Europäischer Tarifbericht des WSI: Löhne in Europa steigen real nur sehr langsam – 2017 droht in etlichen Ländern wieder Stagnation oder sogar Rückgang

EGB-Kampagne für höhere Löhne in Europa - Europe needs a pay rise„Obwohl sich das wirtschaftliche Umfeld in Europa weiter verbessert hat, steigen die Löhne in Europa nur langsam. Im vergangenen Jahr legten die realen Effektivlöhne im EU-Schnitt um 1,5 Prozent zu, im laufenden Jahr dürfte der Zuwachs durchschnittlich lediglich 0,4 Prozent betragen. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Europäische Tarifbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Deutschland liegt mit einem Reallohnzuwachs von 1,9 Prozent 2016 und prognostizierten 0,8 Prozent 2017 zwar über dem europäischen Durchschnitt, angesichts des stabilen Aufschwungs sind die inflationsbereinigten Zuwächse aber auch hier sehr moderat. (…) Aufgrund der aktuell geringen Preissteigerung schlugen sich Nominallohnerhöhungen 2016 fast ungebremst nieder. In diesem Jahr wird die Inflation jedoch aufgrund höherer Energie- und Nahrungsmittelpreise anziehen – wodurch viele Menschen in Europa inflationsbereinigt kaum mehr in der Tasche haben. In Italien, Spanien, Großbritannien, Belgien, Finnland und Zypern müssen die Beschäftigten 2017 sogar mit Reallohnverlusten rechnen, zeigt die neue Analyse (…) Die WSI-Ökonomen werfen die Frage auf, warum die Löhne in Europa so ungewöhnlich langsam steigen. Immerhin weisen die meisten europäischen Länder wieder ein stabiles Wirtschaftswachstum auf und die offiziellen Arbeitslosenraten gehen zurück. Eine mögliche Erklärung: Anders als es die offiziellen Zahlen suggerieren, ist die Lage auf den Arbeitsmärkten in vielen europäischen Ländern nach wie vor angespannt. Zu diesem Schluss kommt auch eine aktuelle Untersuchung der EZB…“ Pressemitteilung vom 1. September 2017 von und bei der Hans-Böckler-Stiftung externer Link mit Download des Europäischen Tarifberichts des WSI – 2016/2017 von Malte Lübker und Thorsten Schulten aus den WSI-Mitteilungen 6/2017. Siehe nun Bewertungen:

  • Der europäische Lohnskandal New
    „Die Lohnentwicklung in der Eurozone ist weiter extrem schwach. Es ist ein Skandal, dass die europäischen Gewerkschaften zwar„pay-rise“ Kampagnen machen, über die konkreten Ergebnisse ihrer eigenen Verhandlungen aber praktisch nicht reden. (…) Das wäre ein tolles Thema für die Wahlkämpfer und die deutschen Gazetten, die ja nicht müde werden, die Ungleichheit zu beklagen. Da sie sich aber wie der Teufel vor dem Weihwasser davor fürchten, Maßnahmen zu nennen, mit denen man die Ungleichheit wieder verringern kann, verschweigen sie es lieber. An vorderster Stelle müssten auch diejenigen mit diesem empirischen Befund arbeiten, die Angst um das Wohl des deutschen Sparer haben, weil der ja keine Zinsen mehr bekommt. Ja, warum bekommt er keine Zinsen? Weil die Preise nicht steigen! Und warum steigen die Preise nicht? Weil die Löhne nicht steigen! Wo ist die politische Aktion der Gewerkschaften? (…) Warum nutzen die Gewerkschaften in ganz Europa nicht die Gunst der Stunde (dass nämlich selbst konservative Institutionen wie die Kommission, die EZB und die Deutsche Bundesbank begriffen haben, wie wichtig höhere Nominallöhne sind), um zu fordern, dass in der gesamten EWU politisch durchgesetzt wird, dass zukünftig die Lohnverhandlungen immer bei genau zwei Prozent beginnen und die Frage nur sein kann, wie viel da oben drauf kommt? (…) Außer einer schwachen Forderung, die Tarifbindung zu stärken, findet sich im gesamten Forderungskatalog nichts, was wirklich zur Beseitigung des europäischen Lohn-Skandals beitragen könnte. Von wirklichen Umverteilungsforderungen im Licht des deutschen Leistungsbilanzüberschusses ganz zu schweigen…“ Beitrag von Heiner Flassbeck vom 7. September 2017 bei Makroskop externer Link
  • Befristet, scheinselbstständig, in Leiharbeit: Die Deregulierung der Arbeitsmärkte drängt Millionen Europäer in Armut New
    Trotz Hochkonjunktur finden viele Menschen nur unsichere und schlecht bezahlte Arbeit. Investigate Europe zeigt, wie die Prekarisierung bewusst in Kauf genommen wird. (…) Zu diesem Ergebnis kommt eine Recherche des Journalistenteams Investigate Europe. Betroffen sind vor allem die Jüngeren: EU-weit ist ein Drittel der Arbeitnehmer im Alter von 25 bis 39 nur befristet oder in Teilzeit beschäftigt, die allermeisten gegen ihren Willen, ergab eine Auswertung von Eurostat-Daten. Die Not mit den miesen Jobs hat viele Gesichter…“ Artikel von Harald Schumann und Elisa Simantke vom 10.9.2017 beim Tagesspiegel online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=120927
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