Sozialpfarrer Kossen gründet Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ für Rechte von Leiharbeitern und Arbeitsmigranten

Tradition: "Ausländer" auf dem deutschen Arbeitsmarkt„Der Lengericher Sozialpfarrer Peter Kossen hat am Freitag den Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ gegründet. Damit wendet er sich gegen eine in seinen Augen fatale Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Mit dem Verein wollten seine Mitstreiter und er sich noch stärker für die Rechte von Leiharbeitern einsetzen, teilte Kossen mit. Ziel sei es, „durch ein Netzwerk von Juristen und juristisch geschulten Ehrenamtlichen den Rechtsweg für Arbeitsmigranten leichter zugänglich zu machen“. (…) Würde und Gerechtigkeit werde den zumeist aus Südosteuropa kommenden Leiharbeitern in der Fleischindustrie und in anderen Branchen in Deutschland oft vorenthalten, sagte Kossen. „Brutale Arbeitsausbeutung, Menschenhandel und Abzocke für unwürdige und gesundheitswidrige Behausungen“ seien die Folge…“ Mitteilung vom und beim DomRadio vom 5. Januar 2019 externer Link und dazu:

  • Bruchbuden zu Luxusmieten: Wenn die Matratze im Massenquartier 400,- € kostet New Pfarrer Peter Kossen kennt in seiner Stadt Lengerich ganze Straßenzüge, die zum Ghetto und „Verschiebebahnhof“ für Arbeitsmigranten aus Ost- und Südosteuropa geworden sind. „Das ist aber kein lokal begrenztes Problem. Überall im Land beobachten wir Vergleichbares“, sagt er. „Bruchbuden werden vollgestopft mit Menschen aus Rumänien und Bulgarien. Sie zahlen dafür Wuchermieten, weil sie nichts anderes bekommen.“
    Keine Chance auf dem Wohnungsmarkt
    Aufgrund der allgemeinen Knappheit von günstigem Wohnraum haben Arbeitsmigranten auf dem Wohnungsmarkt (fast) keine Chance auf bezahlbare menschenwürdige Wohnungen. Wuchermieten für unhygienische und unwürdige Behausungen sind die Folge. Der Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“, dessen Vorsitzender Peter Kossen ist, berät Betroffene. „In einem – nicht untypischen – Fall hat unser Rechtsanwalt Klaus Körner entdeckt, dass einem Ehepaar für das gleiche Zimmer in einer Wohnung, die sie mit anderen teilen mussten, jeweils 350,- € vom Monatslohn abgezogen wurden.“ Schrottimmobilien mit Arbeitsmigranten vollstopfen und Wuchermieten verlangen, das sei in Stadt und Land zum einträglichen Geschäft geworden.
    Sozialer Wohnungsbau: Fehlanzeige!
    „Sozialer Wohnungsbau fällt weitgehend aus und die Sozialbindung von Wohnungen läuft ab, ohne dass für Ersatz gesorgt wird – das Problem verschärft sich immer mehr.“ Wer kaum Deutsch spricht, wenig Geld hat und niemanden kennt, habe praktisch keine Chance auf dem Wohnungsmarkt. Da bleibe nur das Leben im Ghetto mit der ständigen Angst, mit dem Job auch das Dach über dem Kopf zu verlieren und buchstäblich auf der Straße zu stehen. Denn nicht selten sei es die Leiharbeitsfirma selbst, die sich neben der Ausbeutung der Arbeitskräfte ein fettes „Zubrot“ verdiene, indem sie Migranten in eigenen Schrottimmobilien unterbringe. „Und dann reden wir über die Matratze im verschimmelten Mehrbettzimmer, die 400,- € kostet und die man sich unter Umständen „schichtweise“ mit anderen teilen muss: Keine Privatsphäre, kein Rückzugsraum, keine Ruhe“, weiß Kossen aus der Beratung von Arbeitsmigranten.
    Behörden ohne Übersicht
    Behörden wüssten oft gar nicht, wie viele Arbeitsmigranten wie lange wo hausen. „Erst nach drei Monaten müssen sie angemeldet werden. Wir sehen vielerorts einen regelrechten „Verschiebebahnhof“, der eine Übersicht und Kontrolle praktisch unmöglich macht. Manchmal sind sie nur kurze Zeit – für ein paar Nächte – in einer Unterkunft und müssen dann wieder wechseln, weil ihr Vermieter Kontrollen und Kontaktaufnahmen vermeiden will.“ Dieses allgegenwärtige Problem verhindere die notwendige Regeneration nach schwersten Arbeiten und die ebenso notwendige Integration in die Gesellschaft. Parallelwelten seien die Folge, Abschottung und rechtsfreie Räume.
    Kinder als Leidtragende
    „Umso prekärer stellt es sich dar, wenn zunehmend ganze Familien von Arbeitsmigranten in solchen Behausungen leben müssen.“ Und das sei nicht selten der Fall. „Erzieherinnen erzählen mir von verstörten, verängstigten und geschwächten Kindergartenkindern, die in solchen Verhältnissen leben und aufwachsen. Manche verschlafen fast den ganzen Kindergartentag, weil sie nachts in den Unterkünften Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch und auch Prostitution miterleben.“
    Im Sinne von Menschenwürde und Gerechtigkeit fordert Kossen für Arbeitsmigranten und ihre Familien ein Ende von Matratzenlager und Mietwucher und ein stärkeres Engagement von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für Integration, Teilhabe und menschwürdiges Wohnen.“ Pressemitteilung des Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ vom 18.8.2023 (per e-mail)
  • Siehe weitere Interventionen des Sozialpfarrers Kossen v.a. in unserer Rubrik Fleischbranche
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=142429
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