Gefährliche Halbbildung: Über die rabiate Mittelmäßigkeit eines entkultivierten Bürgertums

Die Verhältnisse nicht als Ergebnis natürlicher Gesetzmäßigkeit wahrzunehmen, erfordert mehr als berufliche Qualifikation. Allgemeine Bildung ist notwendig. Sie ist (und sie war stets) eine wichtige Voraussetzung für Opposition. Denn wie sonst wird eine Mehrheit dazu kommen können, es – beispielsweise – eine Absurdität zu nennen, wenn aufgrund des technischen Fortschritts zwar in einer Arbeitsstunde immer mehr hergestellt werden kann, gleichzeitig aber die Armut zunimmt? Und wie sonst soll genug Druck entstehen, damit dem Klimawandel wirksam entgegengearbeitet wird? Alles sieht danach aus, dass besonders Halb­bildung eine solche Opposition verhindert…“ Artikel von Herbert Schui bei der jungen Welt vom 25. August 2016 externer Link aus „Politische Mythen und elitäre Menschenfeindlichkeit. Halten Ruhe und Ordnung die Gesellschaft zusammen?“, VSA-Verlag, Hamburg 2014, 128 Seiten, 12,80 Euro (Buch wird im Herbst neu aufgelegt), bei der jw anlässlich des Todes von Herbert Schui am 14.8.2016 nachgedruckt

  • Aus dem Text: „… Die Techniker des Wissens rekrutiert die Unternehmerschaft nach ihrem Bedarf. Dies schließt den öffentlichen Dienst mit ein, soweit er der Privatwirtschaft zuarbeitet, oder soweit er – zunehmend – selbst unternehmerisch organisiert wird. Damit werden die Verhältnisse klar: »Die Industrie will die Universität unter ihre Kontrolle bringen, um sie zu zwingen, den alten, überholten Humanismus aufzugeben und ihn durch Spezialfächer zu ersetzen, die den Betrieben Umfragespezialisten, höhere Angestellte, Werbefachleute etc. liefern. (…) Die herrschende Klasse richtet die Lehrinhalte so aus, dass ihnen a) die Ideologie, die sie für angebracht halten (Primar- und Sekundarstufe), b) die Kenntnisse und Praktiken, die sie zur Ausübung ihrer Funktionen befähigen werden (Hochschule), vermittelt werden.« Das ist der Zweck der »Entrümpelung« der Lehrpläne, der komprimierten Bachelor- und Master-Studiengänge, der Modularisierung des Studiums, der Verkürzung der Schulzeit an den höheren Schulen. (…) Auch wenn viele aus der Mittelschicht hierunter leiden durch Stress bei der Arbeit, durch stets drohende Entlassung bei Leistungsabfall: Solange sie sich beim Verständnis der Wirklichkeit von den Mythen leiten lassen, steht alles dafür, dass Selbstgefälligkeit, Intoleranz und Aggressivität der Mittelschicht zunehmen. Was besorgt macht, das sind nicht einzig die bekennenden Neofaschisten. Vielmehr ist daneben eine Veränderung am Werk, die sich mit den überkommenen Begriffen des historischen Faschismus nicht unmittelbar erfassen lässt… „
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=103396
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