IG Metall: Und raus bist du. BMW-Mitarbeiter berichten: Der Betriebsrat drängt Leiharbeiter, in die IG Metall einzutreten, und droht Austrittswilligen mit Jobverlust. Jetzt regt sich Widerstand

„… Die Rede ist nicht von Volkswagen, wo die IG Metall von jeher durchregiert. Hier geht es um BMW. Die Recherchen zeigen, wie systematisch Leiharbeiter, die Schwächsten in der Arbeiterhierarchie, in die IG Metall gedrängt werden. Sie belegen, wie Betriebsräte in einem Geflecht von Finanzen und Abhängigkeiten das System stützen und das Unternehmen sich wohlwollend zurückhält. Was aus dieser Melange entsteht, ist nicht Freiheit, sondern Zwang. Den erlebte vor Kurzem ein Lackierer, der seit 25 Jahren bei BMW schafft und ebenso lange in der IG Metall gewesen ist. Doch dann ärgerte er sich über den Betriebsratsvorsitzenden und überzeugten IG Metaller Manfred Schoch. Der Lackierer hatte genug von der Gewerkschaft, trat aus – und wurde sofort unter Druck gesetzt. Ein Belegschaftsvertreter habe ihn in die Mangel genommen, sagt er: „Wenn du deine Kündigung nicht zurücknimmst, dann wird es keine Festanstellung für deinen Schwiegersohn geben.“ In der Hand hielt das Betriebsratsmitglied „den Arbeitsvertrag meines Schwiegersohns, der ist Leiharbeiter“, sagt der Lackierer. Er trat wieder ein. Sein Schwiegersohn sei kurz darauf fest angestellt worden…“ Artikel von Claas Tatje vom 27. Oktober 2016 bei der Zeit online externer Link – mit weiteren Beispielen. Siehe dazu:

  • [BMW Regensburg] Zündstoff rund um Leiharbeit bei BMW: Die IG Metall bemängelt die hohe Zahl an Zeitarbeitern und gerät bei diesem Thema selbst ins Visier von Kritikern
    „… Die entscheidenden Arbeitnehmervertreter in Regensburg beobachten die Vorgänge mit Distanz. Sowohl der BMW-Betriebsratschef Werner Zierer als auch der hiesige IG-Metall-Boss Jürgen Scholz kennen selbstredend das Thema. Scholz spricht von einer „alten Geschichte“. Von Regensburg aus wolle man sich daran auf keinen Fall beteiligen. Auch Zierer hält sich zurück. Beide, Zierer und Scholz, halten aber unisono fest: In Regensburg gibt es diese Konflikte nicht. (…) 3500 Zeitarbeiter sind es aktuell am Standort Regensburg – dazu gehört auch das Werk Wackersdorf im Landkreis Schwandorf. Laut Werner Zierer findet die Arbeitnehmervertretung diese Zahl viel zu hoch. Allein 1500 Leiharbeitnehmer seien zum 1. Juli im Zuge der Einführung einer Nachtschicht in der Montage und der Lackiererei dazugekommen. Diese ist nach Angaben von BMW notwendig, um auf die große Nachfrage beim X1-Modell zu reagieren…“ Artikel von Bernhard Fleischmann und Christine Hochreiter vom 03. November 2016 bei der Mittelbayerischen Zeitung online externer Link
  • Weiter im Artikel von Claas Tatje vom 27. Oktober 2016 bei der Zeit online externer Link: „… Möglich macht dies das enge Zusammenspiel von Vertrauensleuten der IG Metall – Gewerkschaftsvertreter, die im Werk Ansprechpartner für die Belegschaft sind – und dem Betriebsrat. Ein früherer Vertrauensmann der Gewerkschaft erzählt, wie das funktioniert: „Leiharbeiter ohne IG-Metall-Mitgliedschaft haben in vielen Bereichen des Unternehmens keine Chance auf eine Festanstellung. Man wird zwei-, dreimal angesprochen, und wer dann nicht eintritt, dessen Name wird aussortiert, wenn er sich online auf eine Stelle bewirbt. Der wird richtiggehend aus der Liste gelöscht. Denn in jedem Bewerbungsverfahren muss der Betriebsrat angehört werden, und sagen wir es mal so: Die Beziehungen zwischen Personalrat und Betriebsrat sind sehr gut.“…“
  • Und gegenüber BMWs Pochen auf das Hausrecht heißt es: „… Das klingt so gar nicht nach den Erlebnissen von über 20 Mitarbeitern, zumeist Leiharbeitern, die mit der ZEIT in den vergangenen Monaten gesprochen haben. Wenn die Schwächsten im Werk nicht folgsam sind, riskieren sie demnach ihren prekären Job, weil IG Metall und Betriebsrat oft einen übermäßigen Einfluss ausüben…“
  • Warum wirbt die IG Metall um LeiharbeiterInnen? „… Eine Insiderin schildert das Problem mangelnder Schlagkraft: „Bei BMW streiken im Konflikt immer nur bestimmte Schichten, weil die meisten einfach zurück ans Band gehen oder Frühstückspause machen.“ Um dem entgegenzuwirken, hat es die Gewerkschaft vor allem auf Leiharbeitnehmer abgesehen. „Bei der Stammbelegschaft hat die IG Metall ihr Potenzial ausgeschöpft. Da bleiben nur die Leiharbeiter, die noch eintreten könnten“, sagt die IG-Metall-Insiderin. Wenn die Stammbelegschaft zu weniger als 50 Prozent organisiert sei, bekämen Aufmärsche nur mit Leiharbeitern Aufmerksamkeit. (…) Offiziell spricht BMW davon, dass die Quote der Zeitarbeiter, wie Leiharbeiter im Werk genannt werden, höchstens zwölf Prozent der Stammbelegschaft betragen darf. Der ZEIT liegen die internen Berechnungen eines großen Teilbereichs aus diesem Herbst mit mehreren Tausend Mitarbeitern vor. In diesem Werksabschnitt, den auch Betriebsratschef Schoch gut kennt, wird fast jeder fünfte Arbeitsplatz von einem Leiharbeiter besetzt. In manchen Fabrikabschnitten ist jeder dritte Beschäftigte ein Leiharbeiter. Ohne sie ist kaum eine Streikmacht aufzustellen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=106633
nach oben