Experten ziehen Jahres-Bilanz: Mindestlohn schadet Arbeitsmarkt nicht

Dossier

Mit Mindestlöhnen gegen LohndumpingDer Mindestlohn in Deutschland gilt seit einem Jahr. Kritiker warnten, die gesetzliche Lohnuntergrenze könnte unzählige Jobs vernichten. Doch Arbeitsmarktexperten sehen bisher eher positive Effekte. 2016 wird auch über eine Erhöhung beraten…“ Überblick vom 1. Januar 2016 bei n-tv externer Link . Siehe dazu den DGB und weitere Bewertungen:

  • Vom Jobkiller zur Produktivitätspeitsche? Der gesetzliche Mindestlohn von 2015 und seine Evaluierung New
    „Viele werden sich noch daran erinnern, wie im Vorfeld der Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von vielen interessierten Seiten massiv gegen diese Lohnuntergrenze geschossen wurde – immer wieder kolportierten die Medien die Erwartung von nicht wenigen wortgewaltigen Ökonomen, dass sich der Mindestlohn als „Jobkiller“ erweisen werde, die Rede war von hunderttausenden Jobs, die wegfallen werden, weil die Unternehmen die Lohnkostensteigerung nicht werden tragen können. Das ist Schnee von gestern, werden im Jahr 2022 viele denken, denn das damalige an die Wand gemalte Horrorszenario ist ausgeblieben, stattdessen haben wir in Deutschland ein Rekord beim Beschäftigungsniveau nach dem anderen erlebt und selbst der Beschäftigungseinbruch in den ersten beiden Corona-Jahren ist mittlerweile nicht nur wieder aufgeholt worden, sondern gemessen an den Erwerbstätigen haben wir nunmehr mehr Beschäftigte als kurz vor Beginn der krisenhaften Entwicklung im Gefolge der im Frühjahr 2020 ausgebrochenen Corona-Pandemie. Aber wir sind 2022 in einem ganz besonderen Mindestlohn-Jahr (…), denn am 1. Oktober dieses Jahres wird es eine einmalige „Sonder-Anhebung“ auf 12 Euro geben. Nach langen Jahren der eher moderaten Erhöhungen ist das schon eine ordentliche Hausnummer. (…) Natürlich werden erneut Bedenken vorgetragen, dass es zu negativen Beschäftigungswirkungen kommen wird. Nicht nur vor diesem Hintergrund ist es hilfreich, wenn man sich anschaut, was die umfangreich angelegte Evaluierung des 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohns ergeben hat. Dazu wurden von der Mindestlohnkommission zahlreiche Studien in Auftrag gegeben und veröffentlicht (…). Darunter ist auch eine Studie, die sich mit der Frage beschäftigt hat, welche Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen von Unternehmen beobachtet werden konnten, denn in der hitzigen Diskussion über mögliche negative Folgen des Mindestlohns wurde immer wieder die Befürchtung und zuweilen sichere Erwartung vorgetragen, dass Unternehmen aus dem Markt ausscheiden werden, weil sie den Kostenanstieg mit der Mindestlohneinführung nicht werden stemmen können. Die Ergebnisse dieser vom ZEW durchgeführten Analyse sind nun veröffentlicht worden (…) Ein wichtiger Befund der Studie: »Sowohl die Einführung 2015 als auch die erste Erhöhung des Mindestlohns 2017 hatten nicht zur Folge, dass sich die Wettbewerbsintensität für Unternehmen in Deutschland verändert hat – zumindest nicht wesentlich. (…) „Oft sind es die unproduktiveren Unternehmen, die den Markt verlassen. Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit konnte jedoch nicht beobachtet werden. Solange die Arbeitsnachfrage hoch ist, finden die betroffenen Arbeitnehmer/innen bei anderen Unternehmen eine Folgebeschäftigung“, so Moritz Lubczyk.« Ein weiterer Aspekt: »Auch hat sich gezeigt, dass in Branchen, die besonders von der Einführung des Mindestlohns betroffen waren (etwa die Spiel-, Wett- und Lotteriewesen, die Werbebranche oder das Verlagswesen) die Arbeitsproduktivität – also der Umsatz im Verhältnis zu den eingesetzten Arbeitskräften – angestiegen ist. (…) Wir dürfen gespannt sein, was sich nach der Anhebung auf 12 Euro ab Oktober 2022 ergeben wird. Darüber kann man wie immer nur spekulieren, allerdings mit Blick auf die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns und seinen ersten Anhebungen und der darüber vorliegenden empirischen Erkenntnisse kann man zumindest vor neuen Horrorszenarien nur warnen. Aber auch die Befürworter des Sprungs auf 12 Euro, die gute Argumente haben, müssen mit Blick auf das, was noch kommt, zugestehen, dass es auch anders kommen kann als nach der Installierung der allgemeinen Lohnuntergrenze im Jahr 2015 (auf einem relativ niedrigen Niveau).“ Beitrag von Stefan Sell vom 5. August 2022 auf seiner Homepage externer Link
  • Oktober 2021: Wirtschaftsnobelpreis: Mindestlöhne sind kein Job-Killer
  • Ein Jahr Mindestlohn in Deutschland – die Prognosen des Mainstream und die Realität
    „Der am 1. Januar 2015 in Deutschland eingeführte flächendeckende Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro feierte Anfang dieses Jahres sein einjähriges Bestehen. Dies soll im Folgenden zum Anlass für einen Rückblick und eine erste Zwischenbilanz genommen werden…(…) Ausnahmebestimmungen sind m.E. ein Schritt in die falsche Richtung. Mindestlöhne sollten die Untergrenze der Lohneinkommen definieren, die eine Gesellschaft (nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft) zu tolerieren bereit ist. Sie bemisst sich an dem Entgelt, das notwendig ist, um dem Empfänger eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Der zu zahlende Mindestlohn stellt deshalb gleichzeitig eine Grenze dar, die von denjenigen, die unternehmerisch tätig sind oder sein wollen, nicht unterschritten werden darf. Um es etwas vereinfacht auszudrücken: Nicht die Arbeitnehmer müssen sich anpassen, sondern die Unternehmen…“ Beitrag von Günther Grunert vom 07. Januar 2016 bei flassbeck-economics externer Link. Siehe dazu auch:

    • Noch eine Anmerkung zum „Experiment“ Mindestlohn
      „… Einem Bericht des Tagesspiegel kann man unmittelbar entnehmen, wie „führende“ Arbeitsmarktforscher sich die Funktionsweise des Arbeitsmarktes vorstellen und wie falsch das ist (…) Das „Experiment“ ist also geglückt? Die Einführung eines so lächerlich niedrigen Mindestlohnes war also ein Experiment! Und dazu noch eines, das glückliche Umstände (und mutige Politiker vermutlich) brauchte, um zu gelingen. Das ist wohl deswegen so, weil Deutschland sich als erstes Land der Welt gewagt hat, so etwas Revolutionäres auszuprobieren? Nein, die Einführung eines Mindestlohnes war nur in den Augen derer ein Experiment, die eine vollkommen irreführende, ja falsche Funktionsweise des Arbeitsmarktes vor Augen haben. Nur wer an das Bild glaubt, es gebe so etwas wie eine individuelle Produktivität, die jeder Mensch wie eine Schulterklappe mit sich trägt, kann solche Worte für die Einführung der normalsten Sache der Welt wählen. Es gibt eben keinen wettbewerblich organisierter „Markt“, der dafür sorgen könnte, dass jeder nur genau das verdient, was seiner individuellen Produktivität entspricht, weil es diese individuelle Produktivität in einer arbeitsteiligen Gesellschaft überhaupt nicht gibt….“ Heiner Flassbeck zu obigem Beitrag von Günther Grunert bei flassbeck-economics vom 07. Januar 2016 externer Link
  • Ein Jahr gesetzlicher Mindestlohn. Körzell: Mindestlohn ist arbeitsmarktpolitischer Meilenstein
    „… „Der Mindestlohn ist ein arbeitsmarktpolitischer Meilenstein. Seit einem Jahr profitieren rund 3,6 Millionen Menschen von der gesetzlichen Lohnuntergrenze. Laut Statistischem Bundesamt kommt der Mindestlohn genau dort an, wo die Löhne am niedrigsten waren: bei Ungelernten, Beschäftigten in Dienstleistungsbranchen und in Ostdeutschland. Bundesweit konnten Ungelernte im Schnitt ein Lohn-Plus von 3,3 Prozent verbuchen, in den ostdeutschen Bundesländern sogar neun Prozent. Im Gastgewerbe stiegen die Löhne Ungelernter im Schnitt um sechs Prozent, im Osten für weibliche Beschäftigte in der Gastronomie um 19,5 Prozent, im Handel um 2,7 Prozent…“ DGB-Pressemitteilung vom 01.01.2016 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=91162
nach oben