[Arbeitszeitkonto in der Leiharbeit] Überstunden werden schnell zum Problem

Tarifvertrag zur Schlechterstellung von LeiharbeiternDas Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat sich in dieser Woche mit Überstunden in der Zeitarbeitsbranche befasst. Im konkreten Fall hatte ein Maler 65 Überstunden angesammelt und von seiner Leiharbeitsfirma verlangt, dass ihm der Lohn dafür ausgezahlt wird. Die Firma jedoch weigerte sich. Die Überstunden wollte sie stattdessen auf einem Arbeitszeitkonto gutschreiben. Es kam zum Streit. Dieser steht stellvertretend für viele Fälle in der Leiharbeiterbranche. (…) In der Zeitarbeitsbranche – das ist sozusagen ihr Wesen – trägt immer die Firma das Risiko, einen Arbeitnehmer auch mal nicht einsetzen zu können. In guten wie in schlechten Zeiten. Die vorherrschende Rechtsauffassung ist daher: Überstunden, die die Mitarbeiter in guten Zeiten ansammeln, darf eine Zeitarbeitsfirma nicht nutzen, um sie in schlechten Zeiten wieder abzubauen. Damit würde sie ihr eigenes Risiko auf ihre Arbeitnehmer abwälzen. Aus diesem Grund argumentieren Zoll und Bundesarbeitsministerium: Arbeitszeitkonten sind zumindest in einigen Teilbereichen der Zeitarbeit wie z.B. im Handwerk generell unzulässig. Das Problem: Die Tarifverträge mit den Gewerkschaften sehen Arbeitszeitkonten dort aber ausdrücklich vor...“ Beitrag von André Seifert in MDR AKTUELL vom 26. November 2017 externer Link. Zu den konkreten aktuellen Rechtsstreit heißt es: „… die Parteien konnten sich in einer Verhandlungspause außergerichtlich einigen. Das Gericht stellte das Verfahren ein.“ Es stellt sich die Frage wer hat nachgegeben. Wir vermuten aus Erfahrung, dass der Sklavenhändler – und womöglich dessen Arbeitgeberverband für ihn –  ein Grundsatzurteil vermeiden wollte… Zur Problematik Arbeitszeitkonto und Überstunden siehe eine kleine Zusammenstellung im Beitrag:

  • Prozeßbevollmächtigter auf Seite der ZAF zum Urteil New
    Im Diskussionsforum des IGZ berichtet Anwalt Dr. Alexander Bissls in einem Diskussionsbeitrag:
    Am 22.11.2017 hatte das BAG (Az. 4 AZR 140/16) über die für die Praxis bedeutsame Frage zu entscheiden, ob im Maler- und Lackiererhandwerk die Regelungen zu den Arbeitszeitkonten aus der Zeitarbeit gelten oder ob diese durch den Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (RTV Maler) verdrängt werden. Letztgenannter lässt die Führung eines Arbeitszeitkontos nur zu, wenn dieses dazu dient witterungsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Die entsprechenden Regelungen sind damit wesentlich enger geschnitten als die tariflichen Bestimmungen zu Arbeitszeitkonten in den Tarifverträgen der Zeitarbeit.
    Die Parteien stritten dabei über die Berechtigung des beklagten Zeitarbeitsunternehmens, für den Kläger ein Arbeitszeitkonto zu führen, und dabei über ihre Verpflichtung, angesammelte Plusstunden an den Kläger auszuzahlen…….Die Beklagte nutzt die im Arbeitszeitkonto eingestellten Plusstunden, um in witterungsbedingt auftragsschwachen Monaten (November bis Februar) betriebsbedingte Kündigungen der nicht einsetzbaren Arbeitnehmer zu vermeiden. Im Zeitraum März bis Juni 2014 hat der Kläger zum Stichtag 30.06.2015 bei Kunden der Beklagten 64,74 Stunden Maler- und Lackierertätigkeiten erbracht. Mit Schreiben vom 07.07.2015 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Auszahlung angesparter Plusstunden auf und verlangte die Zahlung von 677,01 Euro brutto……..Das ArbG Düsseldorf hat auf den Feststellungsantrag des Klägers erkannt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, für den Kläger ein Arbeitszeitkonto zu führen, und die (Zahlungs-)Klage im Übrigen abgewiesen (Urt. v. 30.11.2015 – 4 Ca 4402/15)……..In der Sache hat das BAG keine Entscheidung treffen können. Die Parteien haben die wechselseitig eingelegten Revisionen und die Klage nach einer außergerichtlichen Verständigung zurückgenommen……Im Ergebnis ist damit die Frage, ob und welche Bestimmungen zu einem Arbeitszeitkonto im Maler- und Lackiererhandwerk genutzt werden können, vor dem Hintergrund der ausbleibenden Sachentscheidung des BAG nicht höchstrichterlich geklärt. Es verbleibt daher weiterhin eine entsprechende Rechtsunsicherheit
    .“
    Anwalt Bissls war in dem Prozeß selbst als Prozeßbevollmächtigter auf Seite der ZAF beteiligt.“ Hinweis von karla vom 08.12.2017 bei ZOOM externer Link
  • Der aktuell geschilderte Fall berührt ein grundsätzliches Problem des MTV seit 2003 (Bei den Tarifpartnern BAP und iGZ ist die Regelung in etwa identisch), denn der LAN kann nicht selbst entscheiden, wie er die Stunden aus dem AZK verwendet haben will, es ist die Auszahlung der AZK-Stunden erst ab der 106 Stunde geregelt (seit 2013, vorher 150 Stunden), womit das AZK zur Umgehung des unternehmerischen Risikos bei Nichteinsatz und der Überstundenzuschläge genutzt wird.
  • Das BAG entschied am 16.04.14 mit dem Az: 5 AZR 483/12 externer Link folgendes: „[24] b) Das Arbeitszeitkonto im Leihverhältnis darf allerdings nicht dazu eingesetzt werden, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG zu umgehen und das vom Verleiher zu tragende Beschäftigungsrisiko auf den Leiharbeitnehmer abzuwälzen. Regelungen, die es dem Verleiher ermöglichen, in verleihfreien Zeiten einseitig das Arbeitszeitkonto abzubauen, sind unwirksam.“
  • Das bedeutet im Klartext, dass im aktuellen iGZ-Tarif Regelungen stehen, welche als nicht mehr rechtskonform betrachtet werden können und viele meinen, dieser Passus in iGZ MTV 3.2.3 sollte dringend an die Rechtsprechung des BAG von 2014 angepasst werden. Doch in den letzten Tarifverhandlungen 2016 wurde der MTV bekanntlich nicht geöffnet, obwohl der DGB und die Einzelgewerkschaften dieses 2014er BAG-Urteil bereits kannten…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=124610
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