Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Was Uwe Tellkamp und Jens Spahn verbindet: Das Treten nach unten gehört unter Eliten zum guten Ton

Delikt Arbeitslos„… Die Diskussionen um Tellkamp und Spahn verlaufen unabhängig voneinander, so als hätten die beiden Standpunkte nichts miteinander zu tun. Dabei eint sie die Lust am Treten nach unten, das unter Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur zum guten Ton gehört. Zur Beteiligung jener Massenmedien, die Tellkamp als zu links bezeichnet, an diesem Treten nach unten soll hier ein Lektürehinweis genügen: Kathrin Hartmann hat diesem Aspekt in ihrem Buch »Wir müssen leider draußen bleiben« ein ganzes Kapitel gewidmet. Es lässt sich jedenfalls ziemlich genau datieren, seit wann die Eliten in aller Öffentlichkeit orgiastisch Stimmung gegen Erwerbslose, Migranten und Flüchtlinge machen können. Im August 2005, also kurz nach der Einführung von Hartz IV, diagnostizierte ein Papier aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Soziales unter Wolfgang Clement (SPD) einen »massiven Sozialbetrug« bei Sozialleistungsbeziehern. Diese »Mitnahme-Mentalität« schade den Arbeitswilligen und damit den »tatsächlich Bedürftigen«. Viele machten »mal eben ein paar schnelle Euro auf Kosten der Sozialkasse«. Clements Mitarbeiter griffen zu einem suggestiven Vergleich: »Biologen verwenden für ›Organismen, die auf Kosten anderer Lebewesen leben‹, übereinstimmend die Bezeichnung ›Parasiten‹.« (…) Wie tief die Nützlichkeitsideologie selbst in den Köpfen wohlmeinender Weltbürger verankert ist, das zeigt der Fall Tellkamp. Es wurde viel Aufwand betrieben, um die Aussage zu widerlegen, 95 Prozent der Geflüchteten wanderten in die Sozialsysteme ein. Warum bestand kaum jemand darauf, dass es ein legitimes Begehren ist, der Armut zu entfliehen aus einem Land, für dessen desolate Lage Deutschland mitverantwortlich ist?“ Beitrag von Christian Baron bei neues Deutschland vom 17. März 2018 externer Link – wir erinnern an die Rubrik im LabourNet-Archiv: „Faulenzer“- Debatte die x-te – Arbeitslose sind faul und die Erde ist eine Scheibe sowie Auf ein Neues: Scheinarbeitslose und Missbrauchsdebatte

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=129581
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