Soziologe Hans-Albert Wulf zum Nichtstun: „Wer faul ist, muss bestraft werden“

Müßiggänger gesellschaftlich zu ächten, hat eine lange Tradition. Der Mensch soll Abscheu vor staatlicher Hilfe entwickeln. Heute mehr denn je….“ Sonja Vogel im Gespräch mit Hans-Albert Wulf in der taz online vom 25. Dezember 2016 externer Link

  • Frohes Schaffen – Ein Film zur Senkung der ArbeitsmoralDort u.a. wichtig: taz: Herr Wulf, neue Strafmaßnahmen gegen ALG-II-EmpfängerInnen stehen immer wieder zur Debatte: Erzwingungshaft, Bußgelder, Sanktionen. Sind die widerspenstigen Arbeitslosen die Faulen unserer Zeit? Hans-Albert Wulf: Ja, zumindest nach dem Verständnis derer, die sie maßregeln. 2001 hat Gerhard Schröder sein berühmtes Interview gegeben: „Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft.“ Das war einige Jahre vor der Agenda 2010 und der Einführung von Hartz IV. Seither haben diese negativen Bilder vom Faulen und Faulenzer einen festen Platz in der Gesellschaft. (…) Sie dienen der Abschreckung. Aber die Botschaft geht weniger an die Hartz-IV-Empfänger als an jene, die arbeiten. (…) Es geht immer auch um Demütigung. Wer faul ist, der muss eben bestraft werden. Verblüffend ist die historische Kontinuität. (…) Der notleidende Mensch soll Abscheu vor staatlicher Hilfe entwickeln. Das ist sehr aktuell. (…) Die Agenda 2010 hat ja keinen realen Nutzen gehabt, sie hat keine Arbeitsplätze geschaffen. Aber sie hat Regeln eingeführt, Arbeitseinsätze, die demütigen und abschrecken. Früher sollten auch Bettler gefälligst wenigstens so tun, als würden sie arbeiten. Die Arbeiten für 1-Euro-Jobber sind produktiver Unsinn. Aber sie zwingen sie zurück ins Hamsterrad. Und das Sadistische an diesen Maßnahmen ist ja, dass suggeriert wird, man sei selbst schuld, wenn man keinen Job bekommt. Auch die Einrichtung von Arbeitshäusern erfolgte einst mit dem Argument, Menschen durch Zwang die Lust an der Arbeit zu vermitteln…“
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