„Mario Draghi’s Economic Ideology Revealed“

Wie EZB-Präsident Draghi mit Statistiken „lügt“ – oder die einseitige Ideologie des angeblich „neutralen“ EZB-Chefs Mario Draghi. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 29.4.2013

Ei, mit welchen statistischen Tricks Draghi den französischen Staatspräsidenten Hollande mit seinem Vorstoß gegen die Austeritätspolitik in Europa „ausschaltet“:
– oder wird es dem zunächst überraschten Holland noch gelingen den gegen Frankreich gerichteten Propaganda-„Fehler“ aufzudecken (= „reveal“)?)

Mario Draghi`s Economic Ideology Revealed

ECB President Mario Draghi made a presentation to heads of state and government at last week`s European Council on the economic situation in the euro area. His intent was to show the real reasons for the crisis and the counter-measures needed. In This he succeeded – but not in the way he intended. Draghi presented two graphs that encapsulate his central argument: Productivity growth and wage growth…“ (http://www.social-europe.eu/2013/03/mario-draghis-economic-ideology-revealed/ externer Link) … Andrew Watt (IMK) hat sich diesen von Mario Draghi konstruierten Vergleich genauer angeschaut – und feststellen müssen: Der EZB-Präsident vergleicht Äpfel mit Birnen. „Draghis Produktivitätsmaß zeigt an, wieviel mehr ein Beschäftigter im Jahr 2012 real produziert hat, verglichen mit dem Jahr 2000“, erläutert Watt. „Bei der Lohnentwicklung hingegen zeigt Draghi nominale Werte – mit anderen Worten: Das Produktivitätsmaß berücksichtigt die Teuerungsrate, die Entgeltentwicklung tut dies nicht.“ Damit blende der EZB-Chef die schwache deutsche Lohnentwicklung aus, die gerade ein wichtiger Grund für die wirtschaftsliche Instabilität des Euroraumes ist. Und damit führt er die Politiker – wie den überraschten Hollande – auf einen gefährlichen Irrweg. Nur dort, wo die Reallöhne sich in Anlehnung an die Produktivität entwickeln, bleiben die Anteile der Arbeits- und der Kapitaleinkünfte konstant…

Der an den Pranger gestellte Hollande mit „seinem“ Frankreich liegt bei Berücksichtigung der „Zielinflationsmarke“ durch die EZB von rund 2 Prozent nämlich dann genaugenommen richtig, während „Deutschland die Stabiltätsvorgaben für ein ausgeglichenes Wachstum in einer Währungsunion systematisch unterlaufen hat – und damit entscheidend zur Eurokrise beigetragen hat.“ (vgl. dazu „Deutschland schadet dem Euro“: http://www.boeckler.de/42599_42614.htm externer Link sowie http://www.boeckler.de/impuls_2013_06_2.pdf externer Link pdf)

Aber es bleibt zu hoffen, dass sich Hollande als Präsident der stolzen französischen Nation durch „so ein bißchen“ EZB-Draghi in seiner Abkehr von der Austeritätspolitik doch nicht so schnell entmutigen lässt, auch wenn zunächst wieder sein betretenes Schweigen nicht zur Hoffnung anregt.
(http://www.nachdenkseiten.de/?p=16869#h03 externer Link)

Nur Bundeskanzlerin Merkel hat durchaus erkannt, wer da fest hinter ihrem – so desaströsen – Spardiktatskurs steht und dabei auch noch so nett ist, den „Lohndumping-Teil“ des Exportüberschuss-Modells aus Deutschland so lapidar unter den Tisch zu kehren – und versäumt es auch nicht dem EZB-Präsidenten dafür ein paar „Streicheleinheiten“ aus der deutschen Regierung zu erteilen. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/krisenpolitik-der-ezb-merkel-bemitleidet-draghi-1.1659092 externer Link)

Wird dadurch ein bisheriger Dissenz mit der EZB beim Kauf von Staatsanleihen auch noch begradigt? – Das Bundesverfassungsgericht als Nothelfer –

Bei all dieser jetzigen konzeptionellen Gemeinsamkeit zwischen der EZB und der Bundesregierung sollte nicht übersehen werden, dass Deutschland durch die Bundesbank auch schon eine recht heftige Attacke gegen ein Kapitalmarkt-Intervention der EZB unternommen hatte – mit dem Bundesbankpräsident Jens Weidmann als „Wadl-Beißer“ der Bundesregierung: Bei den Sekundärmarktkäufen von Staatsanleihen.

Und wer noch einmal genauer nachlesen will, mit welcher Arroganz und Rigidität Jens Weidmann und die Bundesbank die Interessen der deutschen Gläubigerposition mit weiter steigenden Zinsen bei den Südländern gegenüber der EZB verteidigt hat und damit den Zusammenhalt der Eurozone gefährdete, der kann noch die Analyse von Stephan Kaufmann zum „Stabilitätsrisiko Bundesbank“ nachlesen. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/ezb-kritik-stabilitaetsrisiko-bundesbank,1471908,22593210.html externer Link)

So sehr die EZB – zuletzt wohl bei Italien – dieses Instrument dann aber wiederum doch genutzt hatte, um gleichzeitig die Akzeptanz der Austeritätspolitik durch die „Troika“ zu erreichen, so sehr war die relative Zinssenkung durch diese Tätigkeit der EZB doch auch wieder für die Staatsschulden der jeweiligen Staaten entlastend. Unter diesem Druck gaben die Regierungen in Europa auch dem „geforderten“ Spardiktat nach.

Können wir dies als „Friedensschluss“ in dieser Sache jetzt verstehen? Kanzlerin Merkel kann – auch mit klarer Unterstützung der EZB – „ihre“ Austeritätspolitik weiter verfolgen – mit all ihren geschilderten schrecklichen Folgen. Die EZB kann „dafür“ im Gegenzug durch den Kauf von Staatsanleihen wenigstens einen „Sprengstoff“ in der Eurozone entschärfen, der in der exorbitanten Zinssteigerung auf die Staatsschulden der sog. „Krisenländern“ liegt – und somit auf Zeit einmal erst das Auseinanderfallen der Eurozone durch die ins unermessliche – und damit auch untragbare – steigende Staatsschuld zu verhindern.

Konsequent wäre es, diese Fähigkeit der EZB – sozusagen als echte Notenbank der Eurozone – in das EZB-Statut einzubauen. Aber dies könnte auch das Bundesverfassungsgericht jetzt so entscheiden, dass um das Fortbestehen der Eurozone zu sichern, in letzter Konsequenz auch eine vom Finanzmarkt unabhängige Finanzierung eines Landes erfolgen kann, um auf jeden Fall den Verbleib eines Landes in der Eurozone abzusichern. (vgl. www.nachdenkseiten.de/?p=17048#h03 externer Link)

Oh, wie schön wäre eine solche Durchsetzung der Unabhängigkeit von „souveränen“ Staaten von den Finanzmärkten, kann man da nur sagen, wenn schon die Politik „praktisch“ zu keiner – allein politischen Garantie der Eurozone jenseits der Finanzmärkte – in der Lage ist – außer durch so allgemeine Sprüche „Wenn der Euro untergeht, geht Europa unter“ (Merkel). Vielleicht sieht ja das Bundesverfassungsgericht jetzt doch noch eine Notwendigkeit der Erhaltung staatlicher Souveränität in der Eurozone?

Damit hätten wir noch nicht das Finanzierungs-Niveau mit Eurobonds erreicht wie sie dem „Star-Investor“ Soros vorschweben würde, (vgl. den Soros-Link in dem Abschnitt weiter unten „Mario Draghi`s Verbundenheit mit…..“), aber doch immerhin einen kleinen Schritt zur Entlastung der Krisenländer bei „ihren“ Staatsschulden.

Was kann da noch eine Explosion der Ungleichheit stören?

Diese beiden Gesinnungs-GenossInnen für eine „marktkonforme Demokratie“ (www.nachdenkseiten.de/?p=10611 externer Link) kann dann auch die Explosion der Ungleichheit nicht mehr stören, die unserem „Nestor“ der deutschen Sozialgeschichte Hans-Ulrich Wehler inzwischen die Zornesadern so schwellen lässt – als Problem von Macht und Herrschaft. (http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2013/april/die-explosion-der-ungleichheit externer Link) Aber zur ökonomischen Bedeutung der durch politische „Initiative“ verlorengegegangenen Gleichheit, wirf noch einen Blick zurück auf den Abschnitt „Die verlorene Gleichheit als Krisenursache“ (auf der Seite 5 bei https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/die-deutsche-kanzlerin-gibt-jetzt-in-und-fur-europa-das-paulinchen-mit-dem-feuerzeug/).

Dabei beginnt man in Deutschland auch noch Stolz auf eine so deutliche Manifestation dieser Ungleichheit, die Tafeln, auch noch sein zu wollen. Dagegen gibt es jetzt doch in Berlin Widerspruch – z.B. durch den unermüdlichen Kämpfer Peter Grottian, der darin nur eine weitere Form der Demütigung erkennen kann. (http://www.taz.de/Politologe-Grottian-ueber-Armentafeln/!115183/ externer Link)

…. verbunden mit einer Zerstörung der Demokratie

Genausowenig kann dann auch diese Beiden – im ideologischen Geiste so vereinten – die Zerstörung der Demokratie stören, die den Sozialwissenschaftlern Claus Offe („Europa in der Falle“: https://www.labournet.de/?p=21892 oder auch www.nachdenkseiten.de/?p=15712#h07 externer Link) und Wolfgang Streeck (Adorno-Vorlesung: „Wie der Kapitalismus die Demokratie zerstört“: https://www.labournet.de/politik/wipo/wipo-deb/wipo-all/eine-anregung-zur-krisen-wahrnehmung-wie-der-kapitalismus-die-demokratie-zerstort/) mit einem je unterschiedlichen Blick auf diese Krise zerstörungsheischend in die Augen fällt.

Mario Draghi`s Verbundenheit mit dem Merkel-Fiskalpakt-Spardiktat

Da stellt sich doch für den erstaunten Leser die drängende Frage, wieso verdreht der Chef der „neutralen“ europäischen Notenbank die Fakten so, dass sie den Austeritätskurs von Merkel-Deutschland auch noch stützen – und Europa immer tiefer in die Euro-Krise treiben?

Nur bei einiger Aufmerksamkeit kann man sich jetzt erinnern, dass die selbe Europäischen Zentralbank ihren herausgehobenen Status als sog. „neutrale Instanz“ kürzlich schon einmal für einen Propaganda-Coup im Interesse Deutschlands nutzte, indem sie die Deutschen zu dem „Ärmsten“ im Euro-Raum machte.
(https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/ezb-landet-proganda-coup-im-deutschen-interesse-aber-da-kommt-soros-mit-einem-gegenschlag-den-sudlandern-zu-hilfe/)

Nur wie oft kann sich die EZB noch solche Falsch-Orientierungen leisten, ohne den totalen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit als neutraler Instanz für die Eurozone nebst dem „stillschweigenden“ In-Kauf-Nehmen des Scheiterns des Euro?

Radikalisierter Marktfundamentalismus wird nicht zum Ausweg aus dieser Krise

Nur leider führt aus dieser neoliberalen Krisensackgasse nicht die „Alternative“ heraus, den neoliberalen Wahn noch einmal zu radikalisieren, um dabei die FDP noch in ihrer Marktradikalität zu überholen – wie es jetzt zur Bundestagswahl die „AfD“ so vehement vorträgt. (vgl. „Die deutsche Teaparty“ von Jens Berger bei www.nachdenkseiten.de/?p=17039#h01 externer Link)

Dieser „Paläolibertarismus“ (Jens Berger) – oder auch absoluter Marktfundamentalismus – fordert die Unterwerfung aller Lebensbereiche unter die Marktideologie. Soziale Autoritäten wie Familie und die Kirche sollen dabei das Individuum vor dem Staat schützen, der für Paläolibertäre das eigentlich Feindbild ist.

Das inzwischen doch so offensichtliche Scheitern der Merkel-Draghi-Eurokrisenpolitik

Doch immer offensichtlicher steckt sich ein Kontinent mit der Krankheit Rezession an, weil nirgendwo auf die Nachfragseite geschaut wird. Aber das hat jetzt die von Deutschland oktroierte Sparpolitik desavouiert. Robert von Heusinger fordert deshalb jetzt ein Umdenken: „Höchste Zeit für einen Schwenk“ (http://www.fr-online.de/meinung/leitartikel-hoechste-zeit-fuer-den-schwenk,1472602,22532494.html externer Link – oder auch noch www.nachdenkseiten.de/?p=17009#h02 externer Link)

Es geht nämlich in der Eurozone um den Sparkurs in dieser Euro-Krise und um das Paradigma der – leider immer noch – tonangebenden deutschen Ökonomen, dass nur „Reformen“ a la Hartz und eine Haushaltskonsolidierung (Sparen, sparen „über alles“!) dafür sorgen würden, die Krise nachhaltig zu überstehen. Das war von Anfang an ein großes – und wie sich inzwischen so deutlich zeigt auch gewagtes theoretisches – Experiment. Gut drei Jahre nach dem Beginn der Krise ist dieses Experiment entschieden: Während die Arbeitslosigkeit in Euroland und den USA Anfang 2010 bei beiden gleich bei je rund 10 Prozent lag, ist sie in der einen Wirtschaftszone (USA) auf acht Prozent gesunken, während sie in der anderen (Eurozone) auf 12 Prozent gestiegen ist. In den USA gibt es wieder Hoffnung, in Euroland herrscht dagegen Frust, Depression und Wut – die sich in einer „gespaltenen“ Eurozone bei einem „Durchschnitt“ von 12 Prozent Arbeitslosigkeit nur sehr unterschiedlich ausdrückt. So erreicht – neben Griechenland – die Arbeitslosigkeit in Spanien ein Rekordniveau von über 27 Prozent. (http://www.fr-online.de/arbeit—soziales/euro-krise-in-spanien-arbeitslosigkeit-erreicht-rekordniveau,1473632,22581728.html externer Link)

Entsprechend dieser Elendsperspektive eskalieren erst einmal die Proteste in Madrid. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/neun-verletzte-proteste-eskalieren-in-madrid,1471908,22589792.html externer Link)

Und der Soziologe Günter Voß reflektiert die Frage, ab wann dann ein „Knall“ in diesen Gesellschaften fällig wird, der die Demokratien in diesen Gesellschaften einfach aufhebt, weil die allgemeine Grundlage für eine „gemeinsame“ Gesellschaft entfällt. (www.nachdenkseiten.de/?p=17048#h01 externer Link)

Jedenfalls kann Alexis Tsipras für Griechenland, das gepriesen wurde wegen seiner früheren neoliberalen Rezepte von den Finanzmarktauguren ab Mitte der neunziger Jahre, nun als Konsequenz dieser neoliberalen „Entfesselungen“ nüchtern konstatieren, dass Griechenland, das zunächst erfolgreich für viele diesem neoliberalen Pfad folgte, nun tatsächlich ökonomisch einfach total am Ende ist – ob man das jetzt schon den Knall nennen will oder nicht? (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=hi&dig=2013%2F04%2F27%2Fa0174&cHash=f91210aba04f7318304756a0ea41c131 externer Link)

Dabei kann man – gerade um das Scheitern der neoliberalen Ideologie auch am Beispiel Griechenlands ganz exemplarisch zu verdeutlichen – Tsipras und ganz Griechenland wünschen, dass angemessen empirisch arbeitende Sozialhistoriker und Ökonomen diese Abfolge angefangen bei einer Lobpreisung des griechischen – finanzpolitischen so überhaupt nicht nachhaltigen – Modells im „Aufschwung“ als wunderbar, dann in der darauf folgenden Abschwung-Phase von den neoliberal gleich-gestrickten „Instanzen“ als schrecklich und verdammenswert richtig gebrandmarkt wurde, einmal schön sauber analysieren und darstellen. Ich bin gespannt, ob der vielgepriesene „europäische Geist“ zu einer solchen Europa angemessen würdigenden Analyse in der Lage sein wird?

Wie schwierig das gegen ideologisch festgemauerte „Meinungen“ möglich sein wird, zeigt schon die folgende Darstellung wieder am Beispiel Spaniens:
Selbst in der deutschen Presse wird dann auch schon teilweise dieser Hintergrund der sozialen Perspektivlosigkeit angesichts der von Deutschland vorangetriebenen Austeritätspolitik gar nicht mehr einbezogen, so dass der Protest als „nur“ gegen die Sparpolitik gerichtet erwähnenswert erscheint – denn die Sparpolitik gegenüber den „faulen“ Südländern gilt ja im davon – als großes Gläubigerland – profitierenden Deutschland als „notwendig“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/spanien-festnahmen-und-verletzte-bei-protesten-in-madrid-1.1659238 externer Link).

Der Wahnsinn bei der Interpretation dieser Geschichten ist nur, dass dieser Protest „im Grunde“ kein Protest gegen den Euro ist, sondern nur die Wut auf diese Strategie zur Lösung der Krise. Jedoch man muss kein Prophet sein, dass bei aller Beteuerung von Merkel und Co., wenn der Euro stirbt, stirbt Europa – am Ende doch der Euro ein zeitlich begrenztes Projekt werden dürfte – dank Merkel und jetzt auch ihrem übereifrigen „Erfüllungsgehilfen“ Draghi.

So müsste man, es tatsächlich hinausschreien, macht endlich Schluss damit, Menschen ganzer Länder ins Elend zu stürzen – es geht auch anders (http://www.wirtschaftundgesellschaft.de/2013/04/25/eurokrisewolfgang-schauble-der-gefahrlichste-mann-europas-und-ein-pladoyer-fur-europa/ externer Link).

Ach, es ist so traurig, dass die Deutschen wieder einmal die „Goldene Regel“ als ethische Maxime: „Was du nicht willst, dass man dir tu`, das füg auch keinem anderen zu“, weit hinter sich zu lassen beginnen – und die anderen so voll die Macht des (noch) ökonomisch Stärkeren in diesem angeblich gemeinsamen Europa spüren lassen. (vgl. z.B. den entsprechenden Abschnitt auf der Seite 8 f. bei https://www.labournet.de/allgemein/zur-jahreswende-20122013-was-jetzt-auf-uns-wartet-es-wird-spannend-werden/)

Während es im Süden ans „Eingemachte“ geht – stürzt Deutschland langsam auch ab.

Während sich also Deutschland weiterhin mit seinem Lohndumping-Exportüberschuss-Modell auf der sicheren Seite fühlt, kann man zeigen, dass selbst diese „Überschüsse“ für die Deutschen einem „Schwundprozess“ ausgesetzt sind: Die Auslandsvermögen der Deutschen haben im Zuge der Finanzkrise stark an Wert verloren – eigentlich ein weiteres Argument gegen diese dauerhaften Leistungsbilanzüberschüsse. (http://www.boeckler.de/impuls_2013_07_1.pdf externer Link pdf)

Das führt uns auch zurück zu dieser ideologisch so hoch aufgeladenen Falschinterpretation der Krise als „Schuldenkrise“ – denn wo Schuldner sind müssen auch immer Gläubiger sein. (vgl. dazu noch einmal die Abschnitte ab „Ein makroökonomischer Exkurs: Die Saldenmechanik – Die Überschüsse der einen sind die Schulden der andern“ auf den Seiten 7 ff. bei https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/die-deutsche-kanzlerin-gibt-jetzt-in-und-fur-europa-das-paulinchen-mit-dem-feuerzeug/)

Irgendwie geht das wohl auch der „Speerspitze“ des deutschen industriellen Erfolgs langsam aber sicher „auf den Wecker“, wenn der VW-Chef Winterkorn verkünden lässt: „Wir gehen harten Zeiten entgegen“. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/volkswagen-winterkorn-warnt-vor-harten-zeiten-1.1659159 externer Link) Dabei wäre es auch hier – siehe zuletzt die Affäre Hoeneß – (vgl. Uli Hoeneß: www.nachdenkseiten.de/?p=16976 externer Link) sehr reizvoll zu einer um die Reichen erweiterten Erzählung zu kommen (vgl. die Seite 8 unten bei https://www.labournet.de/politik/wipo/finanzmaerkte/steuerpolitik/offshoreleaks-und-jetzt-statt-krisenberichterstattung-eine-krimi-oder-romanschriftstellerei/).

Und die Debatte im Bundestag zeigt wieder die so offensichtliche „Schwäche“ der Bundesregierung gegenüber einer konsequenten Verhinderung der Steuerflucht, wenn der Finanzminister Schäuble schon gleich wieder abzuwiegeln beginnt, der Fall Hoeneß sei doch nur ein Einzelfall – wenn auch ein „bedauernswerter“. (http://www.sueddeutsche.de/politik/aktuelle-stunde-im-bundestag-schaeuble-bezeichnet-hoeness-als-bedauernswerten-einzelfall-1.1657387 externer Link) Dabei ist es wohl „nur“ die Spitze eines Eisberges – wie diese bisherigen 47 000 Briefe an das Finanzamt belegen (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuerhinterziehung-in-deutschland-briefe-ans-finanzamt-1.1657851 externer Link) – denn mit diesen „schwarzen Löchern“ der Weltwirtschaft schwelt auch die Krise einfach immer weiter – wie das IMK zuletzt noch analysierte. (http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_80_2013.pdf externer Link pdf)

Der Fall Hoeneß im Zusammenhang mit der großen neoliberalen Erzählung

Viel grundsätzlicher geht der Ökonom und Sozialethiker Friedhelm Hengsbach (SJ) dann doch den „Fall Hoeneß“ an, indem er ihn ihn den Zusammenhang der großen neoliberalen „Erzählung“ einbettet: „Der Versuch, die Finanzbehörden und den Staat auszutricksen, galt – allzu lange – als Kavaliersdelikt. Aber seit der Finanzkrise hat sich das verändert. Es wird jetzt – nicht mehr – als Spielchen betrachtet, sondern als Betrug. Das ist in dieser Schärfe neu.
Denn lange konnte sich die große Legende halten, dass der Markt sich selbst regelt, dass Eingriffe des Staates immer schädlich sind. Sie schadeten Menschen in ihrer Eigeninitiative, Einkommen zu erzielen und Vermögen anzuhäufen.
Das ist die große Erzählung marktradikaler Eliten!
Ich dagegen sage, dass das Zustandekommen hoher Einkommen und Vermögen durch wirtschaftliche Macht und politische Schwäche verursacht wird.
Die Kapitaleigner und Manager bestimmen, wie viel Geld sie aus dem gemeinsam Erarbeiteten für sich herausholen,und was sie den Lohnabhängigen, der Umwelt und dem Staat zur Verfügung stellen wollen.
Nicht der Markt regelt das, sondern die Eliten, weil sie die Macht dazu haben.
Und die Regierung war der Steigbügelhalter für diese Entwicklung: Das war in der Entwicklung, die zur Finanzkrise geführt hat, ganz offensichtlich. Damals hatte der Aufsichtsvorsitzende der Deutschen Bank, Rof-E. Breuer, gesagt, die Finanzmärkte seien die fünfte Gewalt der Demokratie. Und zwar deshalb, weil die Kapitaleigner bessere Signale für vernünftige Politik an die Regierung geben als das Volk durch Parlamentswahlen.“ (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2013%2F04%2F27%2Fa0012&cHash=e92dbd85a8b084f0c02e31c0d757a313 externer Link)

Aber die Finanzmärkte bleiben weiter nur halbherzig „scheinreguliert“

Aber zu einem weiteren Überblick einer Einschränkung der „Herrschaft“ der Finanzmärkte kann man auch noch auf die Darstellungen auf dem letzten IMK-Konjunktur-Forum „Finanzmärkte – Revisited“ zurückgreifen – mit einigen sehr interessanten Vorträgen – nebst ihrer Diskussion (http://www.boeckler.de:80/35330_41945.htm externer Link).
Hier wird schon eine recht wichtige Bilanz zur unvollkommenen Finanzmarktregulierung in dieser Finanzkrise mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten gezogen.
Dies kann wiederum durch eine ganz aktuelle Stellungnahme von Rudolf Hickel vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 22.4.13 ergänzt werden: (http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2013/138/Stellungnahmen/12-Prof__Hickel_.pdf externer Link pdf): „Fünf Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise fällt die Bilanz der Re-Regulierung widersprüchlich aus…Es zeigt sich, dass trotz einzelner wichtiger Instrumente die Systemrisiken durch aufgeblähte Spekulationsrisiken bisher nicht systemisch wirksam reduziert worden sind.“

Der „Systembruch“ mit dem Finanzkapital-Regime wurde also nicht nur nicht herbeigeführt, sondern sogar eher vermieden: „So ist die Gefahr einer neuen Finanzmarktkrise bei weitem nicht gebannt.“

Wie das Finanzkapital mit diesen bisherigen Ansätzen, indem sie diesen ausweicht, begegnet, wird dann „regulatorische Arbitrage“ genannt.
Und so nennt Rudolf Hickel als eine besondere aggressive Form dieser „regulatorischen Arbitrage“, die alle bisherigen Regulierungen zur Neuordnung der Finanzmärkte ins Leere laufen lässt, die Verlagerung in die Schattenbanken (S.2): „Im Zentrum dieser „regulatorischen Arbitrage“ steht die Verlagerung von bankenähnlichen Funktionen in Schattenbanken. Auch bisher gescheiterte Investmentbanker weichen auf die Gründung von Hedgefonds beispielweise in Hongkong aus. Das durch die Schattenbanken bewegte Volumen hat sich nach Berechnungen des „Financial Stability Board“, der Antikriseneinheit der Notenbanken, seit 2003 auf 67 Billionen US-Dollar verdoppelt. Dieses Volumen beläuft sich nach groben Schätzungen mittlerweile auf die Hälfte des lizensierten Bankensektors. Durch die Verbandelung vor allem über die Kreditbeziehungen würde ein Zusammenbruch der Schattenbanken das gesamte System der Banken in den Abgrund reißen und die Finanzmärkte destabilisieren.“

So ergibt sich ein offensichtlicher Widerspruch zu dem lauthals vorgetragenen Lamento vor allem von Seiten der Großbanken zu dem – trotz der vielen gesetzlichen Maßnahmen – weiterhin nicht gebändigten Krisenpotential der Finanzmärkte. Dieses Lamento hinterlässt jedoch in der immer noch weitgehend finanzmarktmäßig ahnungslosen Öffentlichkeit den Eindruck, dass die Politik so richtig „zähmend“ und krisenverhindernd das Finanzkapital jetzt einhegt. Und leider wird dieser falsche Eindruck wohl erst mit dem nächsten Krisenschub „offensichtlich“ widerlegt werden.
Dazu passt es doch erst einmal gut, dass die Abgeordneten des deutschen Bundestages sich weiterhin weigern ein Gesetz gegen die Abgeordneten-Bestechung zu verabschieden – um anscheinend „ungestraft“ erst einmal auch fürderhin fest im Griff des Fianazkapitals bleiben zu können. (http://www.fr-online.de/politik/korruption—der-hauptblockierer-ist-die-fdp-,1472596,22596926.html externer Link)

P.S.: Eben kann ich noch in der SZ (29. April 2013) lesen, dass Jürgen Habermas, gefeiert wie ein Rockstar, im Pieter De Somer-Auditorium der belgischen Universität Löwen, ein vielbeachtetes Referat zu Europa gehalten hat, in dem er die Zuhörer durch die Abgründe Europas führte, Demokratie und Solidarität beschwor – und vor allem Deutschlands Rolle in Europa (SZ). – Im Prinzip – so gewinne ich den Eindruck – folgte diese Rede wohl den Vorschlägen des „Star-Investors“ Soros – jetzt eben aus dem Munde eines Philosphen. (Zu Soros vgl. noch einmal den Soros-Link im Abschnitt hier weiter oben „Mario Draghis Verbundenheit mit…..“)
In dem selben Artikel wird auch noch von einem Papier der Linken in der französischen sozialistischen Regierungspartei PS berichtet, das für Aufregung sorgte, weil es in auch undiplomatischen Formulierungen Frankreichs Regierung aufforderte, sich von der Europa-Politik der Bundeskanzlerin Merkel abzuwenden.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=33266
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