Hartz-IV-Beziehern droht schnellere Zwangsverrentung

"… und arm bist Du…" Broschüre der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken„… Die Jobcenter sollen mehr Druck auf ältere Hartz-IV-Empfänger ausüben können. Das sieht ein geplanter Änderungsantrag für ein derzeit im Bundestag beratenes Gesetz vor, über den die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Trotz großer Kritik an der sogenannten vorzeitigen Zwangsverrentung von Langzeitarbeitslosen will die Koalition demnach den Jobcentern mehr Möglichkeiten einräumen, Hartz-IV-Empfänger in den Ruhestand zu schicken. So sollen die Behörden künftig Leistungen streichen können, wenn Betroffene nicht die nötigen Unterlagen zum vorzeitigen Wechsel in die Rente vorlegen…“ Beitrag vom 14. Mai 2016 bei Spiegel online externer Link und wichtige Hinweise:

  • Rente: Keine Verschärfung bei Hartz IV: Regierung stoppt Pläne für mehr Abschlagsrenten von Langzeitarbeitslosen.
    „Die Koalition hat Gesetzespläne für mehr vorzeitige Verrentungen von Hartz-IV-Empfängern gekippt. Es werde gesetzlich klargestellt, dass Betroffene nicht dafür bestraft werden, wenn sie dem Jobcenter dafür nötige Unterlagen verweigern, teilte der CDU-Sozialexperte Karl Schiewerling (im Bild) am Donnerstag in Berlin mit. „Daher wird es auch nicht vermehrt zu Renten mit Abschlägen kommen.“…“ Pressemitteilung vom 17. Juni 2016 bei Ihre Vorsorge.de externer Link. Siehe dazu:

    • Zwangsverrentung nicht verschlimmbessern, sondern abschaffen
      „Es sei zu begrüßen, wenn die Regierungskoalition laut Medienberichten nicht die ursprünglich geplante verschärfte Zwangsverrentung von Langzeitarbeitslosen umsetzen will. Das erklärte der Präsident der Volkssolidarität, Dr. Wolfram Friedersdorff, am Freitag. Er bezeichnete den Schritt als Zeichen der politischen und sozialen Vernunft. „Noch sozialer und vernünftiger wäre es aber, die Zwangsverrentung von Langzeitarbeitslosen ersatzlos abzuschaffen. Das fordert die Volkssolidarität seit langem.“ Der Verband bleibe bei seiner Kritik an der entsprechenden Rechtslage, auf deren Grundlage Ältere zwangsverrentet werden, die unverschuldet arbeitslos geworden sind und seit Jahren keine existenzsichernde Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt finden…“ Pressemitteilung 21/2016 des Bundesverbands der Volkssolidarität vom 17. Juni 2016 externer Link
  • WICHTIG: Die Entscheidung der Koalition aus SPD/CDU/CSU ist jedoch keine Überraschung, hat doch das Bundessozialgericht mit seiner Entscheidung am 19. August 2015 (Aktenzeichen: B 14 AS 1/15 R) externer Link bereits die Praxis der Zwangsverrentung rechtlich abgesegnet. Allerdings sah das Gericht im konkreten Entscheidungsfall keine Ermessungsfehler beim Jobcenter: „Sie drängen sich auch für den Senat nicht auf, zumal die vorzeitige Altersrente trotz der Abschläge erheblich höher als der Arbeitslosengeld II-Bedarf des Klägers ist, weshalb er durch deren Bezug nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB XII würde.“ Dies bedeutet, dass eine Zwangsverrentung zumindest immer dann rechtlich angreifbar ist, wenn dadurch aufgrund einer zu geringen Rente der Bezug von Sozialleistungen nach SGB XII erforderlich wird. Eine Klage gegen die Sanktionen aufgrund fehlender Unterlagen hat beim gegenwärtigen Rechtsstand dagegen null Erfolgschancen. Wichtiger ist es, dass herrschende Rechtsverständnis bezüglich Sozialstaatsgebot überhaupt in Frage zu stellen.
  • Anm.: Die Empörung über diese Zwangsverrentung ist aktuell gross und immer gleich: Es fehlt völlig jedoch die Kritik an der Rechtsprechung des BSG selbst. Und: Die Zwangsverrentung ist (u.a.) letztlich nur ein Beispiel dafür, dass die Sanktionspraxis unbedingt beendet werden muss, also auch ein „gutes“ Beispiel für diejenigen, die das immer noch nicht so recht glauben…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=98349
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