Soziales Europa: EGB sieht „letzte Chance“

Dossier

Brexit: No to EU Austerity„Am kommenden Montag wird EU-Kommissionspräsident Juncker die Pläne der Kommission zur „Säule sozialer Rechte“ in der EU vorstellen. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) meint: Das ist wohl seine letzte Chance, weit verbreitete Ressentiments gegen die EU zu bekämpfen…“ DGB-Pressemitteilung vom 20. Januar 2017 externer Link mit Link zur kompletten Pressemitteilung des EGB (Englisch). Siehe nun das Ergebnis und Kommentare:

  • Eine „soziale Säule“ mit vielen Fragezeichen: Warum in Widersprüchen eingebettete Symbolpolitik für einen Kurswechsel in der EU nicht ausreicht New
    „Mit langer Vorlaufzeit, großen Ankündigungen und einer öffentlichen Konsultation wurde einiges an Spannung aufgebaut: Die sogenannte „europäische Säule sozialer Rechte“ sollte das Prestigeprojekt der EU-Kommission unter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur Stärkung der sozialen Dimension der EU darstellen. Nun wurde der Vorhang gelüftet und das Ergebnis fällt bescheiden aus: Im Mittelpunkt steht eine Liste unverbindlicher Grundsätze. Ein tatsächlicher Kurswechsel zu einem sozialen Europa wird damit nicht eingeleitet. (…) Mit der Initiative einer „europäischen Säule sozialer Rechte“ wurde eine Diskussion angestoßen. Diese sollte für eine breit geführte Debatte über die Voraussetzungen für ein soziales Europa genutzt werden. Das bedeutet, mit langem Atem darauf hinzuarbeiten, dass Spielräume für die Realisierung sozialen Fortschritts auf unterschiedlichen politischen Handlungsebenen erweitert werden, um ein neues Wohlstands- und Verteilungsmodell zu ermöglichen. Doch auf dem Weg dorthin müssen konkrete Einstiegsprojekte gesetzt werden. Es muss daher weiter Druck gemacht werden, um konkrete auf sozialen Fortschritt abzielende Maßnahmen zu verwirklichen…“ Beitrag von Nikolai Soukup vom 8. Mai 2017 bei arbeit-wirtschaft.at externer Link, siehe dazu auch:

  • Flexible Arbeitsnomaden: Initiative der EU-Kommission definiert einen neoliberalen Sozialbegriff New
    „Ende April hat die EU-Kommission ihre Vorschläge zum Aufbau einer »europäischen Säule sozialer Rechte« präsentiert. Bereits im Vorfeld hatte ihr Präsident Jean-Claude Juncker die soziale Säule zur Toppriorität erklärt. Nach Jahren der »Troika«-Kürzungspolitik in Südeuropa, der Übergriffe des Europäischen Gerichtshofs gegen die Rechte von Arbeitern und der steuerfinanzierten Bankenrettungen durfte man gespannt sein, wie der nun verkündete Richtungswechsel hin zum sozialen Europa aussehen soll. Was steckt also drin in den Vorschlägen? (…) Als »soziales Europa« konstruiert die Kommission eine Problemstellung und ein Lösungsangebot, in dem Sozialabbau zur Sozialpolitik verklärt wird. Schutz vor Marktaggressionen ist nicht zu erwarten. Bestenfalls können die Menschen darauf hoffen, wirkungsvoller auf ein Dasein als Ware auf dem Arbeitsmarkt, als Marktmensch, vorbereitet zu werden. Die Reflexionen der Kommission zielen letztlich darauf ab, das Konzept des Sozialen so umzugestalten, dass es umstandslos in das neoliberale EU-Konstrukt eingebunden werden kann. Was neoliberal ist, kann aber nicht sozial sein. Neoliberale Politik unterwirft die Menschen den Märkten und den mächtigen Playern. Soziale Politik schützt sie davor, ist also das Gegenteil, nämlich anti-neoliberal.“ Gastbeitrag von Alexander Ulrich und Steffen Stierle bei der jungen Welt vom 8. Mai 2017 externer Link
  • Die Europäische Säule sozialer Rechte
    „… Gemessen an Vorlauf und geschürten Erwartungen sind die nun veröffentlichten Dokumente eine herbe Enttäuschung. (…) Was aber folgt daraus? Aus meiner Sicht dreierlei. Erstens, wenn es denn so ist, dass die Aussichten auf soziale Harmonisierung auf europäischer Ebene bis auf weiteres sehr gering sind, muss das Soziale auf Ebene der Mitgliedstaaten besser vor destruktiven Übergriffen von Grundfreiheiten, Wettbewerbsrecht und den neuen Überwachungs- und Korrekturverfahren in der Eurozone geschützt werden. Namentlich müssen die sozialen Sicherungssysteme, die Tarifautonomie und die Mitbestimmung außerhalb der Anwendungsbereiche von Grundfreiheiten und europäischem Wettbewerbsrecht sowie der sanktionsbewehrten Korrekturverfahren stehen. Zweitens, um Blockaden bei sozialen Projekten aufzulösen, sollten Möglichkeiten der differenziellen Zusammenarbeit verstärkt ausgelotet werden. Einige Möglichkeiten differenzierter Integration bestehen bereits jetzt, über andere ließe sich im Zuge der EU-Reformdebatte nachdenken. Und drittens, die Debatte über die soziale Dimension der europäischen Integration muss, insbesondere im deutschen Mitte-Links-Spektrum, endlich entideologisiert werden. Es bringt nichts, jede ernsthafte Debatte über den sozialen Stand und die soziale Zukunft der EU mit einer meterdicken Schicht der weißen Salbe der Erzählung eines angeblich im Entstehen begriffenen „sozialen Europas“ zu überdecken. Denn die Diskrepanz zwischen Erzählung und Realität wird ihrerseits zum Einfallstor für genau jene Enttäuschung, von der der neue Rechtspopulismus zehrt.“ Beitrag von Martin Höpner vom 27. April 2017 bei Makroskop externer Link – ein Standpunkt, über den sich allerdings streiten lässt…
  • „EU-Kommission hat Chance regelrecht verspielt“ – DGB fordert EU zum Handeln für soziale Gerechtigkeit auf
    „… Versprochen wurde eine Stärkung des sozialen Europas, die ein triple-A-Ranking verdient. Herausgekommen ist ein Paket von satten 17 Dokumenten. Das klingt nach einem großen Wurf, ist aber nicht mehr als ein leeres Versprechen. „Die EU Kommission hat die Chance für mehr Glaubwürdigkeit regelrecht verspielt“, sagt DGB-Chef Reiner Hoffmann. „Die Ergebnisse sind absolut unzureichend und enttäuschend. Statt das soziale Europa fit für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu machen – Digitalisierung, Globalisierung und demographischer Wandel – mit Initiativen und einem starken Ausbau der sozialen Rechte, liefert die Kommission nur 20 unverbindliche Grundsätze. Und dafür hat sie anderthalb Jahre diskutiert? Die Kommission bleibt überzeugende Antworten schuldig, wie die europäische Politik dazu beitragen will, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern…“ DGB-Pressemitteilung vom 25. April 2017 externer Link
  • Dieser “soziale Pfeiler” ist ein Witz
    „Die EU soll einen “sozialen Pfeiler” bekommen. So haben es die 27 Chefs auf ihrem Jubelgipfel in Rom beschlossen. Doch der erste Entwurf der EU-Kommission ist ein schlechter Witz. Die Brüsseler Behörde will nämlich – folgt man deutschen Presseberichten – nur ein paar unverbindliche Grundprinzipien festlegen. Außerdem soll es eine Art Sozial-Ranking für die EU-Staaten geben. Doch greifbare Vorschläge – etwa zum Mindestlohn, oder zum Kündigungsschutz – sucht man vergebens. Nur die Elternzeit für Väter wird festgeschrieben – auf mindestens vier Monate. Das ist ein schlechter Witz, wenn man die soziale Krise in vielen EU-Staaten anschaut…“Blog von Ebo vom 24. April 2017 bei Lost in Europe externer Link
  • Siehe zu den Hintergründen für das Verhalten der EU-Kommission: Junckers Halbzeitbilanz: Vorfahrt für die Industrielobby
    Noch immer ist der Lobbyeinfluss auf die EU-Kommission unausgewogen – zugunsten der Vertreter von Unternehmensinteressen. Das zeigen unsere neuen Auswertungen der Lobbytreffen der letzten zwei Jahre von sämtlichen Ressorts unter Präsident Juncker. (…) Das liegt sicher nicht nur an der Kommission. Die Kräfteverhältnisse in unserer Gesellschaft sind das Problem. Zwei Drittel der rund 30.000 Lobbyisten in Brüssel vertreten Unternehmen und Vermögende. Finanzstarke Interessen können sich deshalb oftmals mehr Gehör bei den politisch Verantwortlichen verschaffen. (…) Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie politische Institutionen ausgestattet sein müssen, damit sie künftig nicht auf externe Expertise angewiesen sind. Einen Wettbewerb um Ressourcen werden zivilgesellschaftliche Akteure stets verlieren. Ausgewogene Anhörung von Interessen erreichen wir also nur, wenn sich die Ausstattung und das Verhalten der Kommission grundsätzlich verändert!“ Beitrag von Max Bank vom 24. April 2017 bei LobbyControl externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=110538
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