Immer wieder Konflikte um die Unterkunftskosten der Hartz IV-Empfänger. Und eine eigenartige Seitwärtsbewegung des Bundesverfassungsgerichts

Graphik von Werner Lutz: Hartz IV-Empfänger: Ihr dürft Eure Villen auf Mallorca behalten!Wenn über „Hartz IV“, also die Grundsicherung nach SGB II, diskutiert wird, dann stehen meistens die Regelleistungen im Mittelpunkt, also der Geldbetrag, mit dem Hartz IV-Empfänger ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen- für einen alleinstehenden Leistungsbezieher sind das 416 Euro im Jahr 2018. Aber da gibt es noch eine zweite ganz wichtige Säule des Grundsicherungssystems: Bedarfe für Unterkunft und Heizung, so ist der hier relevante § 22 SGB II überschrieben. (…) Und auch das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der KdU-Prfoblematik beschäftigt. (…) »Der Gesetzgeber muss keinen Anspruch auf unbegrenzte Übernahme der Wohnungskosten vorsehen. Die Regelung ist auch ausreichend klar und verständlich. Damit hat der Gesetzgeber seiner aus der Verfassung herzuleitenden Pflicht genügt, einen konkreten gesetzlichen Anspruch zur Erfüllung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu schaffen.« Aber es lohnt sich, hier genauer hinzuschauen. Denn es geht insgesamt um drei Entscheidungen, von denen eine bislang unbemerkt geblieben ist, weil sie nicht veröffentlicht wurde. Harald Thomé hat das gemacht und in dem Artikel »Die unbekannte dritte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu den Kosten der Unterkunft nach dem SGB II« veröffentlicht. (…) Und der Schlussfolgerung von Thomé ist leider zu folgen: » Im „Hartz-IV-Urteil“ hat das Gericht vollmundig versprochen: „Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt.“ (BVerfG, 9.2.2010, 1 BvL 1/09 Rn 137) Wenn die Leistungsberechtigten dann aber die Einlösung dieses Versprechens verlangen, will das Bundesverfassungsgericht nichts mehr davon wissen, behilft sich mit hässlichen Winkelzügen und hofft, dass es keiner merkt.«. (…) Und auch in anderen sozialpolitisch hoch relevanten Feldern muss man eine mehr als defensive Linie des Verfassungsgerichts im Vergleich zu den wegweisenden Entscheidungen früherer Zeiten diagnostizieren: In der Familienpolitik und in der Pflege. Und immer stärker hat man in jüngerer Zeit den Eindruck, dass die Richter in Karlsruhe irgendwie keine Lust mehr haben, sich aktiv zu positionieren“ Beitrag von Stefan Sell vom 6. September 2018 bei der Aktuellen Sozialpolitik externer Link

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