Zwischen „digitalem Taylorismus“, osteuropäischen Ersatzlagern und einer beginnenden Menschenentleerung durch Automatisierung. Ambivalente Arbeitswelten am Beispiel Amazon

Amazon-Arbeitsroboter„Die Gewerkschaft ver.di führt seit Jahren einen irgendwie aussichtslos erscheinenden Kampf gegen einen Konzern, in dessen amerikanischer DNA die grundsätzliche Ablehnung von Gewerkschaften und deren Tarifverträge tief eingebrannt ist. Es geht, wie man unschwer erraten kann, um Amazon – und dieses Unternehmen steht wie kaum ein anderes für die (nett formuliert) Ambivalenzen eines Teils der modernen Arbeitswelt, vor allem aus europäischer, erst recht aus deutscher Sicht. (…) Man kann allerdings die Entwicklung von Amazon auch als Chiffre verstehen für grundsätzliche Fragen, wohin die Reise auf einem Teil des Arbeitsmarktes geht. Und nicht nur dort: Offensichtlich halten aus andere Branchen das Geschäftsmodell von Amazon für eine erfolgversprechende Schablone (…) Was das für die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften bedeutet? Auf alle Fälle wird am Beispiel Amazon ein mehrfaches Dilemma für die Gewerkschaften erkennbar: Zum einen rekrutiert man in Regionen mit einem noch hohen Arbeitsangebot Arbeitnehmer, grundsätzlich oder anfangs befristet, die oftmals froh sind, überhaupt wieder einen Job bekommen zu haben, was ihre Bereitschaft, sich in einer Gewerkschaft zu organisieren oder gar die Arbeit niederzulegen, sicher nicht befördert. Hinzu kommt ein skizziertes System der Ausweichlager in umgebenden Ländern, mit deren Hilfe Amazon Streikfolgen kompensieren kann. Und dann auch noch die mehr oder weniger offene Drohung, dass die Jobs demnächst wegautomatisiert werden könnten. Keine gute Ausgangslage für gewerkschaftliche Aktivitäten…“ Beitrag von Stefan Sell vom 15. Juli 2017 beim Blog Aktuelle Sozialpolitik externer Link, siehe dazu:

  • Amazon automatisiert Lager: Wenn das Regal Räder bekommt
    „… Vergangene Woche hat der Manager einige ausgewählte europäische Journalisten in sein neuestes Logistikzentrum im nordenglischen Manchester eingeladen. Der Standort ist eine Blaupause, wie es bald in zahlreichen anderen Verteilzentren des US-Konzerns aussehen wird. Und nicht nur dort: Amazon gibt seit Jahren den Takt im Onlinehandel vor. Viele Konkurrenten werden daher nicht darum herumkommen, technisch ebenfalls aufzurüsten. (…) Amazon ist mit seinen Lager-Robotern ein Vorreiter. Der IT-Branchenverband Bitkom hat im Frühjahr mehr als 500 deutsche Unternehmen befragt. Demnach setzen nur 16 Prozent solche Apparate ein. Immerhin: Rund ein Fünftel nutzen fahrerlose Staplersysteme und vernetzte Container. Trotzdem findet Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder, dass die Firmen stärker auf moderne Techniken setzen sollten: „Wenn man die Zukunftsszenarien, von denen die Unternehmen überzeugt sind, mit dem heutigen Einsatz und den konkreten Planungen vergleicht, dann ist das ein Warnsignal.“ (…) Amazon ist allerdings weit davon entfernt, den gesamten Versand zu automatisieren. So sind die Regale in Manchester nur mit handlicher Ware bestückt. Wenn es sperrig wird, müssen nach wie vor die Mitarbeiter ran, an anderen Standorten. Die heutigen Roboter sollen erst der Anfang sein…“ Beitrag von Joachim Hofer vom 14. Juli 2017 beim Handelsblatt online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=118967
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