Human Leasing

Ich bin ein LeiharbeiterZuschrift an die LabourNet-Redaktion vom Juni 2013

Es wird viel geschrieben und gesagt: Zeitarbeit, der Jobmotor, das Wirtschaftswunderkind, die heilige Kuh. Doch wie sieht die ganze Sache aus, wenn man sie vom Standpunkt eines Leiharbeitnehmers aus betrachtet – ehrlich, und vor allem subjektiv. Sozusagen, lassen wir mal die Stammtischparolen beiseite. Es gibt sie die Berichte, dass das doch nicht so fair oder lustig ist, wie man uns gerne erzählt. Die Wahrheit wird gern einmal etwas gebügelt, so dass es nicht mehr so knittrig wirkt, doch die Falten sind da. Falten die immer tiefer werden, ob gewollt oder eben nur als Kollateralschaden sei mal dahingestellt.

Es Lebe die Globalisierung

Wie rutscht man in das Dilemma? Ganz einfach. Es hätte alles so schön sein können. Nur kam mir die Globalisierung und der unbedingte Wille die große Kohle zu machen dazwischen. Oder wie es so realitätsfern beschrieben wird „Die Arbeitskosten sind in Deutschland viel zu hoch“ dazwischen. Im zarten Alter von 19 Jahren begann ich bei einer sehr renommierten Textilfirma meinen Arbeitsweg. 20 Jahre habe ich diese Firma durch Erfolg und Wachstum begleitet. Keine Frage ich arbeitete gern dort, die Kollegen waren super, der Chef einer von der alten Sorte, einer der sich ernsthaft um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter sorgte. Nun ja, aber auch dieser Chef war nicht ewig jung, so kam es wie es kommen musste… Der Nachwuchs durfte sich austoben. Das Dumme daran war nur, dem Nachwuchs war es relativ egal wie es den Mitarbeitern erging, Hauptsache der Rubel rollte. Es gab immer mal wieder neue Geschäftspartner. Die blieben leider nur nicht lange, aber lange genug um einen Teil der Firma als Bon Bon mitzunehmen beim Abschied. Irgendwann rollte der Rubel nicht mehr ausreichend, also musste eine Lösung her. Lösung ist ein gutes Stichwort – die Antwort lautet Senkung der Personalkosten. Und wie senkt man diese möglichst effektiv? Richtig man sucht sich einfach Billiglöhne aus anderen Ländern, karrt den Maschinenpark dorthin und freut sich, dass ein solches Vorgehen auch noch als Investition von der Steuer absetzbar ist. Die Firmenleitung freute sich, das Finanzamt freute sich vermutlich weniger. Denn die Investitionen kamen ja keinem hierzulande zu Gute – nein, in Mexiko, Portugal oder Rumänien freuten sich die Finanzämter, blieb dort ja doch einiges hängen. Und irgendwann war ich, wie so viele Kollegen, überflüssig, mein Arbeitsplatz wurde verlagert. Und ich ausgelagert – oder eben betriebsbedingt gekündigt. Damit war es allerdings auch nicht genug. Durch meine langjährige Betriebszugehörigkeit hatte ich eine relativ lange Kündigungsfrist, und leider war mein angestammter Arbeitsplatz ja nun auf dem Weg nach Mexiko. Dumm gelaufen, was macht man, wenn eigentlich kein Platz mehr da ist. Richtig die Firma ist groß, und ich hatte jeden Tag ein Überraschungsei zu knacken. Spiel, Spaß und Spannung, jeden Tag ein anderer Arbeitsplatz, quer durch den Betrieb. Das gab mir den Rest, die Kündigung, na ja man muss damit leben, aber dieses „heute da und morgen da, übermorgen“ ????? machte mir psychisch so zu schaffen dass mein Körper einfach streikte und mir sagte: Hier ist die Grenze der Belastbarkeit. Mein Arzt zog mich einfach aus dem Verkehr, runter von der Hoppingautobahn. Nach 6 Monaten saß ich dann zuhause, deprimiert, überflüssig.

Ein tiefes Loch tat sich auf vor mir

Die Tage waren erst mal ganz nett, Urlaub ( das Gehirn braucht ja etwas um zu realisieren dass dieser „Urlaub“ etwas länger dauert). Ich war 39, eigentlich im besten Alter, sollte man denken, aber eben für den Arbeitsmarkt viel zu alt. Dass ich die vergangenen Jahre fleißig, pünktlich und schnell war, hat keinen wirklich hinter dem Ofen vor gelockt. Ich schrieb hunderte von Bewerbungen, aber alles, was bestenfalls zurückkam, waren Absagen. Ich zweifelte immer mehr an meinem Wert in dieser Leistungsgesellschaft. Ich war ja nicht produktiv, arbeitete nicht. Irgendwann war die Wohnung auf Hochglanz poliert, alle Schränke aufgeräumt. Jeder Tag war gleich, es gab keine Höhepunkte, keine Ereignisse, bis auf die netten Gespräche mit meinem Arbeitsvermittler im Arbeitsamt. Einem jungen Schnösel, der kaum trocken hinter den Ohren war. Einem Menschen, der seine Machtspielchen voll auslebte. Vermutlich hatte er zuhause nichts zu sagen. Also bekam ich einen Kurs aufs Auge gedrückt. „Lagerwirtschaft mit Staplerschein“, Dauer 6 Monate. Endlich wieder Struktur im Alltag, Damit ich das Aufstehen wieder lerne. Solche Bemerkungen musste ich mir anhören. Ich war und bin Mutter: da steht man von alleine morgens auf. Der Kursleiter war sehr nett, und der Rest der Truppe, na ja quer Beet: vom Lebenskünstler bis zur nur russisch sprechenden Hausfrau war so ziemlich alles vertreten. Uns wurden Lagerverwaltungsprogramme beigebracht, die wichtigsten Begriff erklärt, eben der Ablauf in einem Lager. Im Rahmen dieses Kurses durften wir auch zwei, jeweils vier Wochen dauernde Praktika erleben. Meine Wahl fiel auf eine renommierte Firma in einem bekannten Kurort. Die Arbeit an sich war recht einfach, eben Lager und Versand. Auch die Motivationsversprechen hörten sich sehr gut an. „Ja eine Anstellung in unserer Firma liegt durchaus im Bereich des Möglichen“ „Sie sind sehr motiviert und immer zur Stelle“ „Klasse Einstellung“.

Meine Hoffnungen wuchsen in den Himmel der geregelten Festanstellung. Und stürzten ins Bodenlose, als sich nach acht Wochen Praktikum dummerweise herausstellte, dass ich ja eine Frau bin. Wo hatte der Mann nur die ganze Zeit seine Brille???? Tief enttäuscht saß ich wieder zuhause. Zwar nun mit der Fahrerlaubnis für Flurförderfahrzeuge und Grundkenntnissen im Lager. Nur anfangen konnte ich damit recht wenig.

Vor der Agentur für Arbeit (damals noch Arbeitsamt) bekam ich nette Vermittlungsvorschläge bei Baufirmen zum Lager aufräumen. Der zuständige Personalchef bekam ’nen Lachanfall als ich dort vorstellig wurde „Sie wollen Zementsäcke schleppen? Wer hat sie geschickt? Wie blöd sind diese Sachbearbeiter denn?“ Nun ja, die letzte Frage konnte ich Ihm auch nicht beantworten.

Nach zwei Monaten mehr oder weniger erfolgloser Suche nach einem neuen Tätigkeitsfeld entschloss ich mich, eine Ausbildung in Angriff zu nehmen. Die Begeisterung über meinen Entschluss hielt sich bei meinem Freund Sachbearbeiter sehr in Grenzen: Ich sei ja schon zu alt – und nochmal 3 Jahre lernen, ob ich denn sicher bin dass ich das schaffe – das Examen sei doch sehr anspruchsvoll, so in meinem Alter, da ist man doch eh nimmer so geistig leistungsfähig… Ja ja, ich geb’s ja zu: Ich bin mit kaum 40 altersdement, etwas schwer von Begriff, leide an seniler Bettflucht. Aber dem Himmel sei Dank, das „Krankheitsbild“ Altersstarrsinn war am meisten ausgeprägt.

Ich war mir sicher, und ich wollte lernen, ich war wissbegierig. Die Aufnahme in der Fachschule war dann nur eine Formsache. Und nach drei Jahren hatte ich das Examen in der Tasche. Aber eben immer noch keinen Job. Angebote, ja die hatte ich schon, aber eben leider war ich keine Sozialpädagogin. Das hätte die Sache wesentlich vereinfacht. Wie gern hätte ich dieses Diplom noch drauf gesetzt, aber leider war die Geduld meines Sachbearbeiters am Ende. Ich solle nun mal zusehen, dass ich arbeiten geh. Böses Mädchen, will die auch noch weiterlernen, das geht gar nicht. Heute weiß ich, dass der Typ ganz einfach Angst um seinen eigenen Job hatte. Armer Bub, der tut mir ja sooo leid.

Ich hatte nun drei fundierte Ausbildungen, ein paar Zusatzqualifikationen, aber wirklich weitergebracht hat mich das nicht.

Durststrecke und ARGE

Dann kam der Peter, der Peter Hartz, und versprach uns arbeitslosen Menschen eine wundervolle Zukunft. Zumindest dachte der, dass es wundervoll werden würde. „Heute ist ein glücklicher Tag für alle Arbeitslosen“, so seine Worte.

Heute frage ich mich, wenn der das unter „glücklich“ versteht, möchte ich seine Definition für unglücklich gar nicht wissen.

Allein diese Anträge… 12 Seiten Beamtendeutsch, unzählige Formulare und Bestätigungen, die man einreichen musste. Für sage und schreibe etwas mehr als 500€. Zumindest bekam ich die als Single mit Kind, denn mein Sohn hatte ja ’nen eigenen Anspruch. Es reichte hinten und vorne nur für die allernötigsten Dinge.

Aber diese Zeit hatte auch gute Seiten. Ich arbeitete ehrenamtlich als Pressesprecherin und Beraterin bei einem bundesweiten Portal für Betroffene der ach so gepriesenen Hartz 4 Reform (oder auch Agende 2010 genannt). Ja es hat mir Spaß gemacht, anderen Betroffenen zur Seite zu stehen. Ich habe viel gelernt in dieser Zeit. Eines aber lernte ich ganz sicher: Jonglieren mit den minimalen finanziellen Mitteln, die ein Harztler so hat. Und da ich ja von der Allgemeinheit teilweise als arbeitsscheu, dumm, alkoholabhängig und wer weiß was betitelt wurde, war ich heilfroh, als ich eine nette Zuweisung von der Agentur für Arbeit bekam. Zeitarbeit war das Zauberwort. Zur damaligen Zeit konnte ich mir darunter nichts vorstellen, und das war auch gut so, denn ich wäre vermutlich schreiend davon gerannt, wenn ich im entferntesten geahnt hätte, dass ich nun vom Menschen dritter Klasse zum Arbeiter 2 ter Klasse, zum Kuli würde. Ohne nennenswerte Rechte, aber mit einem LKW voller Pflichten.

Welcher normal sterbliche Arbeitnehmer macht sich schon ernsthaft Gedanken darüber, wie Zeitarbeit abläuft? Keiner, richtig! Ja, man hört so einiges, aber wirklich die ungeschminkte Wahrheit am eigenen Leib zu erfahren ist doch noch einen Ticken härter.

Meine Kenntnisse darüber wie denn Leiharbeit so abläuft und für was das Ganze gut ist beschränkten sich auf’s Hören Sagen. Na ja, und auf die Aushilfen, die ich auf meiner Arbeitnehmerlaufbahn immer mal wieder bei besagtem Textilunternehmen getroffen habe, dem ich 20 Jahre meines Lebens gewidmet hatte. Sie kommen eben, wenn viel zu tun ist und sind dann eben auch ratz fatz wieder in der Versenkung verschwunden.

Hätte ich nur mal genauer gefragt, mich mit den Leuten unterhalten, aber ich wiegte mich in Sicherheit, ja was soll denn nach 20 Jahren schon noch groß passieren.

Heute ist mir klar: Ich war naiv, dumm, leicht zu manipulieren, kurz der perfekte Mitläufer. Ja, ich hatte auch da schon immer einmal mein Revoluzzergen aus dem Schrank geholt, aufgemotzt. Manchmal auch die Geschäftsleitung brüskiert mit Fragen, die sie nicht beantworten konnten oder wollten. Aber wer hat nicht mal schlechte und unzufriedenen Tage. Allerdings hatte ich auch an meinen Normal-Arbeitstagen eins etwas zu viel: ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsbedürfnis und eine leider oftmals viel zu große Klappe (zumindest für eine abhängig Beschäftigte)

Es ist, wie es ist, ich rutschte in die Zeitarbeit, und aus Mangel an Wissen, wie es da so abläuft, freute ich mich auch noch drüber.

Jipi, Ich hab Arbeit??

Wie gesagt ich bekam Arbeit. Dankbar war ich ohne Ende endlich den Klauen des AA zu entfliehen. Endlich wieder einen geregelten Tagesablauf zu haben. Eben ein nützliches Mitglied dieser Leistungsgesellschaft sein zu dürfen. Meine Zeitarbeiterkarriere begann ganz harmlos. Endlich wieder ein Job. Eigenes Geld verdienen, keine Almosen vom Amt. Mit Motivation ging ich ans Werk.

Der erste Einsatz: In einem Unternehmen für Kindermöbel war das Abschleifen per Hand von Kinderstühlen angesagt. Erstes Entsetzen meinerseits. Wer jemals unter enormen Zeitdruck und Stückzahlzwang 8 Stunden mit Schleifpapier ein Werkstück bearbeitet hat, weiß, was das für eine äußerst verantwortungsvolle Tätigkeit ist. Ich schliff mir die Finger blutig, der einzige Kommentar war: „Kleb das ab du versaust das Holz!“ Oder noch eine nette Ansage: „Eh Du, mach schneller, sonst wirst ausgetauscht!“

Solch einen Umgangston kannte ich bisher nicht. Leider hatte ich derart Panik, wieder bei der ARGE zu landen, wieder dort als Mensch 2 Klasse behandelt zu werden, dass ich das hier als das kleinere Übel betrachtete. Ich sollte in den kommenden Monaten lernen, dass ich einfach den Teufel gegen den Beelzebub getauscht hatte.

Irgendwann war der Einsatz zu Ende und ich musste kurzfristig in der Niederlassung einen PC-Kurs besuchen. Quasi wurde ich zwischengeparkt. Denn gelernt habe ich dort nur eins: Wie schlage ich meine Zeit möglichst kurzweilig tot. Nach einer Woche hatte ich den Highscore im Solitär geknackt, war fit im Dame und Mühlespiel, hatte ’nem Kumpel einen Datensatz für Einstellungstests erstellt, einen Schal gestrickt, konnte ein paar Brocken Russisch. Denn der Kurs sah folgendermaßen aus: Morgens um halb Acht wurde kontrolliert, wer pünktlich da ist. Man leistete eine Unterschrift und dann ward keiner mehr gesehen von den Dozenten. Pünktlich zur Pause kam der Mensch wieder und kontrollierte, dass auch keiner zu früh in die Pause ging. Mittags musste man das „Klassenzimmer“ verlassen und es wurde abgesperrt. Kontrolle nach der Mittagspause ob auch alle wieder pünktlich auftauchen, durchzählen und wieder Langeweile bis um 16 Uhr. da dann wieder Kontrolle, dass auch keiner es wagte, überpünktlich zu gehen.

Auch das war für mich neu und eigentlich nicht nachvollziehbar. Dieser übersteigerte Kontrollzwang. Aber egal, alles besser als dem Kontrollzwang der ARGE unterstellt zu sein. Wechselnde Einsätze, wechselnde Arbeitskollegen (ne falsche, wechselnde Stammbelegschaft). Immer neue Menschen, aber der Großteil hatte eins gemeinsam: Die Ansicht, dass Leiharbeiter eines sind: dumm, faul, frech, meist Alkis, ach eben Menschen die eh nirgends anders ’nen Job bekommen. Schon mal auf Grund der niedrigen Intelligenz, der mangelnden Bildung.

Es gab sehr nette Firmen, wirklich super Klima, man gehörte dazu, in allen Belangen. Abteilungsleiter, die keinerlei Unterschiede machten, Kollegen die sich kümmerten, wenn man neu und unsicher rumstand. Jede Frage die aufkam wurde umfassend und geduldig beantwortet. Hier hatte ich wirklich Abschiedsschmerz beim Gehen, denn auch dieser Einsatz war ja nur auf Zeit.

Tja, aber es gab auch das krasse Gegenteil. Da blieb mir eine wirklich vollkommen desillusionierende Episode ins Gedächtnis gebrannt. Selbst heute noch steigt in mir das Entsetzen hoch, und ich möchte die Dame richtig durchschütteln. Ihr erklären, dass ich nicht dem Vorurteil des dummen, faulen und bildungsfernen Leiharbeiters entspreche. Aber eigentlich tut sie mir auch leid, denn sie weiß es ja nicht besser: Dank gekonnter Desinformation durch die Mainstreammedien, durch die diversen Talkshows und Realdokus.

Ich war in einer Druckerei eingesetzt, hier wurden Werbebriefe durch Maschinen personalisiert, also mit echten Adressen versehen und versandfertig gemacht. Ich stand den ganzen Tag an einer Maschine, die die Briefe automatisch in Kuverts beförderte. Ich durfte die fertigen Briefe abnehmen und in Kisten einordnen, die dann zum Postversand gebracht wurden. Also nicht sehr anspruchsvoll und auch nicht unbedingt mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad – wenn man in der Schule den Deutschunterricht nicht immer geschwänzt hat.

Nach 2 Wochen unermüdlichem Einsatz nahm mich eine ältere Dame zur Seite und fragte mich recht gönnerhaft in einem kaum verständlichen Deutsch, ob ich denn von ihr Lesen und Schreiben lernen möchte. Ich sah sie verständnislos an, vermutlich dreinschauend, wie vom Donner gerührt, und dachte: „na ja Fremdsprachen lernen ist ja nicht so verkehrt…“ Ich fragte sie, welche Sprache. Nein… Sie meinte nicht ihre Muttersprache, sondern Deutsch. Leider gehörte die gute Frau zu der Sorte Kollegen, die dem scheinbar völlig unterbelichteten Leiharbeiter etwas Kultur und Wissen beibringen wollten. Ich gebe ja zu, meine Rechtschreibung ist sicher noch ausbaufähig, aber im Großen und Ganzen bin ich meiner Muttersprache doch mächtig. Das teilte ich der verdutzen Dame dann auch mit. Vermutlich vergriff ich mich dabei doch etwas im Ton. Kurzum, zwei Tage später war ich abgemeldet, und mein netter Disponent teilte mir gönnerhaft mit, dass ich doch beim Einsortieren der Briefe auf Grund mangelnder Deutschkenntnisse zu viele Fehler gemacht hätte und die Firma sich beschwert hätte. Ein Schelm der hier keine Verbindung herstellt.

Vor Wut heulend knallte ich den Hörer auf. Erleichtert fuhr ich am nächsten Tag wieder in den netten lehrreichen PC-Kurs.

Leider hatte im Wahn meiner vollen Motivation total vergessen, dass ich ja ein Hartzler war, der erst wieder das Arbeiten lernen sollte, und dafür, dass mir das wieder beigebracht wurde, bekam die ZAF auch einen netten Zuschuss vom AA. Dieser war natürlich begrenzt, auf 11 Monate, lange genug um mich in Sicherheit zu wiegen, aber nicht lange genug, um wieder unabhängig zu werden. Aber ich war ein braves Mädchen und war fleißig, pünktlich, schnell. Lernte auch fix. Eben der perfekte Zeitarbeiter. Also gab’s ’nen neuen Vertrag. Zwar war das wieder eine neue Firma, aber eben doch nicht so neu. Der Firmenname war ein anderer, aber die Leute die mich „betreuten“ blieben die gleichen. Man wird nicht jünger, und deshalb musste ich mich leider operieren lassen, an beiden Händen, nix schlimmes, aber eben doch schlimm: Ich war ja krank, kostete Geld und brachte keins ein. Also wurde dieser schöne neue Vertrag (befristet, was sonst) eben einfach nicht verlängert

Und ich hatte das was ich damals als großes Glück empfand. Sofort wieder ’nen neuen Job. Auch hier war ich fleißig, lernwillig, taff, konnte mit Menschen umgehen. Kurz ich lernte die Materie auch aus dem Blickwinkel der Geschäftsleitung kennen. Mein Fazit „du musst ein Schwein sein, ansonsten kommst nicht hoch, oder aber du fällst tief.

Da die Firma zu den wenigen gehörte, die eben ein offenes Ohr für die Belange der Mitarbeiter hatte, die auf Probleme einging, versuchte passende Lösungen zu finden, kam was kommen musste: die Pleite. Menschlichkeit macht arm. Nach 1 Jahr Überlebenskampf strich die Geschäftsleitung die Segel, und ich stand wieder vor dem Aus. Auch verzweifelte Aktionen brachten keinen Ausweg aus der Misere, nein, im Gegenteil diese Aktionen wurde mir durch nette Kollegen als Messer in den Rücken gestoßen. Leider war ich immer ein Mensch der anderen Menschen einfach nur das abverlangt was ich selbst auch bereit bin zu tun oder zu ertragen.

Nette neue Besen

Neue Besen kehren gut, das würde ich nun lernen.

Da ich mich ja aus Dummheit – oder eben weil ich dachte irgendetwas ändern zu können – gehörig in die Nesseln gesetzt hatte, stand meine Zeitarbeitskarriere kurz vor dem Aus. Zumindest in der Firma, die die Pleitefirma übernahm. Leistung lohnt sich nicht – oder besser: bringt dich keinen Schritt weiter.

Bei der Betriebsversammlung, in der sich die neue Firma vorstellte, konnte sich der Produktionsleiter des Entleihbetriebs nicht verkneifen, mir die Worte: „Aber Frau L., von ihnen hätte ich das nicht erwartet. Wir haben uns doch immer auf sie verlassen! Tz Tz Tz“ aufs Auge zu drücken, serviert mit einem vorwurfsvollem Augenaufschlag und einem mitleidigen Kopfschütteln. Ich fühlte mich wie ein gescholtenes Schulmädchen, das wieder die Tafel nicht ordentlich genug gesäubert hatte.

Ok, was soll man darauf sagen, mir fiel nichts ein und ich hielt den Mund, zwangsläufig. Da betrat auch schon die nette Niederlassungsleiterin der Übernahmefirma das Feld, das Schlachtfeld.

Die ersten Worte, so in die Runde gerichtet: Eins sage ich Ihnen hier gleich einmal: ich kenne sie nicht, bin hier mit keinem zu Schule gegangen, Ich bin die Chefin und sonst nichts. Ich schluckte eine freudigen Kommentar schnellstens runter und harrte der Dinge die kommen sollten.

Herr B. der Assistent der Dame teilte Fragebögen aus, man bekam einen Stift in die Hand gedrückt, „ausfüllen!“ tönte es von der Chefin. Brav füllten alle die Bögen aus, es wurde eingesammelt. Eben der normale Einstellungsablauf. Ich bekam keinen Bogen, was mich doch etwas wunderte, aber nicht unnötig beunruhigte, denn Herr B. hatte mir ja zugesichert auch ich würde meinen Job behalten.

Da lag ich aber so falsch wie man nur liegen konnte. Ich war nicht hier her zitiert worden um ebenfalls einen neuen Vertrag zu bekommen, nein, weit gefehlt. Ich bekam in einem sehr persönlichen Gespräch mit der Niederlassungsleiterin Frau S. mitgeteilt, dass das Erscheinen von meiner Wenigkeit ein Irrtum war und sich ihr Assistent hier geirrt hatte. Ich sollte keinen Vertrag bekommen. Es wurde zwar nicht ausgesprochen, aber der Grund war, dass ich meine alte Firma mit Klauen und Zähnen, mit sinnlosen Aktion zu retten versucht hatte. Heute weiß ich das eine Rettung gar nicht geplant war, im Gegenteil. Die Liquidation war schon viel früher von Personen beschlossen worden um ganz andere Interessen zu befriedigen, ein Bauernopfer, nicht mehr, nicht weniger.

Wie bestellt und nicht abgeholt ließ ich den Rest der Farce über mich ergehen, nach außen recht gefasst und um Haltung bemüht. Fassade ist alles. Die mitleidigen, teils auch schadenfrohen Gesichter der Kollegen ignorierte ich gekonnt, bis, ja bis ich im Auto saß und Richtung Heimat fuhr. Meine Gefühle schlugen Purzelbaum, von maßlos enttäuscht über unendlich traurig bis zu so was von wütend. Die 10 Minuten Heimfahrt reichten um meine Fassung wieder zugewinnen.

Da es schon recht spät am Nachmittag war und ich eh nix besseres vor hatte, genehmigte ich mir erst mal einen Frusttrunk. Da ich Alkohol nicht gewöhnt bin, hatte der auch Ruck Zuck Wirkung, und ich begrüßte das „Rutscht mir den Buckel runter“ Gefühl.

Es dauerte nicht sehr lange, da kam ein Anruf, der nette Produktionsleiter: „Frau L., ich habe doch noch erreicht, dass Sie einen Vertrag bekommen. Sie dürfen weiter arbeiten “ Leicht benebelt vom ungewohnten Trinkgenuss, stimmte ich doch freudig zu, erleichtert, mit dem Gedanken: „Da hat sich doch jemand für mich eingesetzt.“ An sich ja ein Grund zur Freude, aber leider war ich dieser Niederlassungsleiterin unangenehm aufgefallen. Ich wollte mir nicht vorschreiben lassen, mit wem ich in meiner Freizeit Kontakt pflege. Ich kannte mich auch damals schon in Grundzügen mit den AÜG etwas aus. Kurz ich versprach eine unbequeme Mitarbeiterin zu werden.

Die Jahre gingen ins Land, und es folgten so einige Husarenstücke der netten Dame. Das ging schon bei der Beschaffung der notwendigen Sicherheitsbekleidung los. Im Entleihbetrieb waren Sicherheitsschuhe Pflicht. Ich hatte welche, nur waren die am Ende ihrer natürlichen Lebenszeit angekommen. Kurz gesagt sie waren hinüber. Von Kollegen wusste ich, dass die Verleihfirma einen Zuschuss von 50 € bezahlt hatte und sie die Schuhe in der Umgebung gekauft hatten. Nach Vorlage der Rechnung wurden hier 50 € erstattet. Fein dachte ich da fragst doch mal nach.

Pustekuchen, ich sollte mir die Schuhe selbst kaufen, bekäme 30 € erstattet, oder aber mir würden eben Schuhe zugesandt. Auf meine Nachfrage, warum denn die Kollegen 50€ bekommen hätten und ich eben nur 30€ erstattet bekäme, kam die lapidare Antwort: Wenn ich jetzt noch etwas auf muckte, gäbe gar nichts, und die Kollegen müssten die 50€ ebenfalls zurückzahlen, bzw. würde man sie eben einfach wieder vom Lohn einbehalten.

Ich hielt den Mund, bekam keine Schuhe, um nicht den Zorn der Kollegen auf mich zu ziehen.

Der ganze Stress der letzten Wochen und Monate machte sich bei mir durch immer wieder auftretende Kopfschmerzattacken bemerkbar. Die kamen aus heiterem Himmel, und ohne Medikamente waren sie nicht zu ertragen. So fiel ich immer mal für ein zwei Tage aus. Dazu kam dann noch ein kleinerer Arbeitsunfall, der mich ebenfalls für eine Woche außer Gefecht setzte. Auch das nahm die Leiterin der Niederlassung, Frau S. zum Anlass mir zu drohen. Zwar durch die Blume, aber die Wortwahl war eindeutig: Sollte ich meine diversen Krankheiten nicht in den Griff bekommen, würde man reagieren müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Dame mir einen Krankenbesuch abstatten wollte, was sie mit Reagieren meinte ist wohl jedem klar.

Wer krank wird, und das öfter, riskiert seinen Job. Ich schleppte mich zur Filiale der Krankenkasse und meldete den Vorfall, vorsichtshalber.

Da sich Frau S. scheinbar immer persönlich angegriffen fühlte wenn mal was quer lief, kamen immer mal nette Briefchen, auch den Lohn betreffend.

Da stand dann, dass Anrufe und Fragen, wann das Geld denn nun bezahlt würde, den Ablauf störten und es daher nun und in Zukunft vor dem 15 des Monats keine Zahlungen mehr geben würde. Da ich zu dem Zeitpunkt durch meinen Lebensgefährten schon öfter solche Briefehen gelesen hatte (die Folge war immer, dass die Firmen gar keinen Lohn mehr zahlten, weil sie eben Pleite waren) schrillten meine Alarmglocken. Ziemlich beunruhigt marschierte ich mit dem Brief zum Produktionsleiter der Entleihfirma mit der Frage, ob hier nun ähnliches zu befürchten sein könnte. Der konnte meine Bedenken zwar nicht vollkommen entkräften, aber etwas beruhigen.

Wieder war ich negativ aufgefallen weil ich auf Nummer Sicher ging.

Das Jahr neigte sich dem Ende und die Entleihfirma zog in die neuen Gebäude, was auch dem Verleiher lange Zeit bekannt gewesen sein dürfte. Aus diesem Grund war für einige Wochen eben nicht genug Arbeit da, die Produktion musste ja erst wieder gestartet werden. Es kam wie es kommen musste, ich und noch zwei Kollegen wurden abgemeldet und wohlgemerkt sollte dies nur vorübergehend sein. Auf meine Einwände und Befürchtungen, dass das mit Sicherheit die Kündigung durch die ZAF nach sich ziehen würde, wenn auch nur vorsorglich, bekam ich die Antwort: „Na so Schlimm wird’s schon nicht werden!“

Zu diesem Zeitpunkt lag meine Kündigung aber schon im Briefkasten, ich hatte Recht mit meiner Befürchtung.

Dummerweise war die Kündigung von einem Mitarbeiter geschrieben und datiert worden, der keinerlei Schimmer davon hatte, wie so etwas auszusehen hatte mit den Kündigungsfristen etc. Sprich sie war falsch datiert, und somit hatte das Arbeitsamt hier Bedenken, ob sie denn nun fristgerecht sei. Wenn nicht, würde mir für 2 Wochen, eben bis zur richtigen Frist, kein ALG zustehen. Ich sollte doch dagegen etwas unternehmen.

Was unternimmt ein gekündigter Arbeitnehmer in so einem Fall? Richtig, man erhebt Kündigungsschutzklage, mit dem Ziel, die korrekte Frist zu wahren. Was auch sonst.

In der Zwischenzeit stellte ich meine Arbeitskraft jeden Tag zu Verfügung, wie es sich gehört, also morgens anrufen, abends anrufen. Auch das wurde negativ bewertet. Ich solle den Scheiß lassen Frau G und Herr S hätten das kapiert und hielten auch den Mund. Ich hingegen würde immer auf Nummer Sicher gehen, und das kotze sie an. Kurze Zeit später kam dann die Mail mit der Entbindung von der täglichen Meldefrist.

Ich hoffte immer noch, dass wir wieder angefordert würden, bis, ja bis zu dem Tag, an dem meine Klage zugestellt wurde. Morgens um 9 ging das Telefon, und eine Frau S. meldete sich, außer sich vor Wut. Durchs Telefon wurde ich angebrüllt, ich solle sofort bei ihr im Büro erscheinen. Meine Einwände, dass ich am Nachmittag einen Termin beim Arbeitsamt hätte, wurden mit den Worten beiseite gewischt, dass ihr das scheißegal sei, ich die Kündigung ja anzweifeln würde und aus diesem Grund zu ihrer Verfügung zu stehen habe. Auf die Frage ob ein Ersatz im Raum stünde, wurde mir gesagt: „Das kann ihnen egal sein sie haben anzutanzen, ansonsten werte ich das als Arbeitsverweigerung und kündige Sie eben nochmal, fristlos.“ Ich kann mich noch gut an den letzten Satz erinnern: „Sie pissen mir nicht ans Bein, sie nicht!!!“ Da legte ich auf, verständlich oder… Kurz darauf kam folgende Mail:
„Da Sie soeben unser Telefonat abrupt beendet haben, indem Sie auflegten, muss ich Ihnen leider alle weiteren Informationen per Email mitteilen.
Wie bereits telefonisch mitgeteilt, sind Sie verpflichtet an einsatzfreien Tagen und während der Geschäftszeiten zur Verfügung zu stehen. Dieser Verpflichtung kommen Sie heute nicht nach. Meine Aufforderung, heute bei uns im Büro zu erscheinen, lehnten Sie wegen terminlicher Angelegenheiten ab. Uns liegt für den heutigen Tag kein Antrag auf Urlaub oder Freizeitausgleich vor. Folglich müssen Sie uns zur Verfügung stehen. Wir weisen Sie vorsorglich darauf hin, dass dieser Tag nicht bezahlt wird.
Soeben habe ich Ihnen den morgigen Termin (20.01.2012) um 8 Uhr auf die Mobilbox Ihres Handyanschlusses gesprochen. Ich erwarte Sie pünktlich in unserem Büro.
Mit freundlichen Grüßen“

Ich war fassungslos, und bekam Panik. Mein Sachbearbeiter beim Arbeitsamt, dem ich den Verlauf schilderte und bei dem ich heulend und vollkommen fertig am Nachmittag ankam, schickte mich umgehend zum Arzt. „Frau L, so können sie nirgends hin.“ Mein Arzt zog mich aus dem Verkehr, mit der Auflage, mich auf keinerlei telefonischen Kontakt mit Frau S. mehr zuzulassen.

In der Hoffnung, dass sich Frau S. wieder beruhigt hatte und vielleicht ein normales Gespräch zu Stande käme, hielt ich mich nicht daran. Ein Fehler… Tagelang wurde ich mit Anrufen bombardiert, immer wieder hin-zitiert, bis ich nur noch auflegte und eben für besagte Niederlassung nicht mehr erreichbar war, zumindest telefonisch.

Vielleicht hätte sich die Situation noch retten lassen, aber gegen Ende der Kündigungsfrist brach ich mir dann die kleine Zehe, und an Laufen war nicht zu denken. Folglich hätte ich auch nicht arbeiten können. Damit war der Part gelaufen. Beim folgenden Prozess rechtfertigte Frau S. sich damit, dass die Entleihfirma mich explizit nicht mehr wollte, weil ich meine Arbeit nicht anständig machen würde. Ob das nun eine Schutzbehauptung war oder der Wahrheit entsprach – keine Ahnung – und es ist auch unwichtig. Ich war enttäuscht, fühlte mich verraten und verkauft. wusste das mich einer der Beteiligten belog. Wer gelogen hat ??? jeder mag sich selbst ein Urteil bilden.

Jetzt geht’s richtig los

Nach den vergangenen lustigen Begebenheiten war ich nun zuhause, mit gerochener Zehe, und erst einmal arbeitslos. Natürlich hatte ich die Hoffnung, dass sich die Entleihfirma wieder meldete, aber da kam nichts. Kein Anruf nichts. Und als ich hörte, dass meine Exkollegen nun auch wieder angefordert worden waren, begrub ich die Hoffnung, trotz der mündlichen Zusage. Ich kam mir reichlich verarscht vor: Über drei Jahre war ich immer da, wenn jemand einspringen musste, habe geplante Urlaube verschoben, bin an freien Tagen zu den unmöglichsten Zeiten arbeiten gewesen und nun das… Tja man kann eben keinem glauben.

Bis auf einen sporadischen Nebenjob hatte ich nichts. Auch ein kurzer Einsatz über eine andere ZAF war nichts, ich war zu klein für die Maschinen, leider. Und bedingungslos am Tag 10 Stunden Verfügbarkeit war eben auch nicht gegeben. Also auch hier wieder Kündigung nach 4 Wochen.

In so einer Situation bewirbt man sich um jeden Job, auch Zeitarbeit, überwiegend Zeitarbeit. Es gibt’s ja nichts anderes, vernünftiges. Leider.

Nach einigen Wochen, neuer Versuch in Richtung Zeitarbeit. Neue ZAF, neuer Einsatz, ein nettes Kunststoffunternehmen ebenfalls hier in der Nähe, Kontrolle von Fertigteilen, auch hier wurde wie so oft meine Intelligenz, mein Schreib- und Lesevermögen angezweifelt.

Was mich aber maßlos ärgerte war, dass wie überall sofort unkorrekter Umgang mit Stundennachweisen unterstellt wurde und wir aus diesem Grund jeden Tag die anwesenden Stunden vom Schichtführer unterschreiben lassen mussten. Es wurde vorausgesetzt, dass wir jeden Tag wegen Schichtwechsel unbezahlt 15 Minuten länger blieben – die Entleihfirma würde das angeblich nicht bezahlen.

Solch ein Vorgehen fand ich, na ja milde ausgedrückt, zum Haare raufen. Was folgte? Richtig, nach 4 Wochen die Abmeldung und die Kündigung, was mich aber nicht wirklich belastete. So super war der Entleihbetrieb, vor allem das Betriebsklima dort auch nicht.

Nach weiteren Arbeitsbewerbungssuchwochen der nächste Versuch.

Neue ZAF, Neuer Einsatz, diesmal bei einer großen Brauerei. Da war ich von Anfang an skeptisch – Brauerei – ich kann keine Getränkekästen schleppen. Der Disponent (sollte man erwähnen das es der Gleiche war, der mich im letzten Kapitel so stümperhaft gekündigt hatte) meinte nein, keine Angst das können Frauen auch machen,

Wie recht sollte ich behalten: Nein Frauen können das schon machen, nur eben nicht lange. Eine Woche dauerte mein Gastspiel hier, dann brauchte die Brauerei doch einen gestandenen Kerl, und ich wurde wieder mal gekündigt. Nach 6 Tagen. Leider bedeutet auch nur ein Tag Arbeit, dass man beim Amt alle Anträge neu ausfüllen muss, dass man wieder einen Abgabetermin braucht, wieder eine Arbeitsbescheinigung, wieder warten, wieder kein Geld.

Ich schwor mir, nie wieder so kurz… Ich irrte mich schon wieder gewaltig.

Nächster Monat, neue ZAF, neuer Versuch, der Einsatz sollte 4 Wochen dauern laut Disponent. Nett war schon das Einstellungsgespräch. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt ja schon reichlich Erfahrungen sammeln dürfen, was die Zuverlässigkeit von ZAF betrifft. Nein ich sage keine Termine mehr ab, nein ich gebe auch meinen Nebenjob nicht auf. Gegenfrage: Ob denn mein Sachbearbeiter bei der Agentur für Arbeit so verständnisvoll wäre, dass ich es mir leisten könnte, einen Termin nicht abzusagen und statt dessen zu arbeiten.

Ich denk, ich werde nicht mehr… Zum Disponenten: „Oh ja mein SB ist verständnisvoll, und das hat Gründe, die eben und gerade im Bereich Zeitarbeit liegen, eben in der ganzen Geschichte, und ich sage keinen Termin ab, aber der Termin dauert ja nicht den ganzen Tag . Wenn ihm das eben nicht genügt, auch egal.“ 10 Minuten später, Anruf vom Disponenten: Ja sie können auch später kommen, (Ich denk, „geht doch!“). Gesagt getan… Entleihfirma ist im gleichen Ort, kein Problem.

Erster Tag: Ich komm hin, weil ja 12 Uhr ausdrücklich vereinbart, komm ich in die Mittagspause, Toll. Um 16 Uhr gibt’s keine Arbeit mehr, eisern halte ich durch vertreibe mir die Zeit mit Aufräumarbeiten, Prüfen lassen will man mich nicht (da ist es wieder, das Vorurteil „Leiharbeiter sind dumm und unfähig“.) Kurz vor Schluss: Morgen müsst ihr nach XY fahren. Da sind auch Sitze zu kontrollieren, nur eine Feder überprüfen. OK.

Etwas irritiert rufe ich nach der normalen Arbeitszeit im Büro der ZAF an. Da wusste natürlich, wie soll es auch anders sein, kein Mensch Bescheid. Das Einzige, was der nette Disponent anbieten konnte, war ein Gespräch am nächsten Tag. „Man könne das sicher klären“.

Für den nächsten Tag hatte ich nur eine ungenaue Adresse. Ich war ja so einiges gewöhnt, also doch recht stressresistent, aber was nun kam war wirklich witzig. Der normale Zeitarbeiter braucht eins im Arbeitsalltag, ein Navigerät. Nur sollten hier die Adressangaben des „Kunden“ doch zutreffend und möglichst genau sein, hellsehen kann auch das beste Navi nicht. Die Adresse die ich bekam war, nun ja, dürftig und eben ungenau. Der Straßenname stimmte aber die Ortsangabe „na halt do nei“. Bei der Ankunft stand ich in einem mit Schrott zugestelltem Hinterhof, flankiert von großen Rolltoren über denen zwar der Firmenname prangte, aber wie reinkommen?

Beherzt sprach ich zwei dort herumlungernde Arbeiter an. Als Antwort bekam ich „Über Straße, da, da!“ Also Kommando zurück, Ehrenrunde mit dem Auto nun stand ich zwar wieder vor einem Gebäude, aber das war nun das Bürozentrum besagter Firma. Glücklicherweise waren dort schon einige Mitarbeiter mit „Kaffeetrinken und Büroklatsch“ schwer beschäftigt und ich bekam Hilfe. Nach gefühlten Stunden erreichte ich endlich den richtigen Arbeitsplatz, eine riesige Halle. Es gab weder Sitzgelegenheiten noch angemessene Sanitärräume, nichts.

Den ganzen Tag prüften wir nun Kindersitze – na ja nicht wirklich, wir sollten nur nachsehen ob eine bestimmte Feder im Verschlussmechanismus vorhanden war. Es war richtig dreckig, die Kartons mit den Sitzen standen da sicher schon seit Monaten und waren unter einer dicken Schicht Staub begraben. Kein Mensch ließ sich blicken, wir waren uns selbst überlassen. Erst am Nachmittag, nachdem wir angerufen hatten; kam ein verantwortlicher Herr und teilte uns mit, dass es leider am Montag nichts mehr zu tun gibt.

Von meinen neuen Kollegen wurde ich ausersehen zur Niederlassung zu fahren und in Erfahrung zu bringen, wie es denn nun weiterging. (Ich hatte da so meine eigene Theorie…)

Dort wurde mir dann eröffnet, dass der Einsatz beendet war und ich nun die Kündigung bekomme – was auch sonst. Das war der bisweilen kürzeste Einsatz und der mit Abstand kürzeste Job, 4 Tage in denen ich exakt 10 Stunden gearbeitet habe. Und wieder der ganze Papierkrieg mit dem Amt.

Nun bin ich gespannt wie ein Flitzebogen, wie es weitergeht. Aus der stoischen Ruhe, die ich mir inzwischen zugelegt habe, bringt mich eigentlich nichts mehr. Ich kenne die Machenschaften der Branche, den Umgang mit den Mitarbeitern (nein falsch Ware, wir sind ja Ware)

Ich hoffe nicht, dass es eine „unendliche Geschichte“ wird. Ich werde jede Begebenheit aufschreiben, meine einzige Chance mit dieser Art von Menschen abzurechnen, meinen Frust und meine Wut loszuwerden.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=39512
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