Mit voller Härte. Jobcenter verhängten 2018 geringfügig weniger Sanktionen. Gemessen an der Zahl der Hartz-IV-Bezieher stieg die Quote trotzdem

Wer nicht spurt, kriegt kein GeldWährend die Reichen reicher werden, sanktionieren Jobcenter ungebrochen die Ärmsten, sobald diese sich nicht wohlverhalten. Das geht aus neuen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Danach erteilten die Ämter vergangenes Jahr rund 904.000 neue Kürzungen gegen 403.000 Hartz-IV-Bezieher. Ähnlich wie 2017 kamen damit im Schnitt gut 2,2 neue Strafen auf jeden Betroffenen. Eine Sanktion dauert drei Monate. Zwar sank damit die Zahl der Kürzungen gegenüber dem Vorjahr um 50.000. Im Hartz-IV-System befanden sich aber auch rund 200.000 weniger erwerbsfähige Leistungsberechtigte ab einem Alter von 15 Jahren. Von diesen knapp vier Millionen galten nur 1,4 Millionen Menschen als erwerbslos. Der Rest stockte ein niedriges Einkommen auf, war krank oder in einer Maßnahme. So stieg Sanktionsquote trotzdem leicht von 3,1 auf 3,2 Prozent an. Die Quote beziffert den Anteil der Sanktionierten an allen erwerbsfähigen Beziehern an einem monatlichen Stichtag. Im Dezember waren das gut 128.000 Menschen. Mehr als drei Viertel der Strafen wurden wegen eines verpassten Termins verhängt. (…) Die Jobcenter der Bundesländer drangsalierten unterschiedlich streng. Spitzenreiter war erneut Berlin. (…) Unter den Bestraften waren Monat für Monat auch zwischen 6.750 und 7.500 Vollsanktionierte. Jeder Dritte hatte einen Migrationshintergrund, fast die Hälfte war jünger als 25 Jahre…“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 11.04.2019 externer Link, siehe dazu die BA:

  • Hartz IV: „Sanktionsverlaufsquote“ stieg 2018 auf 8,5 Prozent (ELB) bzw. 9,6 Prozent (ELB u25) New
    „Die sogenannte „jährliche Sanktionsverlaufsquote“ ist 2018 auf 8,5 Prozent bzw. 9,6 Prozent in der Altersgruppe unter 25 Jahre gestiegen. „Die jährliche Sanktionsverlaufsquote drückt … den Anteil der ELB aus, die in mindestens einem Berichtsmonat des Jahres SGB II-Leistungen bezogen haben und innerhalb dieses Jahres mindestens eine Sanktion hatten.“ (Statistik der Bundesagentur für Arbeit) (…) „Zum gegenwärtigen Entwicklungsstand liegt die Quote nur auf Bundesebene vor und ist nicht für regionale Einheiten verfügbar.“ (Statistik der BA)…“ BIAJ-Meldung vom 14. Mai 2019 externer Link mit Link zur unkommentierten BIAJ-Tabelle zum Verhältnis in den einzelnen Jobcenter
  • BA gibt indirekt Täuschung der Sanktionsstatistik beim BVerfG und der Öffentlichkeit zu 
    Die BA gibt in ihrer PM v. 10.4.19 (indirekt) zu, dass sie das BVerfG und die Öffentlichkeit zum Ausmaß von Sanktionen getäuscht hat. In der Diskussion um Sanktionen im SGB II hat die BA/Bundesregierung und das IAB bisher folgende Position vertreten: diese seien ja gar nicht so schlimm, es seien ja nur 3,1 % der Hartz IV-BezieherInnen davon betroffen. „Nach Auskunft der Regierung liegt die Sanktionsquote nur für diesen Bereich bei etwa einem Prozent. Die Gesamtquote liegt bei 3,1 Prozent“, so Lto vom 15.01.2019 externer Link. In ihrer o.g. PM (BA-Presseinfo-Nr. 15) versucht die BA die Sanktionsquote schönzureden und erzählt weiter das Märchen von nunmehr 3,2 % Sanktionen, gleichzeitig prägen sie aber den Begriff einer „ jährlichen Sanktionsverlaufsquote von 8,5 %“. Damit gibt die BA indirekt zu, dass sie die Öffentlichkeit und das BVerfG mit unrichtigen Daten versorgt und versucht hat, den Umfang und das Ausmaß der Sanktionen kleinzurechnen. Oder anders gesagt: von Seiten der BA wurde das wahre Ausmaß der Hartz-IV-Sanktionen seit Jahren verschleiert. Die Folgen von Sanktionen werden in der Tacheles Online-Befragung externer Link zu Folgen und Wirkungen von Sanktionen im SGB II deutlich. Es ist zu hoffen, dass das BVerfG diese Statistikmanipulation der BA entsprechend honoriert!“ Aus dem Thomé Newsletter 15/2019 vom 14.04.2019 externer Link
  • Drei von vier Sanktionen entfallen auf Terminversäumnisse
    „… Die Jobcenter mussten im letzten Jahr 904.000 Sanktionen gegen erwerbsfähige Leistungsberechtigte (sog. „Hartz IV-Empfänger“) aussprechen. Die Zahl der Leistungsminderungen ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 49.000 gesunken. Mit 77 Prozent entfällt ein Großteil der Sanktionen auf Meldeversäumnisse. 693.000 solcher Sanktionen mussten die Jobcenter im letzten Jahr aussprechen, weil vereinbarte Termine ohne wichtigen Grund nicht wahrgenommen wurden. In diesen Fällen müssen die Jobcenter die Regelleistung für drei Monate um zehn Prozent kürzen. Die Jobcenter in gemeinsamer Einrichtung von Bundesagentur für Arbeit und Kommune bieten einen SMS-Erinnerungsservice an, um die Zahl der Terminversäumnisse zu reduzieren. Wenn Kunden das wünschen, wird 24 Stunden vor dem vereinbarten Termin eine Erinnerung auf das Handy verschickt. Für die Weigerung, eine Arbeit oder Maßnahme aufzunehmen, oder bei Abbruch wurden 96.000 Sanktionen ausgesprochen. Pflichtverletzungen gegen die Eingliederungsvereinbarung führten in 78.000 Fällen zu einer Leistungsminderung. Beim ersten Pflichtverstoß müssen Jobcenter die Regelleistung für drei Monate um 30 Prozent kürzen, bei einer wiederholten Pflichtverletzung um 60 Prozent. Jede weitere Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres führt dazu, dass der Anspruch auf Grundsicherung vollständig entfällt. Sind die Leistungsberechtigten jünger als 25 Jahre, wird die Regelleistung zu 100 Prozent gekürzt. Bei wiederholten Pflichtverstößen werden auch die Kosten der Unterkunft nicht mehr übernommen. (…) Pro Monat waren durchschnittlich 3,2 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sanktioniert. Im gesamten Jahr 2018 hatten insgesamt 441.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte mindestens einmal eine Sanktion…“ BA-Presseinfo Nr.15 vom 10. April 2019 externer Link
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