Stolz auf was? So niedrig wie jetzt war die Arbeitslosenzahl lange nicht mehr. Doch sie verschleiert das wahre Ausmaß der Missstände

Delikt Arbeitslos„Erwerbslosigkeit ist auch eine Frage, auf welche Daten man schaut. Die offizielle Statistik verschweigt nichts, doch in der Öffentlichkeit wird trotzdem oft ein falsches Bild erzeugt. (…) „Die Definition von Arbeitslosigkeit ist eine sozialrechtliche und daher politisch steuerbar“, merkte der Sozialexperte Stefan Sell schon vor Jahren an. Die Folge sei eine Arbeitslosenstatistik, die das tatsächliche Ausmaß „nur unvollständig abbildet“. (…) Der Bundesagentur lässt sich da freilich nicht viel vorwerfen. Wer es schafft, in deren Mitteilungen bis zum dritten Absatz zu kommen, erfährt: „Insgesamt lag die Unterbeschäftigung im Oktober 2018 bei 3.142.000 Personen.“ Hierzu zählen Erwerbslose, die älter als 58 Jahre sind, Ein-Euro-Jobber, Personen in Förderprogrammen und Bildungsmaßnahmen – insgesamt über 915.000 Menschen. Doch auch die von der Bundesagentur angegebene „Unterbeschäftigung“ zeichnet noch nicht das ganze Bild. Diese Daten wiesen „nur einen Teil“ aus, erläuterten schon vor Jahren die hauseigenen Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Man müsse „die sogenannte ,verdeckte Arbeitslosigkeit‘ bzw. die ,Stille Reserve‘ in die Betrachtung einbeziehen“. (…) Eine Fokussierung auf die offizielle Zahl der Erwerbslosen bringt noch etwas zum Verschwinden: persönliche Betroffenheit. (…) Über einen Zeitraum von zurückgerechnet zwölf Monaten betrachtet, haben sich sogar über 2,4 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Das zeigt: Auch in Zeiten der von der Politik gefeierten „guten Konjunktur“ machen Betriebe dicht, werden Menschen entlassen.(…) Zur Wirklichkeit auf dem Arbeitsmarkt gehört zudem, dass Menschen zwar eine Stelle haben, aber mit staatlichen Leistungen „aufstocken“ müssen, weil das Geld nicht zum Leben reicht. Unter den knapp 4,26 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern ging zuletzt rund ein Viertel einer Lohnarbeit nach. Trotz „guter Arbeitsmarktentwicklung“ und trotz Mindestlohns reicht das Einkommen für über 130.000 Vollzeitbeschäftigte nicht zum Leben. Hier werden Geschäftsmodelle mit Dumpinglöhnen öffentlich subventioniert, beklagen Kritiker seit Langem. Das gilt auch für viele Minijobber und Teilzeitbeschäftigte. Insgesamt arbeiten derzeit über elf Millionen Menschen befristet, geringfügig, in Zeitarbeit oder in Teilzeit…“ Kommentar von Tom Strohschneider vom 6. Dezember 2018 in ‚der Freitag‘ Ausgabe 48/2018 externer Link

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