschef wird. Flankiert vor allem vom italienischen Premier Conte machte Macron klar, dass weder Weber noch Timmermans eine Chance hätten. (https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-gipfel-kommissionspraesidentin-von-der-leyen-1.4512923 externer Link)

Entscheidend für Timmermans „Aus“ war der Widerstand aus Italien – und als das Nein Italiens gegen Timmermans klar war, musste der Sozialist zurückgezogen werden. (Dazu die Visegrad-Staaten – nebst Macron im Hintergrund…) Der Cicero sieht in Macron auch schon den neuen Sonnenkönig… (https://www.cicero.de/aussenpolitik/emmanuel-macron-der-neue-sonnenkoenig externer Link)

Dazu braucht nicht verschwiegen werden, dass auch einige EVP-Regierungs-Chefs es nicht zulassen wollten, dass ein Sozialdemokrat an die Spitze der Kommission gelangen würde…

Europa: Vive la Uneinigkeit – dennoch ist Europa noch nicht gescheitert

So überschreibt Kurt Kister den Leitkommentar in der Süddeutschen zu diesen Ereignissen (https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-gipfel-nationalstaaten-1.4512779 externer Link).

Einer anfängliche Euphorie für Europa folgt schon länger die Ernüchterung. Die EU besteht aus 28 Staaten, die nicht alle die Grundvoraussetzungen erfüllen, was Menschen- und Freiheitsrecht angeht. Etliche Länder werden von Regierungen geführt, die nationalistische Interessen verfolgen und die offene Gesellschaft ablehnen. Der Zusammenhalt schwindet – und die Briten gehen. (was jedoch auch ein wenig abschreckend noch wirkt..)

Sollten aber in Frankreich die Reaktionären von Le Pen die nächst Präsidentschaft gewinnen, wird dies ein riesiger Rückschritt in der EU-Geschichte sein…

Nein, – so schließt Kurt Kister – Europa ist deswegen nicht gescheitert. Aber man sollte die EU so nehmen, wie sie ist (was ja Merkel getan hat): Eine Regionalorganisation, die Partikularismus, große Träume und neuen Nationalismus (was wäre z.B. Orban ohne die EU? …) unter irgendwie zwei bis drei Hüte zu bringen versucht. (https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-gipfel-nationalstaaten-1.4512779 externer Link

Und die SPD steht mit ihrer Kritik an der allein durch die Regierungschefs ausgekungelten Besetzung der Spitzenjobs nicht allein

Während einerseits viel über die Qualifikation von Ursula von der Leyen geschrieben wird (= eine ganze dritte Seite in der SZ) stört Stefan Ulrich auch diese als so selbstverständlich vorausgesetzte Prädominanz der Regierungschefs für eine Aufgabe die eigentlich genuin Sache des Parlamentes sein müsse: Deshalb: Es ist für das Parlament „Zeit für den Aufstand“ (https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-kommission-europa-leyen-1.4509550 externer Link)

Und die SPD macht sich mit einem weiteren Duo für den Parteivorsitz auf den Weg (https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-vorsitz-kampmann-roth-1.4510133 externer Link)

SPD – aber auch Grüne – gegen von der Leyen, weil im Prozess der Besetzung der Spitzenposition dem Druck dieser rechten Visagrad-Staaten die dafür keine Mehrheit hatten, nachgegeben wurde denen Timmermans, der eine Mehrheit im Parlament finden konnte, mit der Durchsetzung der Rechtsstaatsverfahren gegen diese Staaten einfach nicht passte: Die Entscheidung für von der Leyen, war also durch ein Einknicken gegen die Rechtsstaatlichkeit, bewirkt worden – also einen eindeutigen Rechtsruck gegen die Rechtsstaatlichkeit zur Voraussetzung hatte (https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-562365.html externer Link )

Die rechten Nationalisten in Ungarn mit Orban, in Polen mit Kaczinsky – und letztendlich auch Italien mit Salvini geben jetzt der EU die politische Melodie vor, um eine Ende des Rechtsstaats zu besiegeln! Kein gutes Omen für das zukünftige Europa!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151775
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