LAG Köln: Arbeitgeber kann medizinischen Dienst (MdK) nicht „aus eigener Machtvollkommenheit“ einschalten

Mag Wompel: Jagd auf Kranke - Rückkehrgespräche auf dem VormarschDie Anweisung des Arbeitgebers an eine Arbeitnehmer“ sich unverzüglich zwecks Untersuchung an den medizinischen Dienst Ihrer Krankenversicherung … zu wenden und mir eine Stellungnahme zum Untersuchungsergebnis vorzulegen“, geht ins Leere, da gemäß § 275 SGB V der Arbeitgeber den medizinischen Dienst nur über die Krankenkasse einschalten kann. Die Weigerung der Arbeitnehmerin, einer solchen Anweisung Folge zu leisten, erscheint daher als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht geeignet. Leitsatz des LAG Köln, 21.06.2018 – 7 Sa 768/17 – juris (…) Der Arbeitgeber muss, wenn er diesen Beweiswert erschüttern möchte, nachvollziehbare Zweifel darlegen. Diese können zum Beispiel bei auffällig häufigen, insbesondere kurzen Erkrankungen entstehen oder wenn die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wird, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auffällig geworden ist. Auch die häufige Erkrankung jeweils am Montag und Freitag und an Brückentagen kann entsprechende Zweifel begründen. Zutreffender Weise hat das LAG Köln aber festgestellt, dass sich – selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind – der Arbeitgeber ausschließlich an die ihm durch die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge bekannte Krankenkasse des Arbeitnehmers zu wenden hat, um diese dazu zu bewegen, eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den MdK einzuleiten. Falls die Krankenkasse sich entscheidet, den MdK einzuschalten, was oftmals nicht der Fall ist, da die Krankenkassen schon aus den ihnen vorliegenden weiteren Behandlungsdaten die Arbeitsunfähigkeit als gegeben ansehen können, wird dieser in der Regel nach ärztlicher Untersuchung entscheiden. Der MdK teilt dem Arbeitgeber über die Krankenkasse danach lediglich mit, ob Arbeitsunfähigkeit besteht oder nicht. Auch in diesem Zusammenhang erfährt der Arbeitgeber keine Diagnosen…“ Bell & Windirsch-Mandanteninfo vom Juli 2019 zum wichtigen Urteil, siehe auch deren Fazit:

  • „… Fazit: In der Praxis gibt es immer wieder Probleme mit der Behauptung des Arbeitgebers, er habe Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und der „Drohung“, den „medizinischen Dienst“ einzu-schalten. Die Entscheidung des LAG Köln bringt in diese Situation dankenswerter Weise Klarheit. Ein Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers, der sich weigert, den MdK persönlich einzuschalten, kann nach der zutreffenden Entscheidung des LAG Köln niemals vorliegen und daher auch keine Kündigung begründen. Der vorliegende Fall macht aber deutlich, dass es bei Auseinandersetzungen über die Arbeitsunfähigkeit oder die Einschaltung des Mdk immer einer vorherigen Beratung bedarf. Der Aufforderung zur Untersuchung durch den MdK sollte der Arbeitnehmer nämlich z.B. in der Regel nachkommen, da eine Weigerung tatsächlich Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründen kann.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=150866
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