Griechenland ist ein Ort, wo der Finanzkapitalismus die Demokratie bekämpft

Wie „Marktkonformität“ Demokratie ausschließt und gleich noch „alternativlos“ in den europäischen Verträgen einbetonniert. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 17.8.2015

Diese klare Feststellung zu Griechenland als einem Ort des Kampfes zum Schaden der Demokratie, wurde von ein paar Journalisten in einer Diskussion auf dem Sommerfestival auf Kampnagel getroffen, die von die Griechenland-Berichterstattung in den meisten deutschen Medien nur erschüttert berichten konnten. Lange schien sich deutsche Politik und deutschsprachige Medien nicht mehr so einig: „Schuld an der Finanzkrise in Griechenland seien die Griechen selbst“ – so jedenfalls einhellig die ganz dominante Erzählung von Anne Will über Spiegel online bis zur „Zeit“ – sozusagen ein Verbund einer neuen Vernunftfeindlichkeit.

Es sei ungewöhnlich, dass alle sog. Qualitätsmedien den gleichen Quatsch vom „frechen Griechenland“ erzählten, meinte Harald Schumann. Ja, war es, was die Medien antrieb schon richtiger Wirtschaftsrassismus – ohne Vernunft und genaue Kenntnis, meinte Misik? (http://www.taz.de/!5219174/ externer Link)

Dabei ist der Schaden für Deutschland schwierig zu finden, während das Profitieren von der Griechenlandkrise eindeutig bei Deutschland zu liegen kam. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=27202#h05 externer Link)

Dennoch: Bei genauer Betrachtung wurde – auf ganz Europa gesehen – diese Vorherrschaft eines nur neoliberalen Diskurses – geprägt durch Deutschland – auch schon brüchig, wie in einem späteren Interview Harald Schumann gleich noch feststellen konnte: Durch die dramatischen Vorgänge an diesem Wochenende des 12./13.Juli ist die neoliberale Einheitsfront – unter der Kuratel von Merkel-Deutschland – in Europa aufgebrochen, weil die französische und die italienische Seite verstanden haben, dass sich das eigentlich auch gegen sie richtet. Solch ein Verusch, der jetzt am Beispiel Griechenlands durchexerziert wurde (vgl. „Der Bruch in Europa in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli… “ (https://www.labournet.de/?p=84385), richtet sich eben nicht nur gegen Griechenland, sondern richtet sich auch gegen alle anderen Euro-Staaten. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=27165 externer Link)

Deswegen gibt es jetzt starke Stimmen aus Frankreich (Keinen „Versailler-Vertrag“ in der Eurozone / Macron), Italien, Spanien, die sagen, diese Art von Krisenmanagement können wir so nicht fortsetzen, wir müssen die Verfasstheit der Eurozone neu diskutieren. Deutschland ist doch kein Hegemon, der seine Interessen – jedenfalls auf Dauer – gegen die Interessen der anderen weiter durchsetzen kann, erklärt Harald Schumann noch. Nur blieben auf diesem Gipfel die Griechen vollkommen ohne Solidarität ganz allein (http://www.nachdenkseiten.de/?p=27186#h03 externer Link) – und wieder wagte keiner sich dem deutschen Diktat entgegenzustemmen. (vgl. Eric Bonse „Schockstarre in Euroland“ in der TAZ vom 14. August 2015 )

Aber das setzt ein politisches Europa voraus, das in Verhandlungen auch Kompromisse suchen kann – ein Modell wiederum das Deutschland – und allen voran sein Finanzminister, der Jurist Wolfgang Schäuble, nicht kennen will, weil er nur – marktdominiert – ein Europa der Regeln, die alles möglichst „vorher“ bestimmen bzw. jede Alternative ausschließen, zur Kenntnis nehmen will.

Dies machte der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker noch einmal – vier Tage nach dem Wahlsieg der griechischen Linken – klar, wie Serge Halimi ihn uns in seinem Essay „Das Europa, das wir nicht wollen“ in der „Diplo“ zitierte (siehe http://www.nachdenkseiten.de/?p=27202#h02 externer Link): „Es kann keine demokratischen Wahlen gegen die Europaverträge geben“

Was das im Klartext bedeutet – diese Allmacht der Europa-Verträge über nur noch scheinbar souveräne europäische Staaten -, das macht im folgenden James Galbraith klar – auch wenn man festhalten muss, dass die Ursache eben nicht der Euro – die gemeinsame Währung – ist (vgl. dazu Gustav Horn, Es ist nicht der Euro (http://www.nachdenkseiten.de/?p=27010#h06 externer Link), sondern das „ausgehandelte“ Korsett, in dem der Euro nur stattfinden darf – und dieses rechtliche Korsett gibt eben den Finanzmärkten viel Spielraum – und der Politik zunächst keinen mehr, außer sie kann von den „Märkten“ so eindeutig profitieren wie Deutschland. (Siehe noch einmal http://www.tagesschau.de/wirtschaft/deutschland-profitiert-von-griechenland-krise-101.html externer Link) Sind es also nicht mehr demokratische Wahlen, die für mehr Gerechtigkeit sorgen, sondern muss man jetzt an die „Gerechtigkeit“ durch die Märkte glauben? – eine Frage, die Schulmeister beunruhigt – und der Merkel und Schäuble anscheinend anhängen.

Der Ökonom James Galbraith macht uns klar, warum und wie diese Europa der Regeln funktioniert – oder: „Wider den Staatsstreich“

Seine Erkenntnis über das Europa der Regeln gewann Galbraith aus einem Gespräch mit dem früheren italienischen Finanzminister und prominenten Verfassungsrechtler Italiens, Giuseppe Guarino, der sich auch in die europäischen Verträge hineingefuchst hatte – und ein kleines bemerkenswertes Buch über den Euro verfasst hat. (siehe den Beitrag von James Galbraith in der „Süddeutschen“: http://www.sz.de/szdebatte-griechenland externer Link und zu dem Buch von Guarino selbst siehe noch http://www.polistampa.com/php/sl.php?bc=42&idlibro=6251 externer Link)

Darin schreibt Guarino: Am ersten Januar 1999 wurde ein Staatstreich verübt, der sich gegen die EU-Mitgliedstaaten, ihre Bürger und gegen die Europäische Union selbst richtete. Dieser „Umsturz“ wurde nicht mit Gewalt herbeigeführt, sondern mit List und Tücke – mit Hilfe der Verordnung 1466/97.“ Diese „umwerfende“ Verordnung wurde 1997 verabschiedet und ist Teil des Stabilitäts- und Wachstumpaktes – der wohl auf Drängen Deutschlands die „Archtektur“ des Euro bestimmen sollte.
In dem Stabilitäts- und Wachstumspakt zusammen mit dieser Verordnung 1466/97 verpflichteten sich die Regierungen der Euro-Staaten, mittelfristig einen ausgeglichenen Haushalt oder gar einen Überschuss zu erreichen. Wer das nicht schafft, dem drohen Sanktionen.
Ein großer Fehler findet Guarino. „Die Bedeutung, die noch der Europäische Vertrag einer gemeinsamen Wirtschfts- und Konjukturpolitik beimisst, wurde beseitigt und durch eine neue Aufgabe ersetzt“, – durch ein strenges Haushaltsziel: die schwarze Null. – Die Entscheidung darüber war der Politik jetzt genommen.

Die schwarze Null (vgl. dazu „…. Bricht jetzt der jahrzehntealte Damm des neoliberalen Dogmas von der schwarzen Null?“: https://www.labournet.de/?p=81837) hatte nun Vorrang vor der Verpflichtung der Mitgliedsstaaten für ein kontinuierliches Wachstum und hohe Beschäftigung zu sorgen, wie sie noch der Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992 festschreibt.

Folge des Staatsstreiches von 1997: die demokratischen Institutionen eines jeden Landes haben nichts mehr zu sagen

Die Folge dieses „Staatsstreiches“ per Verordnung: Die demokratischen Institutionen, die in der Verfassung eines jeden Landes vorgesehen sind,haben nichts mehr zu sagen. Politische Parteien können keinerlei Einfluss mehr ausüben (und „unterwerfen“ sich eben). Streik und Aussperung haben keine Wirkung.“ (vgl. dazu „Europas vorprogrammierte „Generalstreikwellen“ bei Beseitigung der letzten Reste eines sozialen Europa“: http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl19.html). Das schreibt der italienische Verfassungsrechtler Guarino im jahre 2013. Selbst gewalttätige Demonstrationen würden an dem eingeschlagen politischen Kurs nichts mehr ändern.

Wie klar der Italiener die Verhältnisse in der Eurozone beurteilt hat, zeigt sich gerade heute am Beispiel Griechenlands. Es gibt keinen Zweifel über die ganze Latte an Fehlern in Griechenland (vgl. dazu Niels Kadritzke in seinen Berichten aus Griechenland: http://www.nachdenkseiten.de/?s=Niels+Kadritzke&paged=2 externer Link), aber das entbindet nicht Europa von seiner Mitverantwortung – und genau nach diesem Muster des alleinigen Dogmas der „Schwarzen Null“ haben die europäischen Gläubiger zusammen mit dem IWF Griechenland auch jetzt wieder die „Griechenland-Hilfe“ diktiert: So haben IWF und die Europäischen Gläubiger Griechenland ein Reform- und Sparprogramm diktiert, das von der Doktrin des ausgeglichen Haushalts geprägt war, wie James Galbraith weiter ausführt. (es folgen die einzelnen Punkte für den ökonomischen und sozialen Niedergang in Griechenland)

Zu behaupten, dass dieses Programm Griechenland Wachstum und Wohlstand bringen würde war durch und durch verlogen…

Dabei hatte die griechische Regierung von Tsipras durchaus verstanden, dass sich auch in Griechenland einiges ändern muss… aber zugleich verlangte Tsipras auch, dass wie in den anderen europäischen Ländern Arbeitnehmer-Rechte geachtet werden müssen. Tsipras forderte Rentner mit niedrigem Einkommen zu schützen. Privatisierung mit Augenmaß zu managen (vgl. Der griechische Privatisierungsfonds ein Symbol für den Rückfall in europäische Machtpolitik: http://www.nachdenkseiten.de/?p=26790 externer Link), pochte auf die Befreiung von destruktiver Austerität und den unbezahlbaren Schulden. (Wie letzteres Europa zuletzt bewegt hatte, zeigen so manche Stellungnahmen – vgl. zum Beispiel „Jürgen Habermas traut sich… für einen Schuldenschnitt in Griechenland zu sprechen“: https://www.labournet.de/?p=82488)

Was war die Antwort? Die europäischen Gläubiger und der IWF begegneten den griechischen Vorschlägen mit Feindseligkeit, Widerstand und Verweigerung (siehe dazu auch „Die große aktuelle Frage zu Griechenland: Geht es noch um das Ringen nach vernünftigen ökonomischen Lösungen – oder nur um brutalst mögliche Abstrafung der Griechen?“: https://www.labournet.de/?p=83452)

Galbraith weiter: … Aus Spanien, Portugal und Irland wurden die griechischen Forderungen aus Angst vor den Auswirkungen auf ihre eigene Politik abgelehnt. Italien, Frankreich und die Europäische Kommission zeigten zwar Sympathie für die Wünsche aus Athen – taten aber wenig. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kam schließlich zu dem Schluß, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder hält sich Griechenland an die vereinbarten Reformen und Sparauflagen – und zwar ausnahmslos an alle, (siehe das „vorprogrammierte Scheitern“ des oktroierten Programmes weiter unten bei Rudolf Hickel) – oder das Land muss den Euro aufgeben und vielleicht sogar die Europäische Union verlassen.

Und dann die Praxis: Von Anfang an wurde diese Position von Drohungen begleitet. Ende Januar drohte der Präsident der Euro-Gruppe, Jeroem Dijsselbloem, Griechenland bei einem Besuch in Athen mit der Zerstörung seines Bankensystems. Am 4. Februar erschwerte die Europäische Zentralbank (EZB) den ohnehin angeschlagenen griechischen Banken den Zugang zu frischem Geld. Das machte die Sparer nervös. Sie räumten ihre Konten und verschoben Anschaffungen, um ihr Geld für Notfälle zusammen zu halten. So verursachte die EZB einen langsamen Run auf die Banken, während Griechenland einen Kredit in höhe von 3,5 Milliarden Euro zurückzahlte – als Zeichen des guten Willens. Es half alles nichts. (Doktrin – noch dazu in Gesetzesform – bleibt eben Doktrin – auch wenn es noch so wahnsinnig ist!)

Nun ist die griechische Regierung erschöpft und frustriert. Als sie sich für eine Volksabstimmumg entschied, sagte die Mehrheit der Griechen „Nein“ zu den Brüsseler Sparplänen. (ja, die wagten es immer noch zu sich selbst und ihren Interessen zu stehen)
Die Gläubiger rächten sich: Sie schlossen die Banken, führten Kapitalverkehrkontrollen ein – und zwangen schließlich die Regierung in die Knie. Durch die langwierigen Verhandlungen ist das Vertrauen in die Wirtschaft – nachhaltig – zerstört. Eine echte Erholung Griechenlands wird schwieriger denn je.

Das Vertrauen in Europa, dass sich die Krise am Verhandlungstisch lösen lässt, ist – erst einmal – zerstört. (vgl. Hickels Hoffnungen weiter unten)

Für die fortschrittlichen Kräfte in Europa, und insbesondere für junge Menschen, ist das jetzige Ergebnis in Griechenland eine große Enttäuschung. Das Vertrauen, dass sich die Krise der Währungsunion am Verhandlungstisch lösen lässt, dass es einen fairen Ausgleich der Interessen und Kompromissbereitschaft gibt, ist erschüttert. Das gilt nicht nur für Griechenland. Viele Staaten sind im Würgegriff dieser europäischen Politik. Wollen die Bürger dagegen rebellieren,werden sie das Beispiel Griechenlands vor Augen haben. Und sie werden bestimmt nicht vergessen, dass Griechenland gezwungen war, die Möglichkeit eines Grexit zu prüfen…

Für Europa könnte es sich jedoch als Tragödie herausstellen, dass seine Politiker keinen Weg gefunden haben, die Differenzen mit Athen zu überbrücken. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Euro über kurz oder lang zerbricht…

Gibt es einen Ausweg, fragt Galbraith? – Ja, das Regime der Regeln mit allein dem Ziel einer „Schwarzen Null“ gilt es wieder aufzuheben – und der Politik doch wieder wirtschaftspolitische Möglichkeiten zu eröffnen.

Galbraith meint, man solle hier den Vorschlägen von Professor Guarini folgen – und die Vorschriften, die Europa – so vollkommen ungleich – im Würgegriff haben, wieder dem Geist der Europäischen Verträge anpassen. Es gilt einfach den Geist und die Buchstaben der Europäischen Verträge wieder zu entdecken, die im Jahr 1999 „staatsstreichartig“ geraubt wurden. Diese Europäischen Verträge nämlch legen verbindlich fest, dass Wirtschaftswachstum und das Prinzip der demokratischen Souveränität Priorität haben.

Sich auf diese Werte zurückzubesinnen ist der einzig gangbare Weg, wenn Europa überleben will. Bis dahin wird es wohl zunächst eine Abstimmung mit den Füssen geben – und den Braindrain aus Südeuropa nach Deutschland verstärken (http://www.nachdenkseiten.de/?p=27186#h01 externer Link)

Und die Frage der gemeinsamen Währung – und wer ihr angehören darf, schwelt weiter

So setzte am 12. August mit diesem Beitrag die „Süddeutsche“ ihre „Ökonomen-Revue fort – jetzt eben mit dem amerikanischen Ökonomen James Galbraith (http://www.sz.de/szdebatte-griechenland externer Link), der sich auch als Berater von Yanis Varoufakis, als dieser Finanzminister von Griechenland war, aufgetreten ist – und dabei auch als Berater einen „Plan B“ – die Rückkehr zur Drachme – ausgearbeitet hat. (SZ)

Mit letzterem rührte er auch an eine heikle Entscheidung der griechischen Regierung (vgl. Niels Kadritzke, „Euro versus Drachme“- Der Machtkampf innerhalb der Syriza (http://www.nachdenkseiten.de/?p=27024 externer Link)

Ja, Stephan Hebel vermutet, dass diese Zwiespältigkeit der Linken in Europa, die sich auch hier bei Syriza wiederspiegelt, ob man jetzt für den Euro oder dagegen ist, auch die Schwäche aller europäischen Linken ausmacht, weil es eben kein gemeinsames europäisches Projekt für Europa – und damit eben auch für eine „Europäische Währungsunion“ geben kann (http://www.fr-online.de/politik/linksparteien–warum-die-linke-lahmt,1472596,31422570.html externer Link).

Nur es bleibt dabei: es ist nicht die gemeinsame Währung – der Euro – die Europa auseinandertreibt, sondern die Regeln für den Euro – mit diesem Diktat der schwarzen Null

Griechenland zwischen Skylla und Charybdis

Dabei hatte Rudolf Hickel bei der Frage des Euro-Erhalts dies Dritten Hilfspakets für Griechenland in seiner – eher schrecklichen – Ambivalenz dargestellt: Für Tsipras ergab sich – trotz des Neins gegen die Auflagenpolitik bei einer Volksbefrageung eben eine Notsituation, die etwas vergleichbar ist, der von Odysseus in einer Meerenge zwischen Skylla und Carybdis. Das Ungeheuer Grexit konnte nur durch das weniger gefährliche – kleinere – Übel Austeritätspolitik umgangen werden. Spieltheoretisch wird die Minimaxstrategie, also die Minimierung des sonst unvermeidbaren Maximalverlustes, verfolgt. (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/griechenland-das-dritte-hilfsprogramm-anpassen-und-ergaenzen/ externer Link)

Dabei stellt Rudolf Hickel gleichzeitig fest, dass dieses Dritte Hilfspaket scheitern muss (vgl. dazu kurz „Bye, Bye Europe“: http://www.nachdenkseiten.de/?p=27090 externer Link – oder ausführlich „Der Bruch in Europa in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 2015 durch die manifest gewordene Hegemonie Deutschlands mit der Forderung nach einem Grexit“: https://www.labournet.de/?p=84385), wenn daran uneingeschränkt festgehalten wird. Und als Folge davon verfestigt sich doch bald wieder die Grexit-Drohung. (dabei bleibt die Frage aktuelle, ob nicht dieses Scheitern genau das Ziel dieses dritten Hilfsprogramms ist, um doch noch zu Schäubles „Lieblingsidee“ dem Grexit zu gelangen. (Vgl. „Der Deal von Brüssel war nur eine Falle..“ Griechenland soll einfach keine Chance bekommen – bei http://www.nachdenkseiten.de/?p=26848#h03 externer Link – oder noch einmal den Abschnitt „So wird Europa nie mehr das Gleiche sein…“ im letzten Drittel der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=84385 – weiter noch „Stoppt Schäuble“: http://www.fr-online.de/gastbeitraege/gastbeitrag–stoppt-schaeuble-,29976308,31367128.html externer Link – oder auch „Schäuble baut weiter am deutschen Euro“: http://www.nachdenkseiten.de/?p=27092#h01 externer Link)

Als Ausweg aus diesem schon jetzt klar erkennbaren erfolglosen – neoliberalen – „Spardiktats-Sanierungskonzept“ schlägt Rudolf Hickel noch die pragmatische Möglichkeit vor, im Zuge der Umsetzung der – ökonomisch zerstörerischen – Auflagen durch die Rückkoppelung an die – voraussehbaren – wirtschaftlichen Folgen Korrekturen durchzusetzen. (aber: Eric Bonse meint in der Taz vom 14. August 2015 nach diesem Euro-Gipfel vom 13. Juli wagt Jean-Claude Juncker es nicht einmal mehr, eine Folgeanalyse zum neuen Spardiktat für Griechenland vorzulegen)

Die Quadriga aus EZB, EU, IWF und des Rettungsfonds ESM muss gesamtwirtschaftlicher und sozialer Verstand eingehaucht werden, meint dennoch wieder Rudolf Hickel – durch eine laufende politische Konfrontation mit den Auswirkungen ihres Handelns, was ja wohl jeweils leicht nachzuweisen wäre.

Der Staat darf einfach nicht in die Rolle des Krisenbeschleunigers gezwungen werden. (http://www.fr-online.de/gastbeitraege/griechenland-das-dritte-hilfspaket-droht-zu-scheitern,29976308,31403100.html externer Link) Nur wer achtet darauf? Die Kommission wohl eher nicht (mehr).

Aber der bisherige Beschluss, der noch durch die nationalen Parlamente muss, kann eine Perspekive für Griechenland erst einmal kaum „liefern“ – oder wie das Institut Solidarische Moderne (ISM) von Bundestagsabgeordneten aus drei Parteinen (SPD-Grüne-Linke) festhält:

Im Grunde ging es den Gläubigern im Kern doch nur um die Unterordnung unter eine längst gescheiterte wirtschafts- und gesellschaftspolitische Konzeption, die Festigung der konservativen Dominanz und Hegemonie auch um den Preis der Aushebelung von demokratischen Entscheidungen und Handlungsspielräumen (Anmerkung: nur nach der hier vorgetragenen Rechtslage galt das wohl schon vor diesem Gipfel vom 12./13. Juli – es ist nur dadurch für viele – erstmals in der Praxis so richtig durchgezogen – erst so richtig offensichtlich geworden, wie schon Habermas konstatierte!)(http://www.solidarische-moderne.de/de/article/453.schuldenkolonie-griechenland-ein-bleibender-auftrag-fuer-die-plurale-linke.html externer Link)

Jetzt zieht Harald Schumann als Konsequenz in einer Sendung die vernichtende Bilanz noch: „Wir erzeugen künstlich einen gescheiterten Staat“ (http://www.kontext-tv.de/node/482 externer Link)

Stephan Schulmeisters politische Familientherapie zur Lösung der Griechenlandkrise: „Europa auf die Couch“

Dieser Idee, die Hickel zur Lösung anbietet, dass Europa sich laufend in den gegenseitigen Konflikten und Interessen spiegeln muss, – in laufenden politischen Auseinandersetzungen – und dabei auch empirisch der Rahmen dieser Konflikte mit einbezogen werden muss, hängt auch ähnlich Stephan Schulmeister an, der Europa sich auf die Couch des Psychotherapeuten wünscht – sicher ein Greuel für Finanzminister Schäuble, der nicht Verstehen, Kompromiss und Lösung will, sondern das Diktat der „Regeln“, die sich für Deutschland so günstig ergeben haben. (oder für Deutschland so günstig geschaffen wurden – dazu James Galbraith)

Schulmeister sieht die Eskalation der Beziehungskrise in Europa seit dem Wahlsieg von Syriza „toben“. Aber das „Zerwürfnis“ beginnt schon mit der Finanzkrise 2008 – das sich eben vor allem auf Griechenland konzentriert.

Aber bei ihm kommen deshalb auch die Finanzmärkte mit der Finanzspekulation ins Spiel: Professionelle „Finanzalchemisten“ nützen die Krise Griechenlands für ein neues „Spiel“, die Spekulation auf den Staatsbankrott, und diese treibt die Zinsen griechischer Staatsanleihen rasant nach oben. Hätten damals, im Frühjahr 2010, der EZB-Präsident oder die deutsche Kanzlerin erklärt: die Spekulation gegen ein Mitglied der Währungsunion wird nicht geduldet – so wie es Mario Draghi zwei Jahre später im Juli 2012 tun sollte – wir hätten uns die Eurokrise von Anfang an gespart. Aber im Frühjahr 2010 führt Merkel Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen – und ermuntert die Finanzmärkte noch: Griechenland kann pleite gehen.

Das wirft Fragen auf, die anscheinend in der (deutschen) Debatte tabu sind: „Behindert die Instabilität der Finanzmärkte unternehmerische Aktivitäten in der Realwirtschaft und damit langfristig das Europäische Sozialmodell? Über solche – der Realität angenäherten – Fragen könnten die europäischen Partner anfangen sich gegenseitig besser zu verstehen.

Beim genauen Blick auf die „Märkte“ muss man erkennen, dass es unter ihrer „Richterschaft“ keine Gerechtigkeit geben kann, wie die Markt-Ideologen uns doch weismachen wollen: So hat der „Richter“ Markt die Griechen bis 2008 durch zu niedrige Zinsen zum Konsumrausch verführt (und wo blieb damals die Kritik?), um danach mit zweistelligen Zinssätzen – angestachelt durch die Politik – gleich die „Todesstrafe“ zu verhängen. (Merkels Gerechtigkeitssinn erklärte nun: Griechenland kann pleite gehen). Leidet dieser „Richter“ nicht an manisch-depressiven Irresein, produziert er doch systematisch „Bullen und Bären“ und damit falsche Preise, fragt deshalb Stephan Schulmeister.

Eine diese weiteren Etappen in dem Finanzkrisen-Griechenland-Drama lief dann so ab: Der Zinsanstieg – nach der Aufforderung zur Spekulation auf Staatsanleihen – bei den griechischen Staatsanleihen erwingt im Mai 2010 den Euro-Rettungsschirm. Experten des IWF stellen fest: Griechenland kann die Last seiner Schulden nicht tragen, diese müssen umstrukturiert werden samt einem Teilverzicht der Gläubiger-Banken. Doch die Politik – vor allem in Deutschland und Frankreich – entscheidet sich für „ihre“ Banken. Sie werden ausbezahlt, dafür steigen die Schulden Griechenlands bei IWF, EZB und dem Rettungsschirm.

Die griechische Wahl macht den Konflikt zwischen „Marktkonformität“ und Demokratie deutlich.

Dabei verdeutlicht das Votum der Griechen – bei der Wahl von Syriza und der Volksabstimmung gegen die radikale Austeritätspolitik der Troika -, was großen Denkern wie Friedrich August von Hayek klar war, es gibt einen Konflikt zwischen Marktkonformität – diesem ideologischen Lieblingsprojekt der deutschen Kanzlerin – und Demokratie – und der muss bei einer Zuspitzung sozialer Konflikte hervortreten.

Wenn sich die EU-Eliten für die Marktkonformität entschieden haben, mögen sie bedenken: Ein neoliberales und vereintes Europa wird es nicht geben – was ja auch Galbraith schon für ausgeschlossen hielt.

Aber noch etwas Zusätzliches: Unsere Regierungen sollten sich nicht von Medien und Meinungsumfragen täuschen lassen. Der Konflikt um Griechenland hat in allen EU-Ländern einen Riss in der Bevölkerung vertieft, denn indirekt geht es um die grundlegenden Fragen – neoliberales versus soziales Europa, Austerität versus Wachstumsimpulse, Norden gegen Süden. Wenn man Griechenland durch Sparen weiter stranguliert, gar aus der Währungsunion „hinausstranguliert“, was durchaus möglich ist, und sich dann selbst überlässt (außer von Care-Paketen), dann werden viele Millionen Menschen diese EU-Politik als widerwärtig empfinden. (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Greece_Blaetter_08_15.pdf externer Link pdf oder auch: http://www.nachdenkseiten.de/?p=27132#h02 externer Link)

Der Vergleich mit der „realkapitalistischen Spielanordnung“ der 50-er und sechzige Jahre könnte mehr empirischen Realismus in die ideologische Debatte bringen.

Glauben gegen die empirische Überprüfung – diesen Eindruck gewinnt man leicht, wenn man auf die Debatte blickt, die das „Wirken“ der Finanzmärkte meist ausklammert. Dabei könnte eine nüchterne Bestandsaufnahme der Gesamt-Performance Europas unter den finanzkapitalistischen Bedingungen durch einen Vergleich zur realkapitalistischen Spielanordnung der 1950-er und 1960-er Jahre einiges zur Aufklärung beitragen. (Vgl. Z.B. noch einmal Stephan Schulmeister in seinem Buch „Mitten in der großen Krise – Ein „New Deal“ für Europa“ – gerade die Seiten 40 ff. und 45 ff.: http://fr-online.de/wirtschaft/wider-de-finanzkapitalismus/-/1472780/4537948/-/index.html externer Link)

Ernsthaft vorgenommen könnte ein solcher Vergleich die hochgepriesenen „Fähigkeiten der „Märkte“ doch deutlich relativieren – nur jede Beschränkung z.B. durch die „Finanztransaktionssteuer“ wird dank der „Allmacht des Finanzkapitals in Europa doch immer wieder „systematisch“ verhindert – oder scheinbar doch auch immer wieder einmal auf die Agenda gesetzt. (Vgl. https://www.labournet.de/?p=73193)

Und weiter scheitern auch alle weiteren Regulierungsnotwendigkeiten für die Finanzindustrie, wie dann Sven Giegold erklärt: Den Finanzmarktregulierern geht die Puste aus. (http://www.fr-online.de/gastwirtschaft/finanzmarkt-das-pendel-schlägt-zurueck,29552916,29588790.html externer Link)

Das hochgepriesene Parade-Projekt des Finanzkapitalismus die kapital-gedeckte Rente (Riester-Rente) zeigt Schwächen. – Die große Entzauberung der „ewigen Reichtumsvermehrung“ über die Märkte –

Aber die Kapitalmärkte werden im Moment in ihrer Bedeutung für die Altersvorsorge (Stichwort „Riester-Rente) schon gewaltig in Frage gestellt – und manchem dämmert, dass die gesetzliche Rentenversicherung schon viel zu schnell in der ganzen Finanzmarkt-Euphorie abgeschrieben wurde. Nun jedenfalls kommt die große Entzauberung der „ewigen“ Reichtumsvermehrung über die Märkte. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/kapitalgedeckte-vorsorge-zinskrise-schwaecht-vorsorge,1472780,31460266.html externer Link) Dabei sollte doch gerade die kapitalgedeckte Rente den „Segen“ der Kapitalmärkte für alle verdeutlichen.

Die Griechenland-Krise weiter gespiegelt in den Analysen von deutschen Ökonomen – ein kleines Panorama der Sichtweisen, bei Ausklammerung nicht unwichtiger Dinge! Und der Krisengewinner Deutschland, der davon nicht lassen will.

Leider hatte ich bei den Ökonomen, die in der SZ vorgestellt wurden (http://www.sz.de/szdebatte-griechenland externer Link), doch auch wieder Defizite entdeckt, die Griechenland – dann letztendlich mehr oder minder – doch nicht und auf keinen Fall gegen die Finanzmärkte – voranbringen können, so dass ich mich fragte, wird – bei aller „Öffnung“ in der Schuldenproblematik (wunderbar bei Jeffrey Sachs: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sachs-zur-deutschen-griechenland-politik-tod-durch-schulden-1.2590278 externer Link – oder siehe auch http://stopausterity.eu/ externer Link), doch ein Programm für Griechenland – auch jenseits der Finanzmärkte erkennbar, das Griechenland aus diesem Jammertal – unter Mithilfe der Griechen – „erlösen“ könnte.

Dabei hatte gerade – ansetzend bei den Schulden – der IWF eine klare Position bezüglich der Schuldentragfähigkeit von Griechenland schon entwickelt. Die Süddeutsche vom 5.8. schreibt „Drei Seiten, die es in sich haben“ – Der Internationale Währungsfonds (IWF) setzt mit einem kurzen Bericht Kanzlerin Merkel unter Druck: Ohne einen Schuldenerlass – für Griechenland – will er bei keinem neuen Hilfsprogramm mitmachen. Aber: Da macht wiederum die Unionsfraktion nicht mit. (soweit die SZ) – Deutschland will eben seine enormen Vorteilen durch die Krise – vermittelt durch die Finanzmärkte – nicht loslassen – und als Krisengewinner von der Griechenlandkrise profitieren. (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/deutschland-profitiert-von-griechenland-krise-101.html externer Link – oder zur Ergänzung noch: „Von armen Steuerzahlern und generösen Hilfspaketen für die Griechen“: http://www.flassbeck-economics.de/von-armen-steuerzahlern-und-generoesen-hilfspaketen/ externer Link)

Ein Start der Revue von etlichen deutschen Ökonomen in der SZ – und eine systemische „Ausgrenzung“ der Finanzmärkte

(Zur allgemeinen Kritik an der Wirtschaftsberichterstattung der Süddeutschen siehe auch http://www.nachdenkseiten.de/?p=27202#h06 externer Link)

So begann vor kurzem die Süddeutsche ihre „Revue“ der deutschen 24 Ökonomen mit Markus Brunnermeier – Notenbankexperte an der Princeton-Universität (Leiter des Bendheim-Center of Finance). Er war eine „Entdeckung“ von dem späteren Notenbankchef Ben Bernanke. (= Wirtschaftsteil der SZ: http://www.sz.de/deutsche-oekonomen externer Link)

Jetzt erforscht er Finanzkrisen und sucht nach Rezepten dagegen. Und so sitzt er auch im Forschungsbeirat der Deutschen Bundesbank. In der Politikberatung trat er hervor, als er vor vier Jahren mit Kollegen einen Plan vorlegt, wie man die Krisen in der Eurozone entschärfen könnte: Die Währungsunion leide unter einem „fundamentalen Widerspruch“: Einerseits soll es keine Hilfen für gefährdete Mitgliedstaaten („No-Bail-Out-Klausel“) geben, andererseits werden alle Staatsanleihen, unabhängig von ihrer Bonität, gleich behandelt. „Das führt dazu, dass Haushaltskrisen – wie in Griechenland – automatisch zu Bankenkrisen werden.“ Diese Falle könnte man durch Gründung einer Europäischen Schuldenverwaltung entkommen.

Einerseits würde die neue Behörde den Euro-Ländern ihre Staatsanleihen bis zu einer bestimmten Grenze abkaufen. Danach würde sie die Risiken neu mischen: Zum einen in supersichere Anleihen (European Safe Bonds / ESBies). Sie würde auch den Staatsbankrott eines Euro-Mitglieds aushalten und wären daher ein ideales Anlageinstrument für Banken und Versicherungen. Andererseits gäbe es riskante „Junior Bonds“, die dann Spielball für Spekulanten wären. Den hohen Risiken entsprächen dann unter Umständen auch hohe Erträge.

Anders als bei den hochumstrittenen Eurobonds müssten hier nicht die Steuerzahler des einen Landes für die Anleihen der anderen bürgen. Der Risikoausgleich fände über den Markt statt. Also: Die Dominanz der Finanzmärkte bleibt – allerdings eingeschränkt – vorhanden.

… Bisher wurde diese Idee noch von niemand – in der Politik – aufgegriffen.

Seine „Grundierung“ führt Brunnermeier auf den Klassiker von Milton Friedman und Anna Schwartz „A Monetary History of the United States 1857 – 1960“ zurück (vorgestellt in der SZ von Nikolaus Piper). Ein „Trost“ für das Ifo dürfte es sein, dass nach dem alten Chef Hans-Werner Sinn (5. August 2015)auch der neue Chef Clemens Fuest (6. August 2015) sich – inzwischen – für einen Grexit einsetzt.

Des Weiteren wird dann noch – unter anderen – Marcel Fratzscher – der Chef des DIW in Berlin – von Jan Willmroth in einem weiteren Artikel vorgestellt, der hierzulande ja bekannter ist…. – und zuletzt als Vorsitzender einer „Deregulierungs-Privatisierungs-Kommission“ den Wirtschaftsminister Gabriel und die Bundesregierung beraten hat (vgl. z.B. „Wie die Autobahnräuber der Fratzscher-Kommission die eigenen Lügen entlarven“: http://www.nachdenkseiten.de/?p=25774#h13 externer Link, zur Entwicklung der ÖPP siehe David Hall „Öffentlich-Private Partnerschaften“ – Lehren aus internationaler Erfahrung: http://www.gegenblende.de/++co++2731552a-c8a1-11e4-ab60-52540066f352 externer Link) – und zu dem inzwischen großen europäischen „Vorbild“ mit Junckers „Konjunkturprogramm“ schreibt Tomasz Konicz prägnant „Neoliberaler Keynesianismus“ (http://www.gegenblende.de/++co++69d8c82e-9cb7-11e4-b724-52540066f352 externer Link) Und Konicz wertet diese ökonomische Mischung auch als typisch europäischen Kompromiss: Dieses öffentlich-private Konjunkturprogramm stellt ohnehin einen jener berühmten europäischen Kompromisse dar, die nicht den – ökonomischen – Notwendigkeiten einer stringenten Krisenbekämpfung gehorchen, sondern eher Ausdruck der gegenwärtigen – politischen – Machtkonstellationen in der Eurozone sind. (Siehe weiter auch den Abschnitt auf der Seite 1 f. „Eine neue Geldlehre vom „guten“ und „schlechten“ Geld: Der Traum für jeden Investor – und der Alptraum für die steuerzahlenden Bürger – oder der „Große Ausverkauf“ der öffentlichen Dienstleistungen als „Krisen-Programm“ bei: https://www.labournet.de/?p=70517)

Während Fratzscher also bei dieser Deregulierungskommission des Wirtschaftsministers Gabriel recht zwiespältigen „Ruhm“ erwerben konnte – aber immerhin war auch hier wieder für die „öffentlichen“ Investitionen die Dominanz der Finanzmärkte gesichert. Demgegenüber hat Marcel Fratzscher sich bei den Schulden Griechenlands doch Lorbeeren erworben und mit anderen Ökonomen eine Stellungnahme für die „Rettung“ Griechenlands herausgebracht. So schrieb er in der Süddeutschen am 31. Dezember 2014: Griechenlands Krise ist notwendig – weil die bisherige politische Elite Griechnelands nichts gelernt hat… Diese Elite muss daher durch ein politisches Erdbeben hinweggefegt werden. Die Regierungsbildung von Syriza könnte zumindest ein solches politisches Erdbeben auslösen, das einen Neuanfang herbeiführt.

Und deshalb findet das DIW, dessen Chef Fratzscher ist: Die griechischen Kredite sollten so umstrukturiert werden, dass die Zinszahlungen an das griechische Wachstum gekoppelt sind… diese Indexierung der europäischen Kredite würde vor allem Anreiz für Griechenland stärken, Verantwortung für die eigenen Reformen zu übernehmen. (Vgl. die Seite 1 f. bei https://www.labournet.de/?p=72980)

So hinterlässt auch Marcel Fratzscher ein ambivalentes Bild. Begonnen hatte dies in der SZ ja – vor dieser „Serie“ – mit Jeffrey Sachs zu Griechenland:

… und auch Jeffrey Sachs hatte doch noch eine Schwachstelle (Hinkefuß) – bei allem Lob das ihm gebührt – bei der „Richtigstellung“ der Schuldenproblematik?

Jeffrey Sachs zu Griechenland: Tod durch Schulden – Fortführung eines für die Zukunft Europas zentralen Diskurses (und immerwieder diese „Hinkefüsse“ mit der unhinterfragten Dominanz der Finanzmärkte). Der „Hinkefuß“ bei Jeffrey Sachs (Hinkefuß = verborgene Schwierigkeit – etwas (zunächst nicht Erkanntes), was die Lösung eines Problems erschwert oder behindert / laut Duden)(= Der Samstags-Essay (1. August 2015) in der Süddeutschen Zeitung als Antwort auf den Chefökonomen des Bundesfinanzministeriums Ludger Schuknecht (= ebenfalls in der SZ am 22. Juli 2015) (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bundesfinanzministerium-zu-griechenland-warum-piketty-und-co-falsch-liegen-1.2575665?reduced=true externer Link) Und wie man aus dem Titel dieser Antwort aus dem Bundesfinanzministerium sieht, geht es Schuknecht in erster Linie um den Piketty-Brief an die Bundeskanzlerin (vgl. dazu „Die Austeritätspolitik hat versagt. – Offener Brief von Piketty & Co. an Merkel“: https://www.labournet.de/?p=83191).

Deshalb hat auch der Mit-Unterzeichner Heiner Flassbeck – von sich aus – auf diese Antwort aus dem Bundesfinanzministerium reagiert: (http://www.flassbeck-economics.de/an-answer-from-the-german-ministry-of-finance-to-the-letter-of-five-economists-to-angela-merkel-not-quite/ externer Link) Die Süddeutsche hielt es jedoch für angebrachter noch einmal Jeffrey Sachs in der Süddeutschen dem Chefökonomen im Bundesfinanzministerium, Ludger Schuknecht, „antworten“ zu lassen.

Wie schon in seinem früheren Darlegungen zur – von der deutschen Seite – falsch gesehenen Schuldenproblematik jetzt bei Griechenland (vgl. dazu
auf der Seite 2 ganz unten ff. bei https://www.labournet.de/?p=84385) stellt Jeffrey Sachs das – aus dem Zusammenhang gerissene – gesellschaftliche
Unverständnis der deutschen Seite über die Schulden – jetzt bei Griechenland und gerade auch im Vergleich mit Deutschland in den 20-er und 30- er Jahren heraus. Die Brüning`sche Sparpolitik führte mit dem starken Ansteigen der Arbeitslosigkeit dann direkt zu Hitler. (Der über Schulden mit einem Militär- und Rüstungsboom die Arbeitslosigkeit wieder reduzierte)

Diese jetzigen Ausführungen von Jeffrey Sachs stellen – auch historisch – sehr gut und zutreffend die staatliche Schuldenproblematik in den Vordergrund – gerade auch gegenüber der Position des Bundesfinanzministeriums (= Schuknecht) dar. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sachs-zur-deutschen-griechenland-politik-tod-durch-schulden-1.2590278?reduced=true externer Link)

Auch noch eine Agenda 2010 für Griechenland?

Meine Bedenken (= „Hinkefuß“ bei Jeffrey Sachs) ist seine weiterführende Ansicht in diesem jetzigen Samstags-Essay, dass Griechenland auch so etwas wie Deutschland mit seiner Agenda 2010 nötig habe. Und hier würde ich jetzt Sachs ankreiden, dass er just wieder einen anderen „Zusammenhang“ übergeht und damit vernachlässigt – die „Währungsunion“ mit dem Euro. Diese Agenda 2010 unter den Bedingungen einer gemeinsamen Währung hatte doch gerade – durch das damit „angeregte“ Lohndumping in einer ohnehin in der Eurozone stärksten Volkswirtschaften (= Sparen bei den Löhnen mit dem Versagen Deutschlands die gemeinsam anzustrebende 2-Prozent-Zielmarke an Inflation in der Eurozone zu erreichen) – mit seinen  „Überschüssen“ zu dieser „Verschuldensspirale“ gegenüber dem Süden der Eurozone geführt – an denen zunächst mit „fahrlässigen“ Krediten die deutschen und französischen Banken „profitiert“ haben.

Und gerade bei den Löhnen wurde in Griechenland auch schon bisher recht viel „gespart“ – neben dem Zurückfahren des Staatssektors. Ich befürchte, hier muss noch im Interesse Griechenlands breiter und tiefer angesetzt werden als „bloß“ mit der Forderung nach einer Agenda 2010. (Stichwort: Klientelismus, Steuererhebung usw.) Ein Lohndumpingwettbewerb nach unten kann Griechenland angesichts seiner Wirtschaftsstruktur sowieso nie gewinnen.

Es geht auch anders: Breiter die wirtschaftliche Lage reflektiert im „Neue Manifest der bestürzten Ökonomen“ in Frankreich jetzt einmal ohne Hinkefuß: Keine Ausblendung der Realität der Macht der Finanzmärkte.

Unter der Überschrift „Alternativen zur neoliberalen Sekte“ (Nicht im Netz) weist Rudolf Walther auf dieses „Neue Manifest der besatürzten Ökonomen“ (Nouveau Manifest d`economistes atterres) in der TAZ vom 1. August 2015 hin. (http://www.atterres.org/livre/nouveau-manifeste-des-%C3%A9conomistes-atterr%C3%A9s externer Link, http://www.atterres.org externer Link)

In dem ersten Manifest aus dem Jahr 2010 der „bestürzten Ökonomen“ (http://www.nachdenkseiten.de/?p=6773#h01 externer Link, (http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/Manifest_frz_oekonomen%2016-9-2010.pdf externer Link pdf) hatten sie zunächst – und vor allem ihre Empörung darauf gerichtet, dass die „Denkschablonen der neoliberalen Orthodoxie“ unter der Flagge „Wissenschaft“ auftrat und die Realität – die Macht der Finanzmärkte und global agierender Konzerne – immer ausblendete. – Hier folgt ein viel umfassenderer und damit auch die „bestürzten Ökonomen“ viel klarer wiedergebender Text: (http://www.uni-koblenz.de/~didaktik/roe/mf.html externer Link)

Allerdings hatte es damals anschließend auch die Kritik gegeben, dass dies Manifest nur wenige Alternativvorschläge enthalte. Auf diese Kritik reagiert nun das eben erschienene „Neue Manifest der bestürzten Ökonomen“. Wichtig ist es den Autoren deutlich zu machen, dass es nicht um eine „Rückkehr zu“, sondern um eine „Flucht nach vorne“ – heraus aus der „globalen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Krise“ geht. Die Autoren berufen sich auf fünf starke normative Grundlagen…

Das Neue Manifest besticht durch seine klare Sprache und erhebt nicht den Anspruch die letzte Wahrheit gefunden zu haben. Aber es informiert zuverlässig und argumentiert mit nachvollziehbar gegen die Selbstverständlichkeiten servierten intellektuellen Zumutungen der neoliberalen Orthodoxie. (so das Urteil von Rudolf Walther).

Nur wie stehen die Chancen für die „Überwindung“ der finanzkapitalsitsichen Spielanordnung? – Oder: „Eine Wiederkehr der Konformität durch Freiheit als Mainstream“

Wenn also Stephan Schulmeister irgendwo zum Neoliberalismus schreibt, „dieser Abbau des Sozialstaates und die Schwächung der Gewerkschaften ist eingebettet in eine Gesellschaftsphilosophie deren höchster Wert die Freiheit des Individuums ist, dann stellt sich doch automatisch die Frage, inwieweit diese Geschichstphilosophie der Freiheit unserer Gesellschaften, – bzw. den Diskurs in ihr – hat „unterwerfen“ können, damit diese neue neoliberale Freiheitsideologie dominant werden kann – und half den Sozialstaat, auf den wir doch früher so stolz sein durften, immer weiter abzubauen?

Eine Antwort versucht Cornelia Koppetsch, Soziologin von der Uni Darmstadt zu geben: „Freiheit ist kapitalistischer Mainstream“ (http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/43404/Freiheit-ist-kapitalistischer-Mainstream externer Link)

Gerade die Kreativen – oder „sog“. Kreativen – sind heute treue Diener des Neoliberalismus. Das ist der Trick an der Sache. Das haben die französischen Sozialwissenschaftler Luc Boltanski und Eve Chiapello in ihrem Werk „Der neue Geist des Kapitalismus“ herausgearbeitet: Die einst gegenkulturell formulierten Ideale wie Autonomie, Emanzipation, Eigenverantwortung, Freiheit und Kreativität sind vom kapitalistischen Mainstream vereinnahmt worden.

So erkläre ich mir auch die Wiederkehr der Konformität, den Neokonservativismus, erklärt Koppetsch. Diese treten auf als Abwehr von diesen neoliberalen Freiheitszumutungen. Kreativ zu sein und eigenverantwortlich zu handeln, ist heute nicht mehr subversiv, sondern gehört zu den von den Arbeitgebern geforderten Tugenden. Diese Attribute sind auf die Seite des Kapitalismus gewandert.

Wie das geschieht, beschreibt Cornelia Koppetsch folgendermaßen: Der Finanzkapitalismus beinhaltet, dass die Finanzmarktakteure in die Unternehmenspolitik eingreifen- im Sinne einer Maximierung von Gewinn. Das geschieht über den Shareholder-Value. Die ganzen Mittelschichtsbürger, die ein bisschen Vermögen haben und dieses, weil sie auf dem Sparbuch nichts mehr bekommen, an der Börse anlegen, sind mit dafür verantwortlich, dass bestimmte Jobs immer prekärer werden… So trägt jeder Shareholder zur Aushöhlung der Arbeitnehmerschaft bei.

Und wir haben anlagesuchendes Kapital im Überfluss, wir sind überliquide. Dadurch steigt das Risiko, dass sich Blasen an den Finanzmärkten bilden. Geld hat aufgehört Kapital zu sein, wenn mit dem angelegten Geld keine Güter und Dienstleistungen mehr produziert werden.

In Deutschland wird viel Geld gehortet und wenig investiert. Wenn jedoch Geldanlagen nicht mehr in realwirtschaftliche Produktivitätskreisläufe eingebunden sind und keine Güter oder Dienstleistungen erzeugen, wird das Geld zum reinen Anlageobjekt. Dennoch: Diese Anleger glauben ein Naturrecht auf Gewinne zu haben.

Eine jetzt unpolitische junge Generation – und eine Hoffnung auf die nächste?

Gerade jüngere Menschen finden jetzt: Wir möchten nicht mehr frei sein, wir möchten Tradition. Sicherheit! Etwas, was bleibt. Gesetze und Verbote. Das, was heute knapp und kostbar erscheint, ist nicht mehr die Freiheit, sondern die Bindung. Sicherheit. Manchmal führt dies zu regelrechten Abwehr-Reaktionen: Alles was die Achtundsechziger-Geneartion als Werte eingeführt hat -sexuelle Toleranz, Vielfalt, Befreiung – wird verteufelt. Nicht nur bei den Rechten, auch in der sog. Mehrheitsklasse, dem Mainstream der Bevölkerung. Das führt im Generationenvergleich zu einer unpolitischen Haltung.

Meinungsumfragen wie zum Beispiel die Shell-Studie zeigen, dass sich die jüngere Generation oft ins Private zurückzieht. Sie konzentrieren sich darauf persönlich weiter zu kommen, und setzen sich dadurch weniger mit Politik auseinander.

Ich meine die Generation „Maybe“ – der nach 1975 Geborenen. Sie sind die erste Generation, die mit den Folgen der Gloabilisierung aufwächst und unter sehr viel schlechteren Bedingungen in das Erwerbsleben einsteigt als ihre Eltern – aber dennoch wollen die jungen Leute ihre Probleme nicht im gesellschaftlichen Kontext deuten. Diese Jüngeren wagen keine Utopie, keinen wirklichen Gegenentwurf. Für sie liegt es allein an einem selber, ob man die richtige Entscheidung trifft…

Cornelia Koppetsch meint, vielleicht gelingt es einer nachfolgenden Generation sich wieder zu politisieren. Wenn die Gesellschaftsordnung – Griechenland als Beispiel (z.B. der 12./13. juli 2015 als Markstein und Wendepunkt?) – die jetzt im Entstehen begriffen ist, sich weiter etabliert, wenn man sieht, wie die Kräfteverhältnisse sind, dann kann man sich wieder kritisch positionieren.

Ist man als „Griechenlandversteher“ heute linksradikal?

Diese Bilanz der Forscherin ergänzt ein Journalist noch durch die eigene Erfahrung in seinem Umfeld: Früher galt ich als „scheißliberal“ – bin ich jetzt etwa links? – fragt er – weil ich finde Arbeit sollte nicht härter besteuert werden als Finanzkapital? Weil ich Wasser für ein Allgemeingut halte, das nicht in die Hände von privaten Investoren gehört? Weil ich glaube, dass Austerität falsch ist für ausgelaugte Volkswirtschaften und dass der Staat durch Investitionen in der Krise gegensteuern sollte? Weil ich der Meinung bin, dass Griechenland seine Schulden nie zurückzahlen kann und man sie dem Land deswegen erlassen sollte – wie Nicaragua? (http://www.sueddeutsche.de/leben/essay-hilfe-bin-ich-links-1.2603848?reduced=true externer Link)

Wer versteht jetzt diese ökonomische Welt als Realist oder als Fantast?

Anscheinend ja, meint Sebastian Schoepp. Auf Partys in deutschen Designerküchen wird man immer noch angeschaut, als wäre man Rudi Dutschke, wenn man sich als Griechenlandversteher outet. Aber wer ist eigentlich radikaler? Der, der sagt, dass diese Rechnung nie aufgehen wird? Oder „diese nüchternen, beanzugten, ernsten Menschen, die sich selbst als die einzigen Erwachsenen im Raum betrachten, und die doch in Wahrheit verrückte utopische Fantasten, die einem fanatischen Kult anhängen..

Der Unmut mit dem Kult wächst jedenfalls. Ihn artikulierte Jürgen Habermas, wenn er die „Auflösung von Politik in Marktkonformität“ tadelt, die ja auch Angela Merkels Politik-Grundlage bildet.

War es nicht schon im Jahr 2011 als ausgerechnet der autorisierte Biograf Margaret Thatchers, Charles Moore, schrieb: Ich beginne zu glauben,dass die Linke recht hat.“ Eines der großen Argumente der Linken sei ja, so Moore, „dass das, was die Rechte den freien Markt nennt, ein ziemlicher Schwindel ist.“

Denn in Wahrheit betrieben die Reichen „ein globales System, das ihnen erlaubt, Kapital anzuhäufen und den geringstmöglichen Preis für Arbeitskraft zu bezahlen. Die einfachen Leute müssen härter arbeiten zu Bedingungen, die täglich unsicherer werden, um die Reichen reicher zu machen. Die Demokokratie, die ja eigentlich Wohlstand für viele bringen soll, ist in der Hand der Banker, Medienbarone und anderer Mogule, denen alles gehört.“ (Vgl. dazu Frank Schirrmacher, der Charles Moore 2011 schon in Deutschland vorgestellt hatte: http://www.nachdenkseiten.de/?p=10444#h01 externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=85379
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