Heils „Arbeit-von-morgen-Gesetz“: Wenn Gewerkschaften und Kapital gleichsam danach lechzen…

Dossier

Held der Arbeit„… Gespannt wartet die Wirtschaft auf die Zahlen, die das Statistische Bundesamt an diesem Mittwoch bekannt gibt: Ist das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal dieses Jahres noch mal gestiegen oder rutscht Deutschland schon in eine Rezession? Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist auf jeden Fall nicht mehr so optimistisch. Am Montagabend stellte der SPD-Politiker die Grundzüge eines geplanten »Arbeit von morgen«-Gesetzes vor, das er im Herbst vorlegen will. (…) Unternehmensverbände und Gewerkschaften haben das Thema schon länger wieder auf die Tagesordnung gebracht – jedoch mit unterschiedlichen Zielsetzungen. So sieht die Arbeitgeberseite Kurzarbeit lediglich als ein Mittel an, um kurzfristige Konjunktureinbrüche abzumildern. (…) Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert dagegen, im »Arbeit von morgen«-Gesetz das Recht auf Nachholen eines Berufsabschlusses sowie die Förderung von Arbeitnehmern, die im Arbeitsverhältnis einen ganz neuen Beruf erlernen, zu verankern. »Die Beschäftigten müssen sich darauf verlassen können, dass Umbrüche ihnen neue Chancen bieten und nicht zu Abwärtsspiralen führen«, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Der LINKEN gehen die Vorschläge von Heil indes nicht weit genug. »Die Bundesregierung verkennt das Ausmaß des Problems«, sagt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann. Qualifizierungsmaßnahmen allein reichen in einer konjunkturellen Krise auch nicht aus. »Es ist dringender denn je, die Sicherungsfunktion der Arbeitslosenversicherung zu stärken: durch einen leichteren Zugang zum Arbeitslosengeld, längere Bezugsdauern und höhere Leistungen«, so Zimmermann.“ Beitrag von Simon Poelchau bei neues Deutschland online vom 13. August 2019 externer Link: „Heil will Kurzarbeit erleichtern“. Siehe dazu einige weitere Reaktionen:

  • Schöner Name reicht nicht – Heils »Arbeit-von-morgen-Gesetz«
    „Seit dem »Gute-Kita-Gesetz« von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) ist es in der Bundesregierung Mode, sämtlichen Vorhaben sympathische Namen zu verpassen. »Framing« heißt das bei PR-Strategen. Am politischen Inhalt ändert der Neusprech freilich nichts. So bleibt das »Gute-Kita-Gesetz« völlig unzureichend, um eine gute frühkindliche Bildung zu erreichen. (…) Ganz so schlimm ist das »Arbeit-von-morgen-Gesetz« nicht, das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag ankündigte. Doch es bleibt weit hinter dem zurück, was nötig wäre, um in der bevorstehenden kapitalistischen Krise tatsächlich die Arbeitsplätze von morgen zu sichern. Der Minister will den Unternehmen Geld schenken: Wenn sie Beschäftigten Qualifizierung ermöglichen, soll die Bundesagentur für Arbeit die Sozialbeiträge der Kapitalseite übernehmen – obwohl sie das ja auch im eigenen Interesse tun. Bei Weiterbildungsmaßnahmen sollen die Firmen höhere Zuschüsse erhalten. Zudem will Heil den Einsatz von Kurzarbeitergeld erleichtern. Wie in der letzten großen Krise 2008/09 sollen damit Massenentlassungen vermieden werden. Doch es ist mehr als fraglich, ob das noch einmal klappt. Denn die – größtenteils von den Beschäftigten selbst finanzierte – Überbrückung durch Kurzarbeitergeld und vorübergehende Arbeitszeitverkürzung funktionierte vor zehn Jahren nur deshalb, weil auf den Absturz sehr schnell ein fulminanter Boom folgte. Die Nachfrage aus China riss insbesondere die deutschen Auto- und Maschinenbauer rasch aus dem Tal der Tränen. Kaum wahrscheinlich, dass es dieses Mal wieder so läuft. (…) Zu den konjunkturellen kommen strukturelle Krisen. Die Autoindustrie steht dem Minister zufolge vor einem »gigantischen Umbau«…“ Kommentar von Daniel Behruzi bei der jungen Welt vom 14. August 2019 externer Link
  • Jenseits der sympathieheischenden Namens-Kapriolen des Gesetzgebers: Anmerkungen zur Ambivalenz der Kurzarbeit vor dem Hintergrund des angekündigten „Arbeit-von-morgen“-Gesetzes
    „… Das muss kein Widerspruch sein zu der sich ausweitenden Berichterstattung über eine möglicherweise bevorstehenden Rezession und damit einhergehender ansteigender Arbeitslosigkeit, die vor allem das verarbeitende Gewerbe und industrienahe Segmente treffen wird, während der Personalbedarf weiterhin hoch bleiben wird in den Dienstleistungsbereichen, die schon seit geraumer Zeit im Mittelpunkt der Fachkräftemangeldebatte stehen wie beispielsweise der Pflege und andere personenbezogene Dienstleistungen. Dass sich die konjunkturelle Situation weiter verschlechtern wird, ist kein unrealistisches Szenario. (…) Vor diesem Hintergrund ist es durchaus ehrenwert, wenn man sich im Vorfeld Gedanken macht, mit welchen Instrumenten man auf einen möglicherweise anstehenden stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit reagieren kann – und hierbei der Frage nachgeht, ob man den Absturz der betroffenen Arbeitnehmer in die formale Arbeitslosigkeit verhindern oder zumindest aufhalten kann. Da wären wir dann bei dem arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium der Kurzarbeit. Kurzarbeitergeld ist eine Lohnersatzleistung, durch die Arbeitslosigkeit vermieden werden soll. Den Arbeitnehmern sollen ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben, den Betrieben die eingearbeiteten Arbeitnehmer. (…) „Wenn der Arbeitsminister dafür sorgt, dass der Kurzarbeit-Werkzeugkasten aus der Krise dann bereitsteht, wenn eine Krise eintritt, ist das sehr zu begrüßen“, so wird Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander zitiert externer Link. (…) Es wird berichtet, dass der Minister das Gesetz um eine sogenannte Verordnungsermächtigung ergänzen will, mit der die Regierung im Ernstfall ohne längeres Gesetzgebungsverfahren weitere Lockerungen in Kraft setzen könnte – sie könnte dann etwa die Höchstbezugsdauer des Kurzarbeitergelds von bisher im Regelfall 12 Monaten verlängern oder auch die Anforderungen an einen Erlass der Sozialbeiträge lockern. (…) Summa summarum wird das Instrument der Kurzarbeit hier – möglicherweise – deutlich überdehnt und man könnte die erheblichen öffentlichen Mittel anders einsetzen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 14. August 2019 bei Aktuelle Sozialpolitik externer Link
  • [DGB] Heils „Arbeit-von-morgen-Gesetz“: Jetzt zügig ausgestalten und umsetzen
    „Arbeitsminister Heil will mit einem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ das Kurzarbeitergeld vereinfachen und Weiterbildung fördern. Beides soll in möglichen Krisenfällen Arbeitsplätze in Unternehmen schützen und Beschäftigte und ihre Qualifikation für die Zukunft stärken. Aus Sicht des DGB der richtige Ansatz. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern würde die Kombination aus Kurzarbeitergeld und Weiterbildung Sicherheit geben. Heils Pläne seien damit „im Interesse der Beschäftigten“, so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann gegenüber ZDF heute. Auch die Arbeitgeber müssten daran interessiert sein, in Zeiten struktureller Umbrüche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und zu qualifizieren. (…) Wichtig sei es, die Betriebsparteien einzubeziehen, wenn es darum geht, Qualifizierungspläne zu erstellen. Das Recht auf Nachqualifizierung sollte auch durch verbesserte Unterstützungsleistungen bei Arbeitslosigkeit flankiert werden. Denn heute können sich viele Arbeitslose schlichtweg eine längere Umschulung nicht leisten.“ DGB-Mitteilung vom 13. August 2019 externer Link

Wir erinnern an: IG Metall will “Transformations-Kurzarbeitergeld” für Umstieg auf E-Mobilität – und Elektrotaxen

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153128
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