Auf den Spuren der Wut: „Ich würde zuschlagen, wenn ich könnte“

Illustration zu Hartz IV: Ten Years after - Sechsteilige Bilanz von Rudolf Stumberger bei telepolisDer Satz kommt wie ein Überfall aus der heiter plaudernden Frau: „Ich habe dem Staat gekündigt.“ (…) „Das war atemberaubend“, sagt sie. „Der Staat geht dir wirklich an die Gurgel.“ Hartz IV sei doch schon das Existenzminimum. „Wenn dir davon noch 100 Euro im Monat genommen werden, bekommst du Angst vor jedem neuen Tag.“ Die Angst paarte sich mit einer Wut, die sie bis heute nicht mehr loswurde. Vergleichbare Ereignisse im Jobcenter bestärkten sie in ihrer Ansicht. Nun ist sie Wutbürgerin. (…) Heitmeyer [vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung] sagt, wer diesen Schritt mache, fühle sich nicht mehr anerkannt und darum nicht mehr zugehörig. Das Kündigen bedeute, dass man wenigstens noch ein letztes Mal eine aktive Rolle einnehme. „Ich bin jetzt derjenige, der rausgeht. Ich habe die Nase voll. Und nicht der Staat schmeißt mich raus“, erklärt er. Es sei der letzte Versuch, zu einem positiven Selbstbild zu kommen, das aus der Sicht Heitmeyer überlebenswichtig ist. Zu oft würden Arbeitslose mit dem „Jargon der Verachtung“ konfrontiert. (…) Denen, die nicht mehr mithalten könnten, bliebe nur Wut, die aber kein Ventil fände: „Wo soll man denn hinschlagen? Wer ist der Staat? Sind es die Mitarbeiter in den Jobcentern, die selbst eingemauert sind in Paragrafen-Gerüste?“ (…) Bedingungsloses Grundeinkommen wäre die weitreichendste Maßnahme einer Würde sichernden Gesellschaft, die auch das leere Gerede, um nicht zu sagen, das verzweifelte Betteln von politischen Eliten um sozialen Zusammenhalt als Scheinlösung eines ‚gesellschaftlichen Allesklebers‘ überflüssig machen würde.“ Recherche von Hans von der Hagen vom 28. September 2017 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link mit Link zum 2. Teil „Berlin: Wut als Proseminar“

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