BAG zur Bestimmung des Vergleichsentgelts bei Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt („equal pay“), wenn kein vom Gleichheitsgrundsatz abweichender Tarifvertrag wirksam ist

Leiharbeit abschaffen: FAU-Aktionswoche 18. bis 25. September 2009In einem solchen Fall, bei dem es um die nachträgliche Bestimmung der „Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay“ geht, entschied das BAG mit Urteil 5 AZR 53/16 am 23. November 2016: „Maßgeblich für das Vergleichsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist die Tätigkeit, die der Entleiher dem Leiharbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent durch Billigung oder Duldung zugewiesen hat.“ Damit meint das BAG, dass es bei solchen Fällen nicht auf die Tätigkeitsbezeichnung, sondern auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ankommt. Allerdings zeigt das Urteil auch, wie mühselig sich der Kampf um gleiche Bezahlung durch die widersinnige gesetzlich abgesicherte Verleihpraxis gestalten kann.

So lehnte zuvor das Arbeitsgericht die Klage ab und wies das Landesarbeitsgericht die Berufung zurück. Aber auch das BAG wies die Revision der Klägerin dort zurück, wo es um die nachträgliche Geltendmachung von Urlaubsansprüche ging: „Dieser (weitere) Urlaub unterliegt aber – wie bei den Stammarbeitnehmern – den gesetzlichen Regeln und etwaigen im Entleiherbetrieb geltenden ergänzenden Bestimmungen.“ Er ist also auch im Fall von unzulässiger Ungleichbehandlung „befristet und verfällt am Jahresende, wenn der Arbeitnehmer nicht aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war“. Ansonsten hatte die Revision der Klägerin jedoch in soweit Erfolg, da mit „der Begründung des Landesarbeitsgerichts (…) ein Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG nicht verneint werden“ konnte. Allerdings erklärt das BAG auch hier ziemlich unbefriedigend: „In welchem Umfang die Klage (…) begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden“. Positiv zu werten ist deshalb nur der Umstand, dass in einem solchen Fall gilt: Das „Vergleichsentgelt ist tätigkeitsbezogen zu bestimmen und richtet sich nicht nach Funktionsbezeichnungen“, wobei allerdings „für die Höhe des Anspruchs (…) der Arbeitnehmer“ allein darlegungs- und beweispflichtig sein soll.

Letztlich ergibt sich aus dem Urteil nur der bekannte Kritikpunkt, dass jede tarifliche Abweichung vom Gleichheitsgrundsatz für die Betroffenen nachteilig ist – auch bezüglich der Rechtsdurchsetzung, wie dieser Fall zeigt. Denn wenn auch das BAG nun dies für unbeachtlich hält, so lag doch dem Arbeitsvertrag vom 22. Oktober 2008 ursprünglich angeblich der Tarifvertrag des Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) bindend zugrunde, der – laut Vertrag – auch gelten sollte, „wenn der Mitarbeiter nicht Mitglied einer der vorgenannten Gewerkschaften ist“. Rechtlich hilfreich wäre hier vor allem, wenn es für die Betroffenen keine Verpflichtung geben würde, ein Arbeitsvertrag zu unterschreiben, der eine vom Gleichheitsgrundsatz abweichende tarifliche Vereinbarung enthält. Dies besonders dann nicht, wenn der oder die Betroffene gerade nicht an den Tarifvertrag einer Gewerkschaft gebundenen sein will, deren Mitglied man nicht ist. Das Prinzip der negativen Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG) kann besonders für LeiharbeiterInnen immer dort von Interesse sein, wo eine Gewerkschaft durch Tarifvertrag vom Gleichheitsgrundsatz (equal-pay) abweicht. Ob allerdings eine solche negative Koalitionsfreiheit vom BAG akzeptiert werden würde, ist rechtlich gesehen noch offen, wenn nicht sogar eher fraglich. Aus gewerkschaftlicher Sicht sollte es zumindest keine offene Frage mehr sein, dass eine Abweichung vom Gleichheitsgrundsatz nichts sein kann, was unter einer gewerkschaftlichen Vertretung der Interessen von LeiharbeiterInnen verstanden werden sollte… (Siehe z.B. unsere Kampagne von 2016/17: Offener Brief: Equal Pay für LeiharbeiterInnen)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=114766
nach oben