»Zu wenige wehren sich gegen Sanktionen« Gespräch mit Inge Hannemann

Wer nicht spurt, kriegt kein Geld„Die Bundesregierung hat kürzlich die Sanktionsquoten für 2016 mitgeteilt. Demnach hat die Straffreude der Jobcenter wieder zugenommen, im Durchschnitt wurde monatlich mehr als 134.000 Menschen die Leistungen gestrichen oder gekürzt. Wie erklären Sie sich das?“ Dazu Inge Hannemann: „Von internen Weisungen, stärker zu sanktionieren, ist mir zwar nichts bekannt. Aber die Beschäftigten sind nach meiner Erfahrung permanent einer subtilen Gehirnwäsche ausgesetzt. Es heißt, sie hätten die Pflicht, den Steuerzahler zu entlasten und wirtschaftlich zu arbeiten. Ausgeblendet wird, dass die Verwaltung einen immer größeren Anteil des Geldes verschlingt. Hinzu kommen die Schuldzuweisungen an Betroffene. Diese müssten eben mitwirken, heißt es. Ich habe sogar Mitarbeiter kennengelernt, die aus dem Hartz-IV-Bezug kommen und am Ende selbst so denken. (…) Es wird beschwichtigt, denn es heißt, betroffen seien nur etwa drei Prozent der Berechtigten. Tatsächlich waren jeden Monat rund 135.000 Menschen von einer meist dreimonatigen Kürzung betroffen. Übers Jahr sind zuletzt weit über 400.000 teils mehrfach sanktioniert worden. Jeder dritte Widerspruchsführer und fast jeder zweite Kläger bekam nach einem Prozess aber sein Geld ganz oder teilweise zurück. Leider wehren sich immer noch zu wenige. (…) Der Bundesagentur für Arbeit geht es dabei nur um ein schnelles Vermitteln für eine gute Statistik. Auf die Bedingungen wird nicht geschaut, fast alles gilt als zumutbar. Die Mitarbeiter werden auch unter Druck gesetzt. Sie sollen eine »Integrationsquote« erfüllen, die etwa bei 20 Prozent liegt…“ Susan Bonath im Gespräch mit Inge Hannemann bei der jungen Welt vom 18. Februar 2017 externer Link (Inge Hannemann war früher Fallmanagerin im Jobcenter Hamburg Altona)

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